Sottrum (as). Wildtiere retten und die Ernte sichern: Die Mission von Jens Cordes ist klar. Der Stuckenborsteler Landwirt hat es satt, dass Rehkitze, Rebhühner, Fasane und Hasen Gefahr laufen, unters Mähwerk zu geraten, sobald er seine Flächen aberntet: „Viele Tiere legen sich hin, wenn sie die Geräte hören und hoffen, dass die Gefahr vorüberzieht. Ob sie dann im letzten Augenblick flüchten oder nicht: Sie haben keine Chance“. Schwere Verletzungen sind die Folge, in der Regel tödliche.
Begehung der Felder mit dem Jagdhunden, Strohpuppen, Flatterband, Lichtsystem und Suche mit der Drohne: entweder mäßig effektiv, umständlich, zeitintensiv oder teuer. Erlebnisse und Verluste der vergangenen Jahre brachten Cordes dazu, nach einer neuen Lösung zu suchen. Der Blick ging dabei auch Richtung Österreich und Bayern. Dort arbeiten erste Landwirte bereits mit akustischen Warnsystemen an ihren Geräten, nach kurzer Überlegung tüftelt der Landwirt gemeinsam mit einer Werkstatt an einem eigenen Prototypen. Und der ist nun mit dem Mähwerk am ersten Fahrzeug installiert.
Auf 6,5 Meter Breite schneidet sich das Gerät durch die Gräser- und Erbsenmischung, die später zu Silage für die betriebseigenen Rinder wird. Zwei Sirenen pro Mähwerk geben während der Fahrt einen Doppelton mit einer Frequenz von 2.100 Hertz ab. So schiebt der Traktor einen Schallkegel vor sich her, der auch zwei Meter rechts und links von den Geräten wirkt. Im Fahrerhaus ist die Geräuschkulisse im normalen Betriebslärm kaum zu hören, draußen soll sie die versteckten Tiere beunruhigen und zum Aufstehen und Flüchten bewegen. Erste Erfahrungen zeigen: Das System funktioniert. „Das Wild reagiert sehr intensiv auf die Sirenen und flüchtet teilweise früh“, sagt Cordes und freut sich. Größtmögliche Wirkung könne der Nutzer erzielen, wenn er die Sirenen mit einer herkömmlichen Methode zur Vermeidung von Wildschäden kombiniert: Das Feld von innen nach außen mähen. Ohne Akustik sei das eher ein „Glücksspiel“, wie Cordes sagt, – mit Signal allerdings verlässlich. Gut für jeden, der sein Tierfutter selbst anbaut und vom Feld holt, denn so lässt sich nicht nur die sinnlose Tötung von Tieren verhindern, wie es Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes fordert. Auch die emotionale Belastung der Fahrer lässt sich vermeiden, wenn das Risiko sinkt. Darüber hinaus bieteten die neue Methode finanziell mehr Sicherheit. Denn sobald ein Tier unbemerkt unters Mähwerk gerät und Kadaverreste in der Ernte landen, ist diese wertlos. Tiere, die sie trotzdem fressen, leiden darunter, denn das verseuchte Futter ist hochgradig toxisch. Risikominimierung, Tierwohl und potenziell höhere Geschwindigkeiten bei der Ernte: Nur drei Gründe, weshalb Cordes glaubt, dass das akustische Warnsystem Schule machen kann. Ein Lohnunternehmer habe bereits Interesse signalisiert, was den Landwirt besonders freut. Denn wenn die Technik in dem Sektor Fuß fasst, sei die Wirkung am größten. Und auch beim Hegering Sottrum kommt die Initiative des Landwirts gut an. Das signalisiert Vorsitzender Friedel Lossau. „Das ist hochgradig unterstützungswürdig, gerade wenn jemand aus eigenem Antrieb auf so eine Idee kommt“, sagt er und sichert dem Landwirt eine Finanzspritze aus dem Verein zu. Gekostet hat der Prototyp inklusive Installation rund 1.000 Euro. Für weitere Geräte soll die Höhe der Ausgaben laut Cordes geringer ausfallen, weil die Werkstatt sich dann auf das System eingespielt hat. Die einzige Sorge des Landwirts ist, dass sich nahegelegene Anwohner von den neuen Begleitgeräuschen beim Mähen gestört fühlen könnten. Doch Lossau, der das Gerät bereits in Aktion gesehen und gehört hat, beschwichtigt: „Der Lärmpegel ist erträglich. Ich hatte es mir wesentlich lauter vorgestellt.“