VON PAULINE VOCKENROTH 

„Wichtiges Signal“

In der neuen Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung der Kreisverwaltung Rotenburg ist jetzt von der Landrätin die Rede.
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Die neue Dienstanweisung des Landkreises ist weiblich

Die „Gender-Debatte“ hält nicht nur Alltagsbenutzer der deutschen Sprache in Atem, sondern ebenso die Verwaltungsorgane des Landes. Während die eine Seite versucht, möglichst inklusiv alle eventuellen Anredeformen zu berücksichtigen, gibt es auf der anderen Seite jene, die die deutsche Sprache in den Ruin getrieben sehen. An den Positionen der Debattierenden kann man zudem meist auch deren politische Gesinnung erkennen. Gegner des Genderns sind zumeist Angehörige der CDU oder der AfD.

Dass das aber nicht sein muss, bewies Rotenburgs Landrat Marco Prietz (CDU), als dieser am vergangenen Montag auf Instagram postete, dass in der neuen Allgemeinen Dienst- und Geschäftsweisung des Landkreis Rotenburg das sogenannte generische Femininum verwendet wird. Als „heiligstes Regelwerk der Kreisverwaltung“ bezeichnet Prietz die Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung, die die Arbeitsvorgänge in der Verwaltung regelt. Im Zuge der Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge musste also nach sechs Jahren eine neue Version aufgesetzt werden. Voraussetzung: eine genderneutrale Sprache, die nicht die Lesbarkeit und Verständlichkeit des Textes beeinflusst. Auf „unzählige Dopplungen, Sternchen, Schrägstriche oder Wiederholungen“ sollte verzichtet werden. „Ich habe mich daran erinnert, dass es bei wissenschaftlichen Arbeiten üblich war, konsequent im Text nur ein Geschlecht zu nennen, wenn man vorher in einem Absatz erklärt hat, dass damit beide Geschlechter gemeint sind“, erzählt Prietz. „Da die Mehrzahl unserer Beschäftigten weiblich ist, habe ich mich für das weibliche Geschlecht entschieden“, heißt es vom Landrat, der es mit Humor nimmt. „So ist nun im Paragraf fünf, bei den Leitungsaufgaben des Landrats, von der Landrätin die Rede.“ Die Kommentare unter dem Post sind positiv. Frauen und Wirtschaft Rotenburg kommentiert beispielsweise: „Zeitgemäße Entscheidung. Jahrzehntelang mussten sich Frauen mit der männlichen Form angesprochen fühlen, jetzt ist es eben mal andersrum.“ CDU-Parteikollege Frank Westermann scherzend: „Du hättest das enden können mit ,Eure Landrätin Marco Prietz‘. Ich finde das super.“ „Ich habe für die Entscheidung bereits jede Menge positive Rückmeldung erhalten“, sagt Prietz. Westermann sei darunter nicht der einzige Parteikollege gewesen. Dass das allerdings nicht alle Politikerinnen und Politiker in der CDU so sehen dürften, zeigte beispielsweise ein Vorfall aus dem Jahre 2020. Die damalige Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) wollte einen Gesetzentwurf zur „Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ komplett im generischen Femininum verfasst vorlegen. Bei den Politikern kam das vor vier Jahren nicht gut an, und sowohl der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundestagsfraktionsvorsitzender Thorsten Frei (CDU) beschwerten sich lauthals über den „Genderwahnsinn“. Frei betonte damals an die Ministerin adressiert, „dass das ein einmaliger Ausrutscher bleibt“. Er hinterfragte die Entscheidung, „ideologische Grundsatzfragen“ zur Corona-Pandemie auszufechten. Nun sind vier Jahre vergangen und die Pandemie ist überstanden. Zeit, um sich mit ideologischen Grundsatzfragen auseinanderzusetzen? Prietz schaut in die Zukunft und ist mit der getroffenen Entscheidung zufrieden. „Bisher stand dort immer die männliche Form, warum also nicht mal die weibliche?“ Er sieht die Verwendung als ein „wichtiges Signal“ und einen Kompromiss. „Ich bin definitiv weiterhin gegen die Verwendung von Zusatzzeichen, wie Sternchen oder Schrägstrichen. Bei Sprache geht es immer um Verständigung – im Geschriebenen und im Gesprochenen.“ Auch im Hinblick auf die Zukunft verteidigt der Landrat den Beschluss: „Wer weiß, ob Rotenburg in der nächsten Wahl vielleicht eine Landrätin bekommt.“ Dass in der Dienstanweisung das generische Femininum steht, ändere aber nichts an der geschlechtsspezifischen Anrede der Mitarbeitenden in der Kreisverwaltung und in amtlichen Dokumenten, betont Prietz. Und: „Auch in meinen Reden werde ich weiter von ,Zuhörerinnen und Zuhörern‘ oder von ,Damen und Herren‘ sprechen.“

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