Fintel. Mittlerweile ist es für Kommunen selbstverständlich, sich im World Wide Web zu präsentieren. Neugierige haben so jederzeit Zugriff auf Interessantes: Wissenswertes zu Kommune und Serviceleistung, Wirtschaft, Kultur, Tourismus. Als wir vor 40 Jahren in den Landkreis zogen, gestaltete sich Informationsbeschaffung deutlich abenteuerlicher.
Ohne persönliches Erscheinen in Gemeindebüros oder Rathäusern und wertvollen Tipps aus der Nachbarschaft wären kommunale Besonderheiten rätselhaft geblieben – wie Gemeinde-Laufzettel oder die scheinbar verwirrende Hausnummernvergabe in Dörfern nach der Reihenfolge, in der Häuser entstanden. Leichter war es da schon, sich touristisch über Wander- und Radwege zu erkundigen, denn viele Kommunen hatten für entsprechende Eintragungen in Ortsplänen gesorgt.
Welche Überraschung, als ein Blick auf die Internetseiten der Samtgemeinde Sottrum im Bereich Freizeit/Tourismus bei Wander- und Radwegen genau jene Vorschläge aufführte, die wir 40 Jahre zurück schon mit Hilfe einer entsprechenden Karte ausprobiert hatten. Mittlerweile existiert der Kartenverlag nicht mehr, die hilfreiche Karte ist aus dem Handel verschwunden und die Samtgemeinde arbeitet an einem neuen Internetauftritt. Noch kann aber auf der Homepage neben anderen Routen mein örtlicher Lieblingswanderweg entdeckt werden, der am Naturschutzgebiet Wolfsgrund vorbei über Everser Bach und Hinnenberggraben durch „reizvolle Kiefernwälder“ führt, wie die Wegbeschreibung verspricht. Natürlich hat sich in den vier Jahrzehnten, seit denen wir die Samtgemeinde mit Hilfe des vergriffenen Kartenmaterials erkundeten, viel verändert. Aber immer noch steht fast am Ende des Weges, dort wo er auf die K 220 von Eversen nach Westerwalsede Bahnhof stößt, ein einsames Haus, in dem von 1951 bis 1980 Hans-Ludolf Flügge lebte, ein vor allem als Autor zahlreicher plattdeutscher Theaterstücke bekannter Schriftsteller und Journalist. Bis heute ist an der Straßenseite des Gebäudes der Name des Hauses zu erkennen: Birkenhöhe. Birken – als bei einer Fortbildung zum fachgerechten Markieren von Wanderwegen jemand draußen beim Praxisteil vorschlug, eine Petula, so der lateinische Name der Birke, als Markierungsbaum zu verwenden, meinte jemand: „Bloß nicht, die wachsen zu schnell und fallen dann ohne Vorankündigung einfach um!“ In der Tat, Birken haben es eilig. Sie sind oft als erste zur Stelle, wenn sich irgendwo eine Chance auftut, dass hier mal Bäume wachsen könnten. Trocken oder nass – Birken sind perfekte Pioniere, wenn es darum geht, etwas neu zu besiedeln. Wichtig ist Licht. Gibt es das, wachsen sie in einem Jahr auch schon mal einen Meter. In einem Wald halten sie sich aber nicht lange, weil schattentolerante Arten wie Buchen sie verdrängen. Birken dominieren auf Standorten, die gehobeneren Ansprüchen anderer Bäumen nicht genügen, weil diese bei fehlendem Nährstoffen mäkeln oder was gegen kalte Füße haben. Birken sind mit weniger zufrieden. Viele sehen diesen anspruchslosen Baum kritisch, nicht nur als Wanderwege-Markierungsbaum, sondern auch, weil er als „Leichentuch“ wertvollen Mooren zu viel lebenswichtige Nässe entzieht und sonnenverliebte Heideflächen beschattet, weshalb regelmäßig Heidschnucken und neuerdings Ziegen zur Pflege anrücken müssen. Die Birke ist einer der ältesten nacheiszeitlichen Bäume. Ihr mythologischer Wert als frühe, helle, zartgrüne Frühlingsbotin zeigt sich nicht nur bis heute im Aufstellen von Mai- oder Pfingstbäumen, sondern auch im Pflanzen von Birken entlang unbeleuchteter Alleen oder bei wenig übersichtlichen Wegen, beispielsweise für den Heimweg von der Arbeit in Moor und Heide bei anbrechender Dunkelheit. Ihr Schutzwert erklärt sich hier jedoch weniger durch den Bezug des Baumes zu Heil bringenden Gottheiten, sondern aus ihrer dekorativen, weißen Rinde, die selbst im Dämmerlicht noch gut erkennbar ist. Neugierig auf diesen Straßenmarkierungsbaum? In Fintel gibt es ein anschauliches Beispiel für den Wert von Birken als hellem Orientierungsbaum entlang unbeleuchteter Feldwege. Wer der Straße „Spitzen“ aus dem Ort heraus über die Fintau bis zum nächsten Querweg folgt, stößt auf einen ausgeschilderten Wanderweg. Ihm wird ins Hammoor gefolgt. Nach dem Erreichen der Moorwaldbereiche des Moores an der ersten Kreuzung links auf dem Wanderweg bleiben. Er quert den „Tostedter Damm“ und verläuft weiter geradeaus als beidseitig baumbestandener Weg, immer wieder durchsetzt mit Birken. Sie sind helle Lichtblicke, die weisen, wo zu gehen ist.