Bezahlbarer Wohnraum sei mittlerweile auch in Rotenburg „ein Riesenthema“, das weiß ein Architekt wie Joachim Cordes aus Unterstedt besonders gut. Aber auch gemeinschaftliches Wohnen für ältere Menschen sei ein großes Thema. Umsetzen will Cordes das in einem Projekt im Neubaugebiet Brockeler Straße II am nordöstlichen Ende von Rotenburg. Die Stadt hatte ihm dort im „Bereich 55+“ ein Grundstück zunächst zum Mietwohnungsbau vergeben. Cordes habe mit seinem Konzept für das Projekt „Jeder für sich, aber doch nicht allein“ den Zuschlag erhalten.
Mit acht Stimmen bei einer Gegenstimme hat der Planungsausschuss der Stadt Rotenburg am Mittwoch einem Beschlussvorschlag der Verwaltung zugestimmt, alle elf Wohnungen, die auf einem Grundstück zwischen Walsroder und Celler weg entstehen sollen, zur Selbstnutzung freizugeben.
Ursprünglich hatte Projektentwickler Joachim Cordes aus Unterstedt in seinem Konzept vorgesehen, dass künftige Eigentümer die Wohneinheiten vermieten müssten. Es habe sich aber gezeigt, dass es viele potenzielle Investoren gebe, die die Wohnung selbst bewohnen wollten. Cordes hatte im August beantragt, daher einen Teil der geplanten Wohnungen zur Selbstnutzung freizugeben. Die Stadt ging also im Beschlussvorschlag über diesen Antrag hinaus, sodass künftig Mieter oder auch die Eigentümer selbst einziehen könnten – allerdings nur, wenn diese mindestens 55 Jahre alt oder körperlich beeinträchtigt sind, mit einer Schwerbehinderung von 50 Prozent oder mehr oder einem Pflegegrad Stufe 2 oder höher. Ziel des Bereichs 55+ sei, kleineren alters- und behindertengerechten Wohnraum zu schaffen, wodurch größere Wohnungen oder Häuser für Familien frei werden könnten. Cordes selbst fungiert nicht als einer der elf Bauherrn, er ist für den Neubau der Architekt und der Projektentwickler. Fünf, sechs Mitglieder der Bauherrngemeinschaft stünden aber schon bereit, weitere Interessenten hätten sich gemeldet, berichtete Bürgermeister Torsten Oestmann, und Mieter würde man für die Wohnungen problemlos finden, ist auch Cordes überzeugt. Auch wenn möglichst im Februar oder März Baubeginn sein soll, noch ist der Plan für die Anlage „ein Vorentwurf“, in der Vergangenheit habe dieser sich schon verändert, und das könne er auch künftig noch tun, so Cordes. Die Bauherrn hätten noch die Möglichkeit, individuellen Einfluss zu nehmen, etwa auf die Grundrisse. Cordes hätte auch gern auf Basis einer Genossenschaft den Bau geplant, um finanziell Schwächeren noch besseren Zugang zu gewähren, auch eine Kooperation mit den Werken hatte er angedacht. Und architektonisch hätte er gern etwas aufgelockerter, weniger verdichtet geplant, aber Grundstücke sind eben rar und teuer, wobei dieses Grundstück mit 200 Euro pro Quadratmeter noch vergleichsweise günstig sei. Es sind aber auch eine Begrünung der waagerechten Dachflächen geplant, ein Gemeinschaftsbereich und Ladestationen für E-Autos. Auch wenn es vor zehn Jahren wohl noch locker 1 000 Euro weniger gewesen wären – Wohnflächen-Quadratmeterpreise von rund 3300 Euro für die Neubauten seien relativ niedrig, so der Architekt. Die Verwaltung, namentlich vertreten durch Oestmann, kündigt in der Beschlussvorlagen-Begründung dann auch an sicherzustellen, dass alle Wohnungen nur durch den festgelegten Personenkreis bewohnt werden dürfen, egal ob es letztlich Selbstnutzer oder Mieter sind. Ansonsten würde die Stadt Nachzahlungen fordern. Eigentümer kann freilich auch jemand sein, der weder beeinträchtigt noch 55 oder älter ist. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist aber auch da. Cordes habe positive Erfahrungen mit einem ähnlichen Reihenhausprojekt am Stockforthsweg gemacht, einem weiteren Neubaugebiet. Der Unterstedter hat sogar eine ganze Mappe voll mit Referenzprojekten, nicht nur aus Rotenburg, auch aus Buchholz in der Nordheide zum Beispiel. Cordes findet es nach eigener Aussage jedenfalls wichtig, dass Vermieter nicht nur auf den maximal möglichen Mietpreis schauen, damit Mieter langfristig bleiben. HOLGER HEITMANN