Scala & Kolacny Brothers mit zwei Konzerten in Visselhövede - Von Nina Baucke

Jenseits des Gewitters

Der Chor Scala & Kolacny Brothers begeisterte mit zwei Konzerten in der Visselhöveder Kirche. Foto: Nina Baucke
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Visselhövede. Als die ersten Klänge der Kirchenorgel ertönten und dazu das Publikum den Abba-Song „Thank you for the music“ sang, dürfte die Überraschung für den Chor Scala wohl perfekt gewesen sein: Etwas perplex standen die Sängerinnen und die beiden Chorleiter Stijn und Steven Kolacny im Altarraum und hörten sich offenbar gerührt den Applaus der etwas anderen Art an.

Schon zuvor hatte das Publikum am Sonntagabend in der Visselhöveder St.-Johannis-Kirche bei gleich zwei Konzerten hintereinander das Ensemble immer wieder lautstark gefeiert – und damit nach Aussage von Dirigent Stijn Kolacny die Begründung geliefert, warum das weltweit tourende Ensemble zwischen Berlin und Brüssel nun schon zum dritten Mal nach Visselhövede gefunden hatte.

Das hängt auch mit Ralf Struck zusammen, dem ehemaligen Vorsitzenden des Kulturvereins Eigenart. Für die beiden Scala-Konzerte, die innerhalb von sechs Tagen ausverkauft gewesen waren, hatte er sich noch einmal als Veranstaltungsleiter den Hut aufgesetzt und zeigte gemeinsam mit dem übrigen Eigenart-Team, was mit ehrenamtlichen Engagement auch jenseits der Großstädte kulturell möglich ist. Mit Erfolg: Denn der belgische Mädchenchor bot seinem Publikum unter dem ausdrucksstarken, fast schon tänzerischem Dirigat von Stijn Kolacny eine fließende Show, mischte Scala-Klassiker wie „Without or without you“ von U2 mit Stücken aus ihrem aktuellen Album „Mädchennamen“. Daraus fanden sich allerdings nicht nur Songs wie „Gabi und Klaus“ von den Prinzen und „Pocahontas“ von Annenmaykantereit auf der Setlist wieder, sondern auch der Bierzeltstampfer „Cordula Grün“. Bereits die beiden Opener des Abends, „Reptile“ von Nine Inch Nails und „Engel“ von Rammstein, waren optisch wie akustisch ein Ausrufungszeichen – mit flackernden Lichtern, Kunstnebel und wummerndem Schlagzeug, dazu die den Gang entlang schreitenden Sängerinnen in etwas skurrilen Kostümen und mit Lichtern in der Hand. Dass es das ganz große Effektgewitter nicht unbedingt braucht, zeigten die etwas ruhigen Nummern wie „Creep“ von Radiohead, Leonard Cohens Evergreen „Hallelujah“ oder dem berührenden Chorwerk „Evigheden“ des dänischen Komponisten Michael Bojesen, für das sich der Chor in der Kirche verteilt. Das machten sie auch mit Eigenkompositionen von Pianist und Arrangeur Steven Kolacny wie „Rosa wird sie genannt“ und „Kleiner Mann, Supermann“ deutlich – und ganz besonders bei „Bleib stehen“, bei dem Verstärker und Mikrofone ganz runtergedreht waren, und dort wirklich nichts mehr blieb, als ein Mädchenchor mit Klavierbegleitung. Klar, schlicht und schön – vor allem von der Sorte hätte es ruhig mehr geben können. Dabei scheute sich das Ensemble auch nicht, die Wohlfühlatmosphäre aus träumerischen Balladen und fröhlichen Discosongs auch mal mit Songs wie „Puppe“ von Rammstein aufzubrechen oder „Emanuela“ von Fettes Brot einen fast schon epischen Anstrich zu verpassen. Und die Sängerin bewiesen bei „Elke“ von den Ärzten so nebenbei, dass es auch für Nicht-Muttersprachler möglich ist, Worte wie Sauerstoffgerät, Stützstrumpfhose und Mettwurst auszusprechen. Derzeit befindet sich der Kulturverein Eigenart mangels eines neuen Vorsitzenden in der Auflösung – auch wenn Struck sich am Sonntag „vorsichtig optimistisch“ gab, was die Zukunft des Vereins angeht. Angesichts eines möglichen erneuten Scala-Stopps in Visselhövede: Gerne!

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