Neue Kassenbon-Pflicht: Apotheker-Verein sauer - „Bevölkerung wird missbraucht“

Deutschland droht 2020 der Zettel-Irrsinn: Die Pflicht zum Kassenbon soll gegen Steuerbetrug helfen. Der Einzelhandel fürchtet allerdings immense Probleme mit der Umstellung.

  • Mit der Kassenbon-Pflicht soll in Deutschland gegen Steuerbetrug vorgegangen werden.
  • Allerdings fürchtet der Einzelhandel den Aufwand und die Kosten zur Umstellung.
  • Die Neuerung ist seit Neujahr 2020 in Kraft.

Update vom 7. Januar 2020: In der Diskussion über die Kassenbonpflicht hat die Freie Apothekerschaft eine Petition beim Bundestag gegen die neue Regelung angekündigt. „Die Bevölkerung wird durch die Bonpflicht als Finanzkontrolleure missbraucht“, sagte Vorstandsmitglied Reinhard Rokitta am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Zudem entstehe eine Unmenge Abfall. 

„Wir reden über Umweltschutz und produzieren hier Milliarden von Bons, die teilweise als Sondermüll entsorgt werden müssen“, meinte er. Die Menschen wollten die Bonpflicht offensichtlich nicht. „Verantwortungsbewusste Politiker müssen auch Entscheidungen revidieren, wenn sie nicht in die Zeit passen.“

Die Freie Apothekerschaft hofft nach eigenen Angaben, dass der Handel bei der Petition mitziehe und innerhalb von vier Wochen die 50 000 Unterstützer erreicht werden, die im Regelfall zur Behandlung im Petitionsausschuss nötig sind. Die Unterstützerzahl wirkt sich aber grundsätzlich nicht auf die parlamentarische Prüfung einer Petition aus, für Umfang der Prüfung ist allein das Anliegen entscheidend.

Der 2010 gegründete Verein Freie Apothekerschaft mit Sitz in Herxheim (Rheinland-Pfalz) hat nach eigenen Angaben derzeit 170 Mitglieder.

„Bonpflicht“: Nach heftiger Kritik - SPD sieht jetzt eine Gruppe in der Pflicht

Update vom 6. Januar 2020: Wenige Tage nach Inkrafttreten der umstrittenen Kassenbonpflicht sieht die SPD den Einzelhandel am Zug. „Die Wirtschaft ist gefragt, hierzu praxistaugliche Lösungen zu entwickeln“, sagte der Finanzpolitiker Lothar Binding am Montag der Deutschen Presse-Agentur. So gebe es bereits Apps, die Belege digital übertragen könnten.

Das Thema wie von der FDP gefordert erneut im Bundestag aufzurollen, lehnen die Sozialdemokraten ab. Selbst modernste Kassen könnten manipuliert werden, sagte Binding. „Wir werden deswegen Vorschlägen nicht zustimmen, die den Betrügern zum Schaden der ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ihr Handwerk erleichtern.“ Die FDP-Fraktion hatte vorgeschlagen, die Bonpflicht für all jene wieder abzuschaffen, die sichere Kassen nutzten.

Die „Bonpflicht“ gilt - doch bis das Gesetz überall greift, dauert es noch

Update vom 2. Januar 2020: Bis zuletzt liefen Einzelhandel und Handwerk Sturm gegen die Gesetzespläne zur Eindämmung von milliardenschwerem Steuerbetrug an Ladenkassen: Doch aller Kritik auch aus der Koalition zum Trotz gilt seit Mittwoch die Kassenbonpflicht - ob in der Apotheke, beim Friseur oder beim Bäcker. Wenn Händler über elektronische Kassensysteme verfügen, müssen sie vom 1. Januar an Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Der Kunde muss diesen allerdings nicht mitnehmen.

Mit den Ende 2016 beschlossenen Maßnahmen will der Gesetzgeber Steuerbetrug über Mogelkassen einen Riegel vorschieben. Kassen sollen fälschungssicher und so Manipulationen verhindert werden. Die umstrittene „Belegausgabepflicht“ ist ebenfalls Teil des „Kassengesetzes“. Demnach kann der Bon auch per Mail oder auf das Handy ausgegeben werden. In „Härtefällen“ ist kein Beleg fällig - das aber muss die jeweilige Finanzbehörde vor Ort prüfen.

Der Staat verliert alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen - vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Die Steuergewerkschaft und einige Bundesländer bezifferten den Schaden auf jährlich etwa zehn Milliarden Euro. In vielen Staaten wie Österreich, Italien, Portugal, Schweden, Slowenien und Tschechien gilt die Bonpflicht schon länger und funktioniert laut Bundesfinanzministerium auch.

Betroffene Unternehmen hierzulande warnen vor höheren Kosten, mehr Bürokratie sowie Umweltschäden. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer nannte die Bonpflicht „Blödsinn“: „Die Betriebe fühlen sich gegängelt und vorgeführt.“ Unternehmen müssten viel in die neuen elektronischen Kassen investieren. Mit einer technischen Sicherungseinrichtung werde jeder Kassenvorgang unveränderbar erfasst - dann müssten aber nicht noch zusätzlich Bons ausgeben werden. Ähnlich argumentiert die FDP: Bei Betrieben mit fälschungssicheren Kassen sollte auf die Bonpflicht verzichtet werden.

Die Verordnung ist nun zwar in Kraft, aber nicht alle Unternehmer konnten sich schon eine neue oder umgebaute Kasse zulegen. Für die Umsetzung der technischen Sicherheitseinrichtung wurde daher eine Frist bis Ende September 2020 gewährt. Dem Fachverband für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik zufolge können von den etwa 1,85 Millionen Kassen, die in Deutschland im Einsatz sind, nur zwischen 400.000 und 500.000 umgerüstet werden. Die anderen müssten durch neue Produkte ersetzt werden.

Deutschland droht 2020 der Kassenzettel-Wahnsinn - „Gesetz hat seine Berechtigung“

Update vom 16. Dezember 2019: Der Streit um eine Kassenbon-Pflicht ab 2020 treibt schillernde Blüten: FDP-Chef Christian Lindner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schienen am Montag gar in aller (Internet-)Öffentlichkeit Verhandlungen über eine Neugestaltung des Gesetzes anzubahnen - eindeutig in der Defensive schien dabei aber Altmaier.

Die Bonpflicht sei ein „Misstrauensvotum gegen den Mittelstand“, twitterte Christian Lindner am Nachmittag. Altmaier habe die Reformpläne „ewig laufen lassen“, monierte er. Sich nun in letzter Sekunde zu melden, sei ein „Ablenkungsmanöver, um der SPD den ganzen Ärger vor die Tür zu kippen“.

Altmaier warf Lindner wenig später vor, die „Argumentation der Bon-Befürworter“ zu übernehmen - zu denen ja eigentlich auch die Regierung gehören sollte, die das Gesetz auf den Weg brachte, inklusive Altmaier selbst. „Mit Schuldzuweisungen helfen Sie keinem einzigen Mittelständler. Let‘s work together!“, bot der Wirtschaftsminister Lindner an. Dass es Altmaier mit Unterstützung der FDP gelingt, das GroKo-Gesetz wieder einzufangen - es scheint aber zumindest fraglich.

Denn es gibt prominenten Widerstand aus eigenen Reihen: Die SPD und offenbar auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen an der Regelung festhalten. „Es bleibt (...) dabei, dass zum 1. Januar diese Belegpflicht in Kraft treten wird“, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums am Montag in Berlin. Der Handel habe mehr als drei Jahre Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Dieses Gesetz hat seine Berechtigung.“

Altmaier sei ursprünglich davon ausgegangen, dass eine existierende Ausnahmevorschrift auf anonyme Massengeschäfte wie etwa beim Bäcker angewendet werde, hieß es am Montag vom Sprecher des Wirtschaftsressorts. Allerdings sei eine Anwendungsvorschrift sehr restriktiv ausgefallen, sagte er mit Blick auf das Finanzressort.

Angela Merkel steht unterdessen wegen einer diplomatischen Problemlage in der Kritik.

Kassenbon-Pflicht: 2020 droht der Zettel-Irrsinn - Nun zweifelt auch die CSU

Update vom 15. Dezember 2019: In der Union mehren sich die Bedenken gegen die ab dem Jahreswechsel geltende Kassenbon-Pflicht im Einzelhandel: „Ich habe Zweifel daran, dass eine generelle Kassenbonpflicht zu mehr Steuersicherheit führt“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem Münchner Merkur*. 

Auf jeden Fall führe sie zu mehr Aufwand, wo er eigentlich vermieden werden könnte – zum Beispiel beim Bäcker, der Eisdiele oder bei Kleinstbeträgen. „Sinnvoll wäre eine praxisnahe Ausgestaltung anstatt einer generellen Verpflichtung“, erklärte Dobrindt weiter.

Zuvor hatte bereits Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gefordert, die Pflicht noch vor ihrer Einführung abzuschaffen. Die SPD will jedoch an ihr festhalten.

Kassenbon-Pflicht: 2020 droht der absolute Zettel-Irrsinn - jetzt mischt sich der Wirtschaftsminister ein

Update vom 14. Dezember 2019: Die ab dem Jahreswechsel geltende Kassenbon-Pflicht im Einzelhandel sorgt kurz vor ihrer Einführung für ordentlich politischen Wirbel

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor „Milliarden zusätzlicher Bons“ und forderte, die sogenannte Belegausgabepflicht „komplett abzuschaffen“.

Die SPD-Bundestagsfraktion verteidigte die Regelung hingegen als verhältnismäßiges Mittel im Kampf gegen Steuersünder.

Dass künftig allen Kunden ein Beleg angeboten werden muss, hatte zuletzt aber nicht nur zu wachsenden Umweltbedenken wegen der oft auf spezielles Thermopapier gedruckten Bons geführt, sondern auch zu Warnungen vor einem massiven bürokratischen Aufwand für Betriebe.

Kassenbon-Pflicht: 2020 droht der absolute Zettel-Irrsinn - jetzt mischt sich der Wirtschaftsminister ein

Dem schloss sich auch Wirtschaftsminister Altmaier an. In einem Brief an Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der AFP am Samstag vorlag und über den zunächst die Bild-Zeitung berichtet hatte, warnte der CDU-Politiker, allein die Supermarktkette Rewe rechne mit einer Steigerung des „Papiereinsatzes an ihren Kassen von 40 Prozent oder rund 140.000 Kilometern zusätzlicher Kassenbons im Jahr“.

„Im gesamten Handel werden Milliarden zusätzlicher Bons gedruckt und in den allermeisten Fällen direkt im Müll landen“, kritisierte Altmaier. Da der Handel seine Kassen bis September 2020 auf manipulationssichere Systeme umrüsten müsse, sei die Bon-Pflicht mit Blick auf die Vermeidung von Steuerbetrug zudem „nicht plausibel“.

„Wir sollten daher als Bundesregierung handeln mit dem Ziel, die Belegausgabepflicht komplett abzuschaffen“, forderte der Wirtschaftsminister. Als erster Schritt sollten alle bestehenden Möglichkeiten genutzt werden, um „in möglichst vielen Fällen“ einen Verzicht auf die Pflicht zu erreichen; darauf, dass für Ausnahmen eine sachliche oder persönliche Härte bestehen müsse, solle verzichtet werden.

Kassenbon-Pflicht: 2020 droht in Deutschland der absolute Zettel-Irrsinn - Einzelhandel befürchtet Desaster

Erstmeldung: Berlin - Italien-Urlauber kennen diese Situation: Selbst bei dem kleinsten Einkauf wird einem in dem Land ein Kassenzettel gereicht. Das ist Pflicht und sorgte bei Deutschen bislang teils für Kopfschütteln. Doch genau auf diese Situation müssen wir uns nun wohl auch in Deutschland einstellen - mit möglicherweise desaströsen Folgen für den Einzelhandel.

Einen enormen bürokratischen Aufwand und erhebliche Kosten befürchtet der deutsche Einzelhandel durch eine neue Pflicht zum Kassenbon. „Im Einzelhandel in Deutschland rechnen wir mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr“, sagte der Steuerexperte des Handelsverband Deutschland (HDE), Ralph Brügelmann. Die Anzahl und Länge der auszugebenden Kassenzettel werde spürbar zunehmen. Besonders stark betroffen seien Unternehmen, die viele günstige Artikel verkaufen. Über das Thema hatte zuvor die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet.

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Kassenbon-Pflicht in Deutschland: Umstellung der Kassen kostet viel Geld

Die Kassenbon-Pflicht ist Teil der Kassensicherungsverordnung, die Steuerbetrug an der Ladenkasse verhindern soll. Demnach sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten alle Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Der HDE kritisierte, die benötigte Technik sei noch nicht am Markt verfügbar und die Umstellung kostspielig. „Erste grobe Kostenschätzungen liegen einschließlich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse.“

Laut Brügelmann könne die Umstellung der Kassen Steuerbetrug zwar eindämmen, die Beleg-Pflicht trage aber nicht dazu bei. „Denn mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren wird eine Transaktion eröffnet, die sich bei einer mit einer TSE ausgerüsteten Kasse nicht mehr ohne Spuren löschen lässt. Ob dann der Kunde einen Beleg bekommt oder nicht, ist unerheblich.“ Und: Der Umwelt-Aspekt der Kassenbon-Pflicht ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Ein Bäcker zeigte nun mit einem Foto welcher Irrsinn 2020 auf uns zukommen könnte.

Im Anschluss stellt sich die Frage: Wohin mit dem Kassenzettel? Verbraucherschützer warnen davor den Kassenbon im Geldbeutel aufzuheben.

Gegen die Kassenzettel-Änderung gibt es breiten Protest, unter anderem von den Bäckern in Niedersachsen, wie kreizeitung.de* berichtet. Eine andere Bäckerei wehrt sich kreativ gegen die Bonpflicht - und wird dafür gefeiert.  Auch aus der Politik hagelt es Kritik. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte nun das neue Gesetz - und stellt sich drastischen Vorwürfen

Mit Zuckermasse und Himbeermarmelade macht ein Bäcker aus dem Landkreis Erding auf die eingeführte Kassenbon-Pflicht aufmerksam. Die Kunden finden die Idee toll.

dpa/rjs

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