15-Jähriger aus Bayern entgeht knapp dem Tod - seine Krankheit halten viele für harmlos

Diabetiker müssen regelmäßig ihren Blutzucker-Wert kontrollieren.
 ©AFP / ADEK BERRY

Adrian aus dem Landkreis Dachau war gerade einmal 15, als er die Diagnose bekam. Es war ein Tag, an dem sich alles änderte - und den er fast nicht überlebte.

  • Adrian ist ein Kämpfer, ein Organisationstalent und ein Manager. Muss er auch sein. 
  • Davon hängt sein Leben ab. Der 22-Jährige hat Diabetes. 
  • Er weiß, wie es ist, mit einer Krankheit zu leben, von der sich immer noch die wenigsten vorstellen können, was das vor allem für Kinder und Jugendliche bedeutet.

Dachau – Es war der Tag, an dem er nicht mehr aufstehen konnte. Der Tag, an dem sich alles verändert hat. Adrian war damals 15 Jahre alt. Rief seine Mutter an, kam einfach nicht mehr aus dem Bett. Beim Arzt wollte die Sprechstundenhilfe den Blutzuckerspiegel messen, doch der Wert war nicht mal mehr messbar – so hoch war er bereits.

Landkreis Dachau: Diagnose Diabetes - Teenager mit dramatischer Geschichte

Noch heute steigen seiner Mutter Tränen in die Augen, wenn sie von dem Augenblick erzählt. Der Arzt machte einen zweiten Test, der Wert: über 500. Normal ist zwischen 80 und 120. Adrian hatte einen Schutzengel – der Hausarzt sagte nur: „Sie haben Glück, dass ihr Sohn heute Früh überhaupt noch aufgewacht ist.“ Dann musste der 15-Jährige sofort in die Klinik.

Adrian, heute 22, hat Diabetes. Typ 1, ein Defekt der Bauchspeicheldrüse. Sein Körper kann kein Insulin produzieren. Deshalb braucht er fremdes.

Junger Mann mit Schock-Diagnose - Leben ändert sich radikal

In der Klinik, in Schwabing, war der Familie aus dem Landkreis Dachau damals schnell klar: Unser Leben wird ab heute ein radikal anderes sein. „Da ist nichts mehr gleich“, sagt seine Mutter. „Das ist wie ein komplett neues Schulfach, das Adrian und wir lernen mussten.“ Schulungen, üben, ihn zu spritzen, lernen, wie man den Blutzuckerspiegel misst.

Heute fühlt Adrians Mutter vor allem mit Eltern mit kleinen Kindern, die das selbe durchmachen: „Den Kleinen kann man ja nicht sagen: Das ist lebenswichtig, deshalb müssen wir dich immer stechen. Das tut einfach nur weh – und das zehnmal am Tag.“ Anfangs musste die Familie achtmal am Tag den Blutzuckerspiegel messen, bis sich die Werte stabilisiert hatten. Dreimal am Tag musste sich Adrian Insulin spritzen. Auch Maria aus München leidet unter einer unheilbaren Krankheit. Freunde und Familie haben nun eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um ihr ihren letzten Wunsch zu erfüllen

Jugendlicher aus Landkreis Dachau: Krankheit bestimmt das Leben

Mittlerweile gibt es neue Geräte. Der heute 22-Jährige kann mittels Sensoren und Transmitter am Handy seine Werte checken. Auch spritzen muss er sich nicht mehr so oft selbst. Er trägt eine Insulinpumpe. Ein Katheter ist dazu an der Hüfte oder am Bauch befestigt, die Pumpe mit einem Schlauch verbunden. Auch hier haben sich die Geräte mittlerweile verbessert. Früher wachte er oft mit mehreren Stichen im Bauch auf, weil er sich in der Nacht immer wieder den Katheter rausgerissen und mit den Nadeln in den Bauch gestochen hat. Den Pumpenkatether muss er sich alle drei Tage neu schießen.

Der 22-Jährige hat das Wechseln des Katheters im Griff, genau wie das Setzen des Sensors und das hochkomplizierte Berechnen seines Insulinbedarfs. Adrian weiß genau, wieviele BEs, also Broteinheiten, welche Nahrungsmittel haben und wie er sein Insulin nachdosieren muss, wenn er etwas gegessen hat. Würde er das nicht tun, nicht ständig seine Messwerte kontrollieren, kann das schnell gefährlich werden.

Video: Welt-Diabetes-Tag

Diagnose Diabetes: Als Teenager „will man so einen Scheiß nicht“

Seine Mutter weiß, wie hart das gerade in der Anfangszeit für einen jungen Menschen ist. Ständig diszipliniert zu sein. Als Teenager „will man so einen Scheiß nicht, da willst du nicht 1000 Traubenzucker einstecken oder ständig Angst haben, dass dir einer beim Feiern die Pumpe rausreißt.“ Adrian ergänzt: „Da will man sich einfach nur mit den Dingen auseinandersetzen, mit denen alle anderen auch zu kämpfen haben.

Schön frei und sorglos leben.“ Das Tückische: Diabetes „kann man auch leicht ignorieren, wenn man seine Werte nicht verfolgt“, sagt er. Bei Unterzucker merkt man schnell, dass das gefährlich werden kann. Aber die Spätfolgen sind einfach für junge Menschen zu weit weg, nicht greifbar, einfach nicht real. „Kinder leben im Jetzt. Dem Achtjährigen ist das wurscht, wenn man dem sagt: In zehn Jahren hast du kaputte Füße“, sagt Adrians Mutter. Sie hat die Spätfolgen immer im Kopf. Blindheit. 

Kämpfer aus dem Landkreis Dachau: „Zimperlichkeit hilft keinem“

Organversagen, schlechte Wundheilung. Auch Adrian – untypisch für sein Alter – nahm das immer sehr ernst, achtet stets penibel auf seine Werte. „Überzucker spüren viele gar nicht richtig“, erklärt der 22-Jährige. Deshalb ist es so wichtig, sich wirklich klar zu machen, wie sehr man seinem Körper damit schadet. „Zimperlichkeit hilft da keinem, da braucht es Klartext. Weil das einfach sehr schnell ganz böse enden kann.“ Doch Adrian merkt keiner an, dass er krank ist. Er ist ein Kämpfer, ein Sportler. Er betont: „Man ist zwar gebunden, aber man kann ganz normal leben.“ Zur Zeit arbeitet er gerade als Bufdi in der Ambulanz der einer Klinik im Landkreis Dachau.

Aber klar, auch er hat schlimme Phasen. In denen ihn alles ankotzt, alles nervt. In denen er einfach nur will, dass das alles aufhört. „Scheißtage wird’s immer mal wieder geben“, sagt Adrian, aber er hat gute Wege für sich gefunden, den Frust immer wieder abzubauen. Laufen gehen, boxen, meditieren – das hilft.

Diabetes: Permanente Überwachung notwendig 

Meist ist es das Unwissen anderer, die Adrian das Leben schwerer machen, als die Krankheit selbst. Wie am Tag des Mathe-Fachabis. 360 zeigte morgens das Messgerät an. Auch Stress kann die Zuckerwerte beeinflussen – so wie Wachstumsschübe. Adrian musste sofort zum Arzt. Der schrieb ein Attest, verordnete Ruhe. Das einzig richtige in diesem Moment: liegen, Insulin geben und trinken. Doch die Schule bestand darauf: Adrian muss zum Amtsarzt. „Das ist, wie wenn jemand einen Herzinfarkt hat und man sagt ihm, man muss jetzt zu einem anderen Arzt“, sagt seine Mutter.

Das war nicht der einzige Moment, in dem sie schier an der Bürokratie verzweifelt ist. Eine andere Schule zeigte „richtig Desinteresse“ gegenüber der Krankheit, erinnert sie sich. Sie hatte vor dem Schulwechsel ein Infopaket besorgt, mit Erklärungen, was Unterzucker bedeutet und dass ihr Sohn in so einem Fall rausdarf. „Da sagte die Schule: Er kann ja um 12.15 Uhr raus und darf etwas essen.“ Noch heute ist sie fassungslos: „Er braucht das nicht um 12.15 Uhr, er braucht es dann, wann es der Zuckerwert verlangt!“

Diagnose Diabetes: Immer eine Waage in der Handtasche

Sie hat zwar Verständnis für die Lehrer, die mit „zig Vorschriften zubombabardiert werden – aber in dem Fall gehts halts ums Leben“! Sie kennt auch die Probleme, die Eltern von kleineren Kindern mit Diabetes haben: Lehrer und Kindergärtner dürfen offiziell nicht spritzen. „Das heißt, Sie geben Ihr Kind ab, und den ganzen Vormittag bleibt das Problem: Wer überwacht das Essen? Wer schaut, ob er im Unter- oder Überzucker ist, wer schaut, dass er nicht nascht? Adrians Mutter leidet mit den betroffenen Eltern mit. „Außenstehende können sich das einfach nicht vorstellen, was die durchmachen.“

Es gab zum Beispiel eine Zeit, in der „ich keine Handtasche hatte, in der keine Waage drin war“, sagt sie. Eine Waage, mit der sie Lebensmittel abgewogen hat, um immer genau ermitteln zu können: Wieviel Insulin muss man jetzt extra geben? Mittlerweile hat das Adrian dank seiner Disziplin und Erfahrung im Kopf drauf – ohne Waage.

Verständnis im Umfeld und Offenheit große Hilfe

Was hilft: ein verständnisvolles Umfeld und Offenheit. Nur so können Freunde, Mitschüler und Kollegen helfen, wenn es drauf ankommt. Adrian hat das Glück, dass er tolle Freunde hat. Die auf ihn achten und verstehen, wenn eine spontane Übernachtung trotzdem immer gute Planung erfordert: Wenn Adrian bei einem Kumpel pennt, packt er weit mehr als ’ne Zahnbürste ein. Ersatzteile für die Pumpe, Katheter, Schläuche, für den Notfall Insulin – das muss dann aber gekühlt werden, Ersatzteile für das Sensorgerät und Desinfektionsmittel – „das hab ich überall für den Notfall dabei.“

Seine engsten Freude bekamen anfangs von der Mutter Notfallpakete mit Traubenzucker und einem Zettel: Was ist zu tun bei Unterzucker. Adrian weiß, wie sich das anfühlt: So starke Schmerzen, dass man nicht aufstehen, sich kaum mehr bewegen kann. Er konnte mal nicht einmal mehr einen Traubenzucker auspacken. Genauso schlimm kann es sein, wenn „in der Nacht der Katether rausfällt, dann merkt man das nicht und wacht mit einem viel zu hohen Zuckerwert auf. Dir ist übel, es fühlt sich an, als hätte man Steine im Körper.“

Adrian über Diabetes: Sport und Zeit mit Freunden ist am wertvollsten

Bis sich das wieder normalisiert, das dauert. „In so einer Situation von jemandem zu verlangen, dass er sich einfach Insulin spitzt und sich durchquält, um in die Arbeit zu fahren, das kann man nicht erwarten.“

Adrian ist eigentlich nicht der Typ, der gerne im Mittelpunkt steht, aber „Wenn sich nur ein junger Mensch mit Diabetes denkt: ,Also wenn der das hinbekommen hat, kann das Ganze nicht so schlimm sein.‘ dann hat es sich schon gelohnt, die Geschichte zu erzählen.“ Am Besten geht es ihm, wenn er Sport machen kann, oder wenn er bei seinen Freunden ist – wie andere junge Leute auch. „Wenn du in einem guten Umfeld unterwegs bist, bei dem du dich anvertrauen kannst – ist alles gut.“

Selbsthilfegruppe

Adrians Mutter hat eine Selbsthilfegruppe für Eltern von an Diabetes erkrankten Kindern gegründet. Damit will sie Familien, die ebenso betroffen sind, unterstützen und einen Raum zum Austausch bieten.

Vor schweren Diagnose fürchtet sich jeder. Auch Prominente sind davon nicht verschont. Die „Rosenheim-Cops“-Legende Joseph Hannesschläger muss jetzt gegen den stärksten aller Gegner kämpfen. Auch der berühmte Moderator Hubertus Mayer-Burckhardt muss eine schwere Diagnose verkraften.

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