Karlsruhe - "Abbruchjäger" auf Ebay haben es einzig und allein auf Schadenersatz abgesehen - sie bieten mit, um hinterher klagen zu können. Oft genug haben sie mit ihrer Masche Erfolg. Aber das könnte sich ändern.
Ob ausrangiertes Smartphone oder das alte Auto - was nicht mehr gebraucht wird, lässt sich mit etwas Glück auf Ebay wieder zu Geld machen. Sofern die Online-Auktion nicht zur Falle wird: Unvorsichtige Verkäufer haben immer wieder Klagen auf Tausende Euro Schadenersatz am Hals. Denn unter den Bietern verbergen sich schwarze Schafe, die aus den Ebay-Regeln mit einer perfiden Masche Profit schlagen.
Zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mittwoch schaffen mehr Sicherheit. Aber die Richter machen auch klar: Am besten schützt sich, wer gar nicht erst auf Risiko spielt.
Wie funktioniert diese Masche?
Wer auf Ebay eine Auktion startet, darf sie nicht ohne Weiteres wieder abbrechen - zum Beispiel weil kaum einer mitbietet oder sich vielleicht anderweitig ein Käufer gefunden hat. Ausnahmsweise erlaubt ist der Abbruch aus „berechtigten Gründen“: wenn man sich beim Einstellen mit wichtigen Infos vertan hat oder die Ware inzwischen beschädigt oder gestohlen ist. Trotzdem gibt es immer wieder Verkäufer, die einen Rückzieher machen. Genau darauf spekulieren sogenannte Abbruchjäger: Sie steigern mit kleinem Einsatz in möglichst vielen Auktionen um teure Waren mit - in der Hoffnung, dass die Gebote im Keller bleiben und der Anbieter kalte Füße bekommt.
Was passiert dann?
Der "Abbruchjäger" fordert als Höchstbietender die ersteigerte Ware ein - lässt sich dabei aber eine Menge Zeit. "Nach einem halben Jahr ist die Sache ziemlich sicher anderweitig verkauft", erläutert der Kölner Anwalt Christian Solmecke, der als Spezialist für IT-Recht regelmäßig mit Ebay-Fällen zu tun hat. Für den "Abbruchjäger" ist damit der Weg frei, um Schadenersatz zu fordern. In dem einen Fall vor dem BGH hatte der Kläger einen Euro für ein gebrauchtes Motorrad geboten, das 4900 Euro wert sein soll. Er will also 4899 Euro.
Das geht so ohne Weiteres?
An sich nicht - aber hier fangen die Probleme an. Denn das Geschäftsmodell von Ebay lebt ja gerade von der Idee, mit etwas Glück ein echtes Schnäppchen ergattern zu können. Wo also beginnt der Missbrauch? „Allein aus der Tatsache, dass ein Mitglied auf eine Vielzahl von Auktionen bietet und einmalig Schadenersatz geltend macht, können wir nicht schließen, dass es sich um missbräuchliches Verhalten handelt“, teilt Ebay auf Anfrage mit. Die Zahl der von „Abbruchjägern“ betroffenen Auktionen sei „gegenüber den Millionen vollkommen problemlos abgewickelten Transaktionen“ „sehr gering“.
Wie gehen die Gerichte damit um?
Bisher hatten unvorsichtige Verkäufer mit hohem Verlust in Karlsruhe eher schlechte Karten. 2014 etwa urteilte der BGH, dass ein "grobes Missverhältnis" zwischen Maximalgebot und tatsächlichem Wert der Ware nicht ohne Weiteres "auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters" schließen lässt. Der Anbieter, der seinen VW Passat nicht für einen Euro hatte abgeben wollen, musste Schadenersatz zahlen.
Was ändert sich durch die Karlsruher Urteile?
Zum ersten Mal hielten die Richter fest, dass „Abbruchjäger“ sich rechtsmissbräuchlich verhalten. Dafür hatte der vorgebliche Motorrad-Interessent reichlich Indizien geliefert: Nicht nur, dass der Mann mit mehreren Tarn-Accounts und E-Mail-Adressen unterwegs war. Er gab auch massenweise Gebote ab und zerrte schon häufiger Anbieter wegen abgebrochener Auktionen vor Gericht. Unklar bleibt aber weiterhin, wo die Grenze verläuft zwischen Schnäppchen- und „Abbruchjäger“. Weil der BGH die Schadenersatz-Klage schon aus formalen Gründen für unzulässig erklärte, spielte das am Ende gar keine Rolle (Az. VIII ZR 182/15). Ebay selbst hatte auf „klare Kriterien“ gehofft, „um die erforderliche Rechtssicherheit zu schaffen“.
Und der zweite Fall?
Der zeigt sehr deutlich, dass die Preismanipulation bei eigenen Auktionen für den Verkäufer teuer werden kann. Auch hier war der Kläger zwar als eifriger Schadenersatz-Jäger aufgefallen - bekommt jetzt aber dennoch 16 500 Euro. Denn der Anbieter hatte von einem zweiten Konto aus selbst um seinen gebrauchten VW Golf mitgeboten und den Preis immer weiter in die Höhe getrieben. Solche Manipulationen sind verboten. Der BGH stufte sämtliche Eigengebote als unzulässig ein. Letztes gültiges Gebot ist damit das erste des Klägers - über 1,50 Euro. Weil der Anbieter das auf 16 500 Euro geschätzte Auto inzwischen verkauft hat, muss er Schadenersatz zahlen (Az. VIII ZR 100/15).
Was bedeutet das für andere Ebay-Verkäufer?
Allen müsse klar sein, dass die Handelsplattform kein rechtsfreier Raum sei, mahnte die Vorsitzende Richterin Karin Milger. Ihr Rat: nicht zu blauäugig sein und sich vorher das Risiko klarmachen.
dpa