Das Training für Schwertschaukampf wurde vor einem Jahr vom TuS ins Programm aufgenommen. Ein sicherer Umgang mit den Schwertern und Kommunikation sind bei der Sportart besonders wichtig.
Auf dem Rasen hinter dem Ratsgymnasium erfüllt ein Klirren die Luft, als Schwerter aufeinandertreffen. Mit kriegerischem Gebrüll pariert eine junge Frau mit blondem Zopf einen Angriff und schubst die Klinge des Gegners von sich. Dadurch stolpert er einen Schritt zurück, rückt mit der linken Hand seine Brille zurecht und wirbelt herum, bevor er mit dem Schwert zu einer seitlichen Attacke ansetzt. Dieser neuerliche Angriff ist ein voller Erfolg, und das Langschwert der Frau fällt zu Boden. Einen kurzen Moment lang sehen sich beide schweigend an, dann brechen sie in schallendes Gelächter aus. Sie trainieren Schwertschaukampf.
Um sie herum tummeln sich andere Schwertkämpfende. Mit 25 Teilnehmenden ist der Kurs deutlich gewachsen, seit er vor einem Jahr von Joschka Hoops und dem TuS Rotenburg ins Leben gerufen wurde. Abgesehen von den sich ähnelnden Schwertern, die die Teilnehmenden handhaben, treten die Kämpfenden vielfältig in Erscheinung. Manche tragen mittelalterlich aussehende Kleidung, andere T-Shirts oder Sportklamotten. Der älteste Teilnehmer ist 69 Jahre alt, die Untergrenze des Trainings wird auf 14 Jahre festgelegt. Und anders als man es von historischen Gemälden kennt, sind über die Hälfte der teilnehmenden Schwertbegeisterten weiblich. Prinzipiell könne jeder mitmachen, sagt Hoops. Eine der Teilnehmerinnen setzt zu einer Attacke an, die durch das Schwert des Kampfpartners abgewehrt wird. Sie hebt das Schwert, aber noch bevor sie ausholen kann, hält ihr Gegenüber die Hand zu einer Geste empor. Sie nickt kurz und beide senken ihre Schwerter, um eine Verschnaufpause einzulegen. Die Waffen wiegen etwa eineinhalb Kilo, und durch die beständige Bewegung und die Kommunikation untereinander erfordert das Training nicht nur Konzentration, sondern Kondition. „Wenn man anfängt, ist es normal, erst mal zwei Wochen Muskelkater zu haben“, erzählt ein Teilnehmer lachend und erntet bestätigendes Grinsen bei den Umstehenden. „Man kann aber jederzeit Pausen einlegen und sich hinsetzen oder zwischendurch etwas trinken“, ergänzt Perry, ein anderer Teilnehmer. Zwei Stunden lang trainieren die Teilnehmenden insgesamt. Davon verbringen sie den ersten Teil draußen auf dem Rasen, bevor sie in die Halle gehen. „Wir machen gern das Training draußen, wenn es in der Übergangszeit so spät noch hell ist. Da sind die meisten ausgelassener und kommen mehr aus sich heraus. Wenn es dann wieder dunkel wird, gehen wir rein, bevor wir die Schwerter nicht mehr gut sehen“, erklärt Hoops. Obwohl diese nur über eine abgestumpfte Klinge verfügen, ist der sichere Umgang das Erste, was man lernt. Dabei stellen sie für alle Teilnehmenden Sportgeräte dar und keine Waffen. Verletzungen sind selten, dabei das Gegenüber zu verletzen noch seltener. „Jeder Fußballer oder Handballer lebt gefährlicher.“ Trotzdem ist die Sanitätstasche bei jedem Training griffbereit, um in Notfällen sofort reagieren zu können. Denn trotz der Schwerter stellt die Sportart keinen Wettkampf oder Kampfsport dar: Es wird miteinander gekämpft, nicht gegeneinander. Wer „gewinnt“, ist nebensächlich. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Theateraufführung ist vorhanden, weil die Schwertkämpfenden auch bei Auftritten eine glaubwürdige Performance liefern wollen. Im Sommer ist die Gruppe für Aufführungen unterwegs, unter anderem treten sie bei Mittelaltermärkten auf. Die übergreifende Schwertschaukampfschule, von der die Rotenburger Sparte eine Untergruppe bildet, ist in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls auf dem Festival in Wacken aufgetreten. Ob die Teilnehmenden sich an diesen Auftritten beteiligen wollen, entscheiden sie selbst. „Das Training besteht aus sehr viel Wiederholungen. So wird das Muskelgedächtnis eingesetzt, ein bisschen wie beim Karate. Dann ist es egal, wenn man einige Zeit nicht trainiert: Man kommt schnell wieder rein“, erklärt Pascal. Bevor er sich dem Training in Rotenburg angeschlossen hat, hatte er bereits bei einer anderen Sparte das Training besucht. Einige andere haben ebenfalls Erfahrung in Kampfsportarten. Insgesamt werden rund 150 Techniken vermittelt, auf die die Schwertkämpfenden zurückgreifen. Diese können durch Inspirationen von Film und Fernsehen ergänzt werden. „Man sieht, was in den Medien und überlegt: Wie macht man das? Wie kann man das umsetzen?“, so Hoops. Ob Herr der Ringe oder historische Fechtbücher: Wenn man eine Idee hat, kann man sie ausprobieren, abfilmen, variieren und ins Repertoire aufnehmen. Das Verinnerlichen der Abläufe ist der Schlüssel, um die Kämpfe authentisch aussehen zu lassen. „Man kämpft sich ein bisschen ein. Zum einen allgemein, wenn man anfängt, und zum anderen mit unterschiedlichen Leuten“, erklärt Laura, eine Teilnehmerin, und deutet auf ihre Kampfpartnerin. Gemeinsam sind die beiden ein eingespieltes Team, bewegen sich kämpfend über den Rasen. Auf der anderen Seite der Grünfläche ist eine Teilnehmerin zum ersten Mal beim Training und lernt die Basisfähigkeiten von Co-Trainer Christian Thaden. „Ich habe es mir gleichzeitig einfacher und komplexer vorgestellt“, scherzt sie. Auf die Frage nach seinem größten Erfolg hin überlegt Hoops. „Es ist schwer, sich für eines zu entscheiden. Dass wir uns am Tag des Sports vom TuS vorstellen durften, ist ganz weit oben. Aber es ist natürlich schön, dass inzwischen so viele mitmachen wollen. So gesehen ist der Kurs an sich schon ein wachsender Erfolg. Es ist nicht nur Training, sondern eine Gemeinschaft.“ Nachdem sie stundenlang mit Schwertern aufeinander losgegangen sind, stehen die Teilnehmenden nach dem Training noch beisammen. In kleinen Gruppen reden und lachen sie entspannt miteinander, keiner von ihnen scheint es eilig zu haben, nach Hause zu gehen. Auch in der nächsten Woche werden sie sich am Donnerstag von 20 Uhr bis 22 Uhr beim Ratsgymnasium treffen.