Bremen – Als das 0:3 gefallen war, waren sie nicht mehr zu überhören, diese Rufe nach Konsequenzen in der Vereinsführung. „Baumann raus“ skandierten zahlreiche der 19.000 Fans im Wohninvest Weserstadion, die am Sonntagnachmittag einen der schlimmsten Auftritte des SV Werder Bremen in der jüngeren Vergangenheit zu verkraften hatten.
In einer in allen Belangen desaströsen ersten Halbzeit lag der Bundesliga-Absteiger gegen den SC Paderborn schon nach 36 Minuten drei Tore im Hintertreffen. Am Ende hieß es 1:4, und Werder Bremen hatte nach dem DFB-Pokal-Aus eine Woche zuvor beim VfL Osnabrück den nächsten heftigen Rückschlag hinnehmen müssen. Für Sportchef Frank Baumann, der wegen der für viele nicht mehr nachvollziehbaren Transferpolitik und neuen sportlichen Tiefen mehr und mehr in die Kritik gerät, haben Ergebnis und „Baumann-raus“-Rufe allerdings keine Konsequenzen. Weder denkt er an eine freiwillige Demission noch der nur noch wenige Tage amtierende Aufsichtsrat an eine Ablösung des Geschäftsführers. „Nein, das werden wir nicht machen“, antwortete Marco Bode, der Noch-Vorsitzende des Kontrollgremiums, gegenüber der DeichStube auf die Frage, ob eine Freistellung denkbar sei.
Frank Baumann trifft die Kritik der Fans von Werder Bremen, aber: „Dann bin ich eben der Sündenbock“
Was auch nur verständlich ist. Erstens wird der Aufsichtsrat am 5. September abgelöst, zweitens wäre es zwei Wochen vor Transferschluss absolut sinnfrei, den Manager zu wechseln. Auch wenn die Unzufriedenheit über die bisherige Linie der Verkäufe ohne prompte Einkäufe wächst und wächst. Baumann selbst stellte sich nach der erschütternden Niederlage des SV Werder Bremen, der ersten in der noch jungen Zweitliga-Saison, der Kritik. Sie habe ihn getroffen, räumte der 45-Jährige ein, aber er sei bereit sie auszuhalten. „Die Fans sollen ruhig ,Baumann raus’ rufen, dann bin ich eben der Sündenbock“, sagte er und erklärte einmal mehr, dass die wirtschaftlichen Zwänge alles bestimmen. Und wenn das bedeute, dass er die Kritik abbekäme, dann bitte! „Ich stelle meine persönliche Reputation nicht über das wirtschaftliche Wohl des Vereins.“
Marco Bode bittet unterdessen darum, in Baumann eben „nicht den alleinigen Sündenbock“ zu sehen: „Es ist nicht fair, wenn sich die Fans jetzt einen Schuldigen herauspicken. Wir alle, die gesamte Geschäftsführung und der Aufsichtstrat, bestimmen den Kurs des Clubs.“ Und dieser Kurs bedeutet nun mal, erst das 40-Millionen-Euro-Corona-Loch so gut es geht zu stopfen und dann im zweiten Schritt Spieler zu verpflichten. „Das ist ja nichts, was Frank sich ausgedacht hat“, so Bode. Dass der zweite Schritt trotz der erfolgreichen Verkäufe von Josh Sargent, Ludwig Augustinsson und Co. bislang ausgeblieben ist und die Mannschaft ohne Verstärkungen in Pokal und gegen Paderborn schlimme Pleiten hinnehmen musste, ist ein Fakt. Bode: „Wir haben noch zwei Wochen Zeit, bis das Transferfenster schließt. Danach können alle Entscheidungen abschließend beurteilt werden.“
Werder Bremen wurde vom SC Paderborn im eigenen Stadion vorgeführt
Dass der Schutz des Aufsichtsratschef den Ärger der Fans an Frank Baumann vorbei lenken kann, ist mehr als fraglich. Der Zorn ist groß, weil die Fans nicht mehr nur auf neue Spieler warten, sondern auch weiter auf einen Heimsieg. Gegen den SC Paderborn sollte nach 170 Tagen und einem Abstieg endlich die sieglose Zeit im Wohninvest Weserstadion zu Ende gehen. Doch stattdessen lieferte Werder eine Leistung ab, die alle negativen Superlative dieser Welt verdient hatte. „Das war jenseits von Gut und Böse“, sagte Trainer Markus Anfang über die erste Halbzeit, nach der Werder Bremen durch Tore von Felix Platte (9./17.) sowie Sven Michel (36.) bereits aussichtslos zurücklag.
Paderborn zerlegte ein Bremer Team, das es an allem fehlte, was nötig ist, um in einer Profi-Liga bestehen zu können. „Wir haben überhaupt nicht verteidigt“, stellte Anfang konsterniert fest und versuchte erst gar nicht, irgendetwas zu beschönigen: „Der Gegner ist mit einfachsten Aktionen vor unser Tor gekommen. Bei uns hat keiner die Basics, die er normalerweise blind abruft, gezeigt.“ Bestes Beispiel: das 0:3. Ein Freistoß, ausgeführt am Strafraum des SC Paderborn, flog 60 Meter über den Platz und landete genau bei Michel. Bremer Eingreifen? Fehlanzeige. Dass Manuel Mbom und Lars Lukas Mai in diesem konkreten Fall die Bremer Hauptschuldigen waren, war für alle zu erkennen, für Anfang aber kein Grund, die beiden 21-Jährigen in die Einzelkritik zu nehmen: „Niemand muss nach links oder rechts schauen, heute hat es alle betroffen.“
Werder Bremen setzt in Liga zwei fort, was schon in Liga eins das Verderben war
Nach der Pause sorgte Niklas Schmidt mit dem Treffer zum 1:3 kurz für Hoffnung (56.). Die jedoch nur zwei Minuten später schon wieder starb. Ecke, Kopfball, 1:4 durch Ron Schallenberg. „Das passte zu diesem Tag“, meinte Anfang. Wenn die Fans mal gerade nicht „Baumann Raus“ riefen, versuchten sie es entweder mit Anfeuerung – was Anfang sehr schön fand – oder reagierten mit Pfiffen auf die nächste verpatzte Aktion – was dem Coach natürlich nicht gefiel, wofür er aber nach zwei Jahren Dauerkrise beim SV Werder Bremen viel Verständnis hatte: „Wir können nicht von den Fans erwarten, dass sie uns immer nach vorne pushen. Wir als Mannschaft müssen die positive Stimmung durch Aktionen und Erfolgserlebnisse wieder erzeugen.“ Am Sonntag passierte das Gegenteil.
Schon komisch, dass Werder Bremen in Liga zwei fortsetzt, was in Liga eins schon das Verderben war. Wobei Anfang von vornherein klar war: „Das ist 2. Liga, und wir haben von vornherein gesagt, dass es schwer wird.“ Wie schwer, das wissen jetzt alle Werder-Fans. Um nach dem 1:4 und der gezeigten Leistung sowie den trüben Aussichten auf dem Transfermarkt weiter auf eine Saison im oberen Tabellendrittel oder gar den Wiederaufstieg zu hoffen, gehört schon viel Optimismus. (csa) Lest auch: Werder und Venlo vor Einigung, aber was will Giakoumakis? - Bei KSC-Stürmer Hofmann abgeblitzt!