Abschied nach dem Abstieg: Theo Gebre Selassie verlässt Werder nach einem „extrem traurigen Ende“

Was für ein bitterer Abschied nach einer schönen Zeit: Theodor Gebre Selassie verlässt Werder Bremen nach dem Abstieg voller Wehmut.
 ©nordphoto / gumzmedia

Bremen – Für Theodor Gebre Selassie ist der Zeitpunkt gekommen, um zu gehen. Nach neun Jahren bei Werder Bremen wird der Tscheche den Club verlassen. Das ist seit Dienstag offiziell, aber gewiss keine Überraschung mehr. Der DeichStube gab der 34-Jährige ein Abschiedsinterview, in dem er deutlich zeigt, wie viel ihm an Verein und Stadt liegt, wie fassungslos ihn der Abstieg macht und wie sehr es schmerzt, ausgerechnet jetzt die lange geplante Rückkehr in die Heimat zu vollziehen.

Theodor Gebre Selassie, wie oft denken Sie noch an den vergangenen Samstag?

Die Frage müsste eher lauten, wann ich nicht daran denke. Es ist nicht einfach, das zu verarbeiten. Ich könnte jetzt nicht gut allein sein. Zum Glück lenken mich meine Frau und meine Kinder ein wenig ab.

Wie war es direkt nach dem Spiel in der Kabine?

Wie im Stadion – sehr, sehr leise. Ich weiß, es ist eigentlich nur Sport, aber es fühlte sich an wie eine Beerdigung. Eine ganz unangenehme Atmosphäre, es war einfach nur traurig.

Sie haben schon so oft mit Werder den Klassenerhalt geschafft, warum hat es diesmal nicht geklappt?

Diese Krise, die wir hier eigentlich jedes Jahr hatten, hat uns diesmal zum schlechtesten Moment einer Saison getroffen. Es war ganz schwierig, da wieder rauszukommen. Ich will eigentlich gar nicht mehr wiederholen, dass wir es ganz lange in unseren Händen hatten. Es ist unglaublich, dass wir es nicht geschafft haben, wenigstens ein Spiel von den letzten zehn zu gewinnen – und das auch gegen Gegner, gegen die das möglich war. Deshalb ist es am Ende auch verdient, dass wir abgestiegen sind.

Machen Sie sich Vorwürfe?

Natürlich, ich hoffe, jeder macht sich Vorwürfe. Also alle Spieler und jeder, der Einfluss auf die Mannschaft hatte. Wir haben wegen der Vorsaison und der finanziellen Probleme des Clubs gewusst, dass es eine ganz schwierige Saison wird. Bis zum 24. Spieltag hatten wir das irgendwie unter Kontrolle und uns sogar ein Polster erarbeitet. Es ist immer noch schwer zu glauben, was dann passiert ist.

Theodor Gebre Selassie über Trainerwechsel bei Werder Bremen: „Verantwortliche wollten alles versuchen“

Zum Schluss gab es noch diesen überraschenden Trainerwechsel, Thomas Schaaf löste Florian Kohfeldt ab.

Ich habe das so aufgenommen, dass die Verantwortlichen im Verein alles versuchen wollten. Die negative Spirale war ja auch extrem. Den Impuls konnte man spüren, es war eine intensive Woche. Aber dann brauchst du auch einen anderen Spielverlauf und nicht sofort ein Gegentor.

Thomas Schaaf war Ihr erster Trainer bei Werder und nun auch Ihr letzter, aber wer war Ihr bester?

Florian Kohfeldt! Es tut mir sehr leid für ihn, wie es gelaufen ist. Florian hat wirklich alles gegeben. Er lebt mit diesem Verein wie kaum ein anderer. Ich bin mir sicher, dass er eine große Zukunft als Trainer vor sich hat. Ich bin auch Thomas Schaaf sehr dankbar. Er hat mir damals die Chance gegeben, aus Tschechien nach Bremen zu kommen. Es ist schon komisch, dass er jetzt auch am Ende auf der Bank saß.
 
Wohin zieht es Sie jetzt, und haben Sie schon einen neuen Club?

Wir werden in Liberec wohnen, wo ich vor meiner Werder-Zeit gespielt habe. Weit weg darf mein neuer Club nicht sein, das möchte ich nicht mehr. Ich bin in Gesprächen, es ist aber noch nichts unterschrieben. Ich würde sehr gerne noch ein paar Jahre spielen, denn so traurig möchte ich nicht aufhören.

Haben Sie nach dem Abstieg darüber nachgedacht, doch noch zu bleiben und beim Wiederaufstieg zu helfen?

Nein. Die Entscheidung steht seit Saisonbeginn, das haben wir in der Familie so besprochen. Es gab aber nie den richtigen Zeitpunkt, das öffentlich zu sagen. 

Theodor Gebre Selassie-Abschied Werder Bremen: „Ich gehe mit drei, vier Freunden fürs Leben - wie Zlatko Junuzuovic“

Was werden Sie vermissen?

Die Menschen, die ich im Verein und in der Stadt kennengelernt habe. Da sind viele Freundschaften entstanden. Bei Mitspielern ist das eigentlich eher selten, aber nach meinen neun Jahren kann ich sagen: Ich gehe weg mit drei, vier Freunden fürs Leben wie zum Beispiel Zlatko Junuzovic, der inzwischen in Salzburg spielt.

Können Sie sich noch an den 24. August 2012 erinnern?

Das muss mein erstes Bundesligaspiel für Werder gewesen sein.

Und Sie haben gleich Ihr erstes Tor geschossen.

Aber wir haben verloren, das war nicht so schön. Trotzdem erinnere ich mich gerne daran, denn es war für mich etwas ganz Besonderes, in der Bundesliga zu spielen, damit hatte ich nicht gerechnet.

Warum?

Ich hatte ein paar Angebote, aber nicht aus der Bundesliga, aus ganz anderen Ligen. Doch nach unserem ersten oder zweiten Spiel bei der EM hat sich Klaus Allofs gemeldet. Das war Werder! Das war Bundesliga! Für mich war sofort klar, dass ich das mache. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.

Theodor Gebre Selassie über erstes Angebot von Werder Bremen: „War sofort klar, dass ich das mache“

War es die richtige Entscheidung?

Auf jeden Fall, auch wenn das Ende extrem traurig ist. Ich würde alles so wieder machen, auch alle Vertragsverlängerungen. Es war immer die Kombination, die gepasst hat: Mir hat es sportlich sehr gut gefallen, und die Familie hat sich auch sehr wohl gefühlt.
 
Sie sind 2012 zu Werder gekommen. Wenn Sie den Theo von damals mit dem Theo von 2021 vergleichen, was hat sich an Ihnen verändert?

Alles (lacht)! Nein, nein, ich bin kein komplett anderer Mensch geworden. Nur deutlich erwachsener. Ich bin Familienvater, das spielt schon eine sehr große Rolle, das hat meinem Leben Balance gegeben. Und ich glaube auch, dass ich in Bremen ein besserer Spieler geworden bin.

Sie waren am Anfang sehr schüchtern, hatten auch eine Phase mit Selbstzweifeln . . .

. . .das stimmt! Da habe ich mich bei Fehlern im Spiel zu sehr selbst bestraft. Ich bin immer noch so, aber ich kann solche Momente viel besser ertragen. Ich glaube, seitdem ich Kinder habe. Die haben mir extrem geholfen und meine Karriere in Bremen in eine gute Richtung gelenkt. Aber ohne diese eigene Unzufriedenheit wäre ich auch nicht so weit gekommen, das pusht mich noch heute. Deswegen will ich auch weitermachen, ich bin noch gut genug.

Die Fans mögen Sie besonders. Wann haben Sie das zum ersten Mal gespürt?

Ich weiß es nicht genau. Am Anfang war nicht alles perfekt, meine Leistungen waren nicht konstant. Aber ich habe mich von Jahr zu Jahr verbessert. Dadurch ist das Feedback der Fans immer besser geworden. Das ist unglaublich nett und bedeutet mir sehr viel.

Wie war es am Sonntag, als Sie mit Ihrem Auto aus der Tiefgarage kamen und dort schon Fans auf Sie warteten?

Ich dachte nur: Wenn ich jetzt anhalte, bekomme ich vom Verband bestimmt die Rote Karte. Doch ich spiele ja sowieso nicht mehr. Also habe ich schnell meine Maske gesucht, angehalten, die Scheibe runtergemacht – und dann war es sehr schön. Schon vor dem Spiel, als wir mit dem Bus am Stadion angekommen sind, war es für mich sehr emotional. Ich habe die vielen Plakate gesehen. Ein großes Dankeschön an alle, die uns über die ganzen Jahre unterstützt haben und sich die Mühe gemacht haben, sich bei mir zu bedanken. Das sind die Sachen, die sich niemand kaufen kann.

Theodor Gebre Selassies schönster Moment: Klassenerhalt gegen Frankfurt war wie ein Erdbeben

Welcher ist Ihr schönster Werder-Moment?

Jedes Tor von mir war schön – gerade im Weserstadion. Der Sieg in Dortmund vor ein paar Jahren war auch toll. Aber der schönste Moment bleibt für immer der Klassenerhalt 2016 mit dem späten Tor gegen Frankfurt. Da war ein Erdbeben im Stadion, als wären wir gerade Meister geworden. Diese Erinnerung macht es allerdings noch trauriger, dass wir es diesmal nicht geschafft haben.
 
Sie waren fast nie verletzt und dann meistens auch nur sehr kurz. Was ist Ihr Geheimnis?

Ich wollte immer spielen. Und im Profisport gibt es Spieler, die auch mit gewissen Verletzungen spielen und ein Risiko in Kauf nehmen. Ich bin oftmals ins Risiko gegangen. Es hat sich meistens gelohnt. Aber manchmal war es auch ganz knapp. Vor zwei Jahren hatte ich alles gespielt, aber am vorletzten Spieltag konnte ich einfach nicht mehr. Ich hatte einen Monat lang mit Problemen gespielt, dann gab es an einer anderen Stelle noch schlimmere Probleme. Ich konnte mich nicht mehr richtig bewegen. Da hatte ich riesiges Glück, dass ich mich nicht ganz schwer verletzt hatte. Da haben wir entschieden, dass es für die Saison damals genug war. Das war auch gut so, weil ich danach noch zwei Jahre fast komplett durchgekommen bin. Außer in München, aber das war ein Unfall, weil der Rasen zu trocken war.

Was wollen Sie nach der Karriere machen?

Ich möchte mir alle Türen offenlassen – auch im Fußball. Ich habe schließlich zwei fußballverrückte Jungs, da wird es ohne gar nicht gehen.

Wie wäre es mit dem Trainerjob?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn man das richtig macht, dann nimmt es dir noch mehr weg als Mensch. Du brauchst so viel Energie dafür und hast kaum noch Zeit für die Familie.

Wenn Sie zum Abschied noch etwas aus dem Weserstadion mitnehmen könnten, was wäre das?

Keine Sachen. Ich würde am liebsten die Menschen mitnehmen, die ich hier täglich getroffen habe, die mir viel bedeuten. Ich hoffe, dass wir in Kontakt bleiben. Und wenn die Pandemie endlich vorbei ist, komme ich mit meiner Familie zu Besuch nach Bremen, wir schauen uns ein Spiel an und können uns dann vielleicht etwas besser von allen verabschieden. Das ist mir schon sehr wichtig. (kni)

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