Mallorca ohne Handicap

Segeln: Auch bei Flaute macht die Fahrt in der Bucht von Palma sichtbar gute Laune.
 ©Michaela Hawlik

Wenn Rollis eine Reise tun, dann woll’n sie auch was erleben! Getreu diesem Motto nutzte unser Autor Haakon Nogge – von Geburt an querschnittsgelähmt – das neue Angebot der Fundación Handisport: Aktivurlaub für Rollstuhlfahrer auf Mallorca.

Das Angebot an Handicap- Reisen ist zwar groß, beschränkt sich jedoch meist auf Städtereisen oder Entspannungsurlaub in barrierefreier ländlicher Idylle. Das kann auf Dauer auch fad sein. Wem als Behindertem dagegen der Sinn nach mehr Action steht, der tat sich bisher schwer. Bis jetzt. Die Fundación Handisport, eine gemeinnützige Organisation auf Mallorca, bietet diverse Sportarten für Behinderte an. Allesamt Outdoor-Aktivitäten: Die Chefs dieser Initiative erkannten nämlich, wie wichtig ein radikaler Tapetenwechsel gerade für Menschen ist, die oft eh schon viel zu viel Zeit in Kliniken oder Reha-Einrichtungen verbringen. Mitmachen können alle Altersgruppen, alle Arten von Behinderten sowie – und das ist neben den Aktivitäten selbst der Clou – deren nichtbehinderte Freunde oder Familienmitglieder.

Die Philosophie der Stiftung ist nämlich, Urlaub nicht für Behinderte anzubieten, sondern mit ihnen. Gonzalo Bernal Garcia, der Geschäftsführer, erklärt: „Bei uns gibt es immer gemischte Gruppen aus Behinderten und Nichtbehinderten. So können alle gleichzeitig an denselben Aktivitäten teilnehmen und zusammen Spaß haben.“

Ich will mir selbst ein Bild machen und fliege für ein Wochenende auf des Deutschen liebste Ferieninsel. Der hauseigene Shuttlebus der Fundación holt mich vom Flughafen ab. Die Fahrerin ist unterschenkelamputiert, ein Beweis, wie konsequent die Stiftung bei der Behindertenintegration ist – nicht nur bei denen, die hier Urlaub machen. Sie bringt mich ins Rey Don Jaime, ein (natürlich rollstuhlfreundliches) Drei- Sterne-Hotel 20 Kilometer westlich von Palma.

Zusammen mit drei Kollegen – allesamt „Fußgänger“ – fahre ich gleich darauf zu einer großen Golfanlage. Dort setze ich mich um in den Paragolfer. Mit diesem ganz besonderen Golfcart kann ich nicht nur über die Fairways, Greens und Roughs brausen, was allein schon eine Riesengaudi ist. Zum leichteren Abschlagen und Einputten bringt mich dieses Gefährt auf Knopfdruck sogar in die Senkrechte! Ich bin dazu an den Füßen, der Hüfte und an der Brust festgegurtet. So kann ich meinen Körper natürlich kaum drehen und meine Bälle fliegen – falls ich überhaupt einen treffe – nicht viel weiter als beim Minigolfen. Spaß macht’s aber trotzdem, nicht zuletzt, weil unser Golflehrer echte Entertainer-Qualitäten hat.

Das lautlose Schweben durch das Blau des Meeres werde ich nie vergessen

Am nächsten Tag ist Motocross angesagt, bei dem ich meine handgetriebenen vier Räder gegen den Superfour eintausche. Auf diesem motorisierten Allrad-Rollstuhl brausen wir gemeinsam durch die herrliche bewaldete Berglandschaft der Gemeinde Calvia. Nichtbehinderte Gruppenteilnehmer schnappen sich entweder auch einen Superfour oder sie wandern neben- bzw. hinterher. Der Pfad ist so steinig, dass ich bereits beim Gedanken, mit meinem eigenen Rolli hier zu fahren, einen Achsbruch riskieren würde. Doch diese Hi-Tech-Querfeldein- Vehikel mit Servolenkung und Einzelradaufhängung bewältigen selbst größere Steigungen bis zu 40 Prozent mühelos. Wie ich so über Stock und Stein brettere, kommt echtes Adventure- Feeling mit einem Schuss Easy Rider auf!

Dann steht der erste Tauchgang meines Lebens auf dem Programm. Der Strandabschnitt, an dem dieser stattfindet, ist mit einem Lift zur Straße, einer rollizugänglichen Umkleidekabine und einer Rampe ausgestattet. Die Leute von der Fundación haben wirklich an alles gedacht. Nach einer kurzen theoretischen Einführung werde ich in einer strandtauglichen Karre in die Wogen geschoben. Immer an meiner Seite: mein Tauchlehrer und zwei weitere Helfer,die nur zu meinem Wohlergehen da sind. In ihrer Gegenwart fühle ich mich jederzeit sicher und nach ein paar Probeschnaufern durch das Atemgerät stoße ich hinab in die faszinierende Unterwasserwelt.

Das lautlose Schweben durch das Blau des Meeres ist ein unvergleichliches, unvergessliches Erlebnis und ich schwimme erst zurück, als ich das Zeichen bekomme, dass die Druckluftflaschen bald leer sind. Am letzten Tag meines Wochenend-Action-Urlaubs sind wir zu Gast in dem noblen Jachtclub, in dem der König von Spanien höchstselbst ein Privatzimmer hat. Jedes Team-Mitglied übernimmt normalerweise, je nach Lust und körperlicher oder geistiger Einschränkung, eine Aufgabe an Deck. Als wir aus dem Hafen schippern, herrscht zwar Flaute, Spaß macht der Trip dank Außenbordmotor aber allemal. Schon auf dem Weg zurück zum Flughafen weiß ich, dass ich so bald wie möglich wiederkommen werde. Ich muss unbedingt all die Aktivitäten ausprobieren, zu denen ich dieses Mal nicht gekommen bin. Und Tauchen werde ich auch wieder. Garantiert. Ich will auf Reisen schließlich was erleben.

Haakon Nogge

REISE-INFOS ZU FUNDACIÓN HANDISPORT

DIE STIFTUNG FUNDACIÓN Das Angebot der gemeinnützigen Stiftung Fundación Handisport ist verbunden mit einem extrem hohen Aufwand. So liegt der Anschaffungspreis eines Superfour- Rollstuhls bei 30 000 Euro (die Fundación besitzt vier davon), der eines Paragolfers bei über 15 000 Euro. Für das Wasserskifahren wurde ein weltweit einmaliger, unkenterbarer Prototyp entwickelt. Kauf, Wartung und Umbau der Segelboote (die Fundación besitzt sieben in verschiedenen Größen), Strandsegler und Kanus sind ebenso kostspielig wie die Personalkosten. Möglich wird das alles durch die Unterstützung der mallorquinischen Regierung, des Tourismusverbands und privater Sponsoren.

INDIVIDUELL REISEN Die Reisen mit der Fundación Handisport werden ganz individuell nach Termin, gewünschter Hotelkategorie so wie gewünschten Aktivitäten und Grad der Behinderung zusammengestellt. Der Preis für den Action- Urlaub variiert je nach Jahreszeit und den gebuchten Aktivitäten. Für ein Wochenende inklusive zwei Hotelübernachtungen, Verpflegung, Shuttlebus und zwei Aktivitäten muss man pro Person mit rund 200 Euro rechnen. Flüge von München nach Mallorca und zurück kosten ab rund 200 Euro.

MEHR INFOS Weitere Informationen und Buchung unter www.handisportmallorca.org, bzw. unter Tel. 00 34/971/13 22 68 (man spricht Deutsch).

KULINARISCHER TIPP  Das Café Botiga gehört zur Non-Profit-Behinderten-Organisation Amadip Esment. Dort hat man beim Mittagsmenü mit typisch spanischen Gerichten (12,80 Euro) die Wahl zwischen jeweils fünf Vor- und Hauptspeisen plus Nachtisch. Das Café bildet geistig Behinderte zusammen mit Nichtbehinderten gastronomisch aus. Essen und Getränke stammen zum Teil aus eigenem ökologischen Anbau. Adresse: Carrera de Palma-Andratx, 13, 07181 Palmanova.

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