Es werden immer mehr: Liebesschlösser. Die mit Stiftgekrakel oder Gravuren versehenen Vorhängeschlösser an Brücken sollen die ewige Liebe symbolisieren. Behörden sehen den Brauch mit gemischten Gefühlen.
Das Schloss schnappt zu, der Schlüssel landet in den Fluten. An immer mehr Brücken Europas hängen sie: Liebesschlösser. Und gerade am heutigen Valentinstag werden wieder Hunderte dazukommen. Entstanden ist der Brauch wohl in Italiens Stadt der Liebe, Rom, mittlerweile baumeln selbst in tiefster deutscher Provinz mit Gravuren verzierte Vorhängeschlösser an Brückengeländern. „Auf der Suche nach einem Valentinssgeschenk kam für mich nur dieses infrage“, sagt Kristina aus München. „Ich finde es sehr romantisch“,lobt ihr Freund Bastian. Das blutrote Schloss des Paares zieren die Buchstaben „K&B“, umschlossen von einem Herzen. Das Ritual soll die ewige Liebe beschwören, wie einst in Baumrinde geritzte Herzen. Etliche Brücken in Europa zieren derlei Schlösser – vor allem in Paris an der Seine, in Rom am Tiber und in Köln am Rhein. An der Seine-Brücke Pont des Arts hängen schwere Torschlösser ebenso wie Miniausgaben aus dem Bestand von Rucksack-Touristen. Die Liebesbeweise sind zum begehrten Fotomotiv geworden.
„Die ganz Smarten nehmen Schlösser mit Zahlenkombinationen – wenn’s nicht mehr klappt mit der ewigen Liebe, können sie sie noch recyceln“, witzeln Fremdenführer. „Gary & Susi, Liverpool“ ließen ihr Schloss aufwendig gravieren, ein anderes Pärchen ritzte wohl spontan ein „Du & ich für immer“ ins rot lackierte Metall. Ein angehefteter Weinkorken lässt ahnen, dass dem ein feuchtfröhlicher Abend voranging. Populär wurde die Idee der Liebesschlösser durch den Roman „Ich steh auf dich“ des italienischen Schriftstellers Federico Moccia (2006).
In Rom nahm der neue Brauch rasch gewaltige Ausmaße an – eine Laterne brach unter dem Gewicht der Schlösser gar zusammen. Ähnlich gewaltiger Beliebtheit erfreuen sich die Liebesschlösser in Köln, die Hohenzollernbrücke sei gar zur europaweiten Touristenattraktion geworden, heißt es bei Köln Tourismus. Rund 40 000 Schlösser – auf diese unglaubliche Zahl kommt die Stahlbrücke, die in der Nähe des Hauptbahnhofs den Rhein überspannt. Die Zahl stammt von Dagmar Hänel, die für den Landschaftsverband Rheinland die Schlösser untersuchte. Zu lesen sind Sprüche wie: „4 Freunde C&K P&H“, „Jens & Jane never ending Story“, „Stammtisch um 8 forever“ und haufenweise Initialen. Manche der Botschaften sind mit Filzstift geschrieben, einige selbst geritzt, andere perfekt graviert. Auch Form und Farbe scheinen keine Grenzen gesetzt. Überwiegend klassisch gold, hängen auch gelbe, rote, lila, blaue oder schwarze Schlösser über dem Rhein. Ein paar Fahrradschlösser sind auch darunter, mitunter zwei in Herzform miteinander verbundene.
Jürgen Müllenberg, Sprecher der Stadt Köln, sagt: „Ich glaube, die Hohenzollernbrücke ist deshalb so beliebt, weil da Altstadt und Dom in der Nähe sind. So ein Schloss soll ja auch zelebriert werden, ein Erinnerungsfoto braucht es auch, da sind der Dom und diese Brücke ein schönes Panorama.“ Probleme gebe es kaum. „Das soll so lange hängen bleiben wie möglich.“ Mittlerweile verewigten sich auch ausländische Gäste mit einem Schloss, berichtet Brigitte Obel von Köln Tourismus . „In unserem Shop verkaufen wir auch ein Zierschloss, in Herzform, rot, 14 Euro, das gerne nachgefragt wird“, so ihr Hinweis – mit der Einschränkung: „Es ist momentan ausverkauft.“ Mehr als 300 Schlösser hängen in Heilbronn an einer Gitterwand an der Götzenturmbrücke. „Durch den Krieg ist in unserer Stadt vieles zerstört worden. Es fehlte etwas Romantisches. Jetzt haben wir am Neckar etwas Schönes gefunden“, sagt Bernhard Winkler, Geschäftsführer von Heilbronn Marketing. Weil das Gitter langsam voll wird, denkt Winkler bereits an ein zweites. Am 14. Februar kommt hier „Valentin“ und verteilt Blumen. Vorreiter des Brauchs im vermeintlich kühlen Norden war das idyllische Elbstädtchen Hitzacker.
Dort wird der Hiddo-Steg über die Jeetzel seit rund sieben Jahren von Verliebten genutzt, um sich per Liebesschloss zu verewigen. An vier Ketten entlang der beiden Geländer des kleinen Fußgängersteges hängen etwa 180 der Treuebeweise. Der Brauch fand den Segen der Behörden. Ein hochoffizielles Messingschild am Geländer erklärt: „Hochzeitskette – Schlösser als Symbol der ewigen Liebe von Jungvermählten“. An der Teerhofbrücke in Bremen hängen gerade mal 20 Schlösser, einige sind schon verrostet. Vereinzelt würden auch andere Brücken behängt, sagt Martin Stellmann vom Amt für Straßen und Verkehr. Begeistert sind die Behörden nicht. „Wir entfernen die Schlösser zyklisch, langfristig dulden wir sie nicht.“ Die Schlösser könnten Kindern beim Übersteigen der Geländer helfen, erklärt er. Außerdem führe das Metall der Schlösser zu Kontaktkorrosion. Aus diesem Grund hat auch das Baureferat der Stadt München im vergangenen Herbst viele der Schlösser an der Thalkirchner Brücke entfernt. Das Edelstahlgeländer könnte durch die Kontaktkorrosion massiven Schaden nehmen. Alte Liebe rostet also doch.
Annett Klimpel