Buthmanns Hof: Ausstellung führt durch 16 Künstlerorte

Von Nidden nach Fischerhude

Fidele Kritiker, Foto des Malers Heinrich Petersen-Angeln von Wilhelm Dreesen ©Rotenburger Rundschau

(r). Wohltemperiert lässt es sich durch Norddeutschland zu Wasser und zu Land im Kunstverein Fischerhude in Buthmanns Hof wandeln. Von Ahrenshoop bis Fischerhude führt der Weg durch 16 Künstlerorte, zu denen Nidden, Usedom, Hiddensee, Schwaan, Bardowick, Ekensund, die Nordfriesiche Inseln (Sylt ,Amrum, Föhr), Duhnen, Dangast, Norderney, Dötlingen, das Havelland und Worpswede gehören.

Der Schirmherr der Ausstellung, Dr. Benno Risch, Generalsekretär von Euro Art aus Brüssel, hat den Spaziergang bereits anlässlich der gut besuchten Ausstellungseröffnung unternommen und die repräsentative Auswahl der Bilder als vorbildlich und informativ gelobt. Mehr als 200 Künstlerkolonien sind unter seiner Leitung bei Euro Art bisher gemeldet, fast einhundert sind Mitglieder, zu denen unter anderem Worpswede, Ahrenshoop, Dötlingen, Chiemsee und Skagen gehören und sein Urteil ist für Fischerhude bedeutungsvoll. Von "Ursprüngen der Sehnsucht" berichtet die Ausstellung, für die die Werke unter Berücksichtigung besonderer Themenkreise ausgewählöt wurden: Reizvolle künstlerische Gemeinsamkeiten und Eigenheiten gleichermaßen werden zur Betrachtung gestellt. Immer wieder ist es die Weite der Landschaft, häufig der Fluss- oder Meereslandschaft, die thematisiert wird. Ihr widmen sich die Maler der Duhner Malerkolonie wie Karl Otto Matthaei und Carl Langhein. Aber auch die Sylter und Föhrer Maler oder die der Künstlerkolonie Ekensund sehen sehnsuchtsvoll in die Ferne. Bilder des Schwaaner Malers Franz Bunke weisen dagegen eher eine Verinnerlichung aus. Wasserwogen und Wolkenbildung regten nicht nur die Phantasie der Malerinnen und Maler an, in ihnen manifestiert sich häufig dynamischer Aufbruch. Die Worpswederin Ottilie Reylaender leistet ihren eindrucksvollen Beitrag dazu mit den "Abendwolken“. Auch Boote und Schiffe zeigt die Schau: angefangen bei Paul Ernst Wilkes leuchtendem Kutterbild von Norderney bis hin zu den Heubooten von Fritz Cobet in Fischerhude. Poppe Folkerts hochdramatisches Rettungsboot hat symbolischen Charakter in politisch schwierigen Zeiten. Auch Kinder gehören zu den häufig gemalten Motiven, in ihnen liegt die Vision vom Neuen und Zukünftigen des Lebens. Nicht zuletzt sind die landwirtschaftlichen Arbeitsbilder der Künstler von großer Bedeutung in den Künstlerorten. Otto Pankoks tief empfundene Dötlinger Kätnerbilder stehen neben Elisabeth Büchsels ergebenen netzeflickenden Fischern auf Hiddensee, Hugo Friedrich Hartmanns grabendem Bardowicker Bauern wie Heinrich Brelings Fischerhuder Kornmähern. Dieses großformatige Gemälde stellt unverkennbar den Bezug des Malers zu Barbizon her. Es war, als umgingen die Künstler alle Schranken, indem sie sich der Erde unter ihren Füßen und der Natur in ihrer Einfachheit zuwandten wie die Maler von Barbizon, dem bekannten Vorbild für viele weitere Künstlerorte. Die Künstler mischten sich unter die Bauern und malten deren Alltag, ihre Haustiere wie Kühe und Schafe und den Hirten, den Wald mit besonderen Bäumen und die landschaftliche Umgebung. In der "Paysage intime“ - der Erfassung der jeweiligen tageszeitlichen Stimmung – fand die Landschaftsmalerei ihren besonderen Ausdruck. Viele Maler des 19. Jahrhunderts eiferten dieser Auffassung nach. Während der Maler Paul Ernst Wilke später nach Worpswede wechselte, besuchte Cobet nach langjährigem Wohnsitz in Fischerhude auch den Künstlerort Dötlingen. Die Fischerhuder Malerin Bertha Schilling fuhr im Sommer gerne nach Nidden, wo sie neben den bekannten Niddenmalern eindrucksvolle Dünenbilder schuf. Ihre Freundin Else Pauls war wiederum auch Mitglied des Hiddenseer Künstlerinnenbundes und ein Bild vom Stralsunder Hafen mit Booten und Schiffen, das der Kunstverein erbte, belegt diese Verbindung. Der Mitbegründer der Ahrenshooper Künstlerkolonie Oskar Frenzel hatte von Fischerhude gehört, wohin es den Worpsweder Otto Modersohn verschlagen hatte. Frenzel trug sich 1908 ins Gästebuch von Berkelmann ein, wo auch der Düsseldorfer Hermannn Angermeyer in diesem Jahr nächtigte. Von Frenzel wird auf der Ausstellung ein Bild von triftenden Kühen in einem Hohlweg gezeigt und dem von Angermeyer gegenübergestellt. Solche reisenden Künstler nannte man "Zugvögel". Die Betonung malerischer Natürlichkeit fand ihren neuen Ausdruck für die Erde ebenso wie den Himmel, das Wasser und der mehr oder weniger bekleideten Haut. Stilistisch regte sich eine Vielfalt von Formen. Besonders der Umgang mit den Farben überraschte das Publikum. Ungrundierte und skizzenhaft erfasste Ölbilder fanden bei heute als genial eingestuften Werken damals selten breite Zustimmung. Mancher blieb der Illusion von Wirklichkeit verpflichtet, während andere subjektive Empfindungen in ihren Gemälden hervorhoben und noch andere mit reduzierten Mitteln andeuteten, was ihnen ihre Gefühle eingaben. Die bekannten Brücke-Expressionisten wie Schmidt-Rottluff und Heckel nahmen im heutigen Nordeeebad Dangast ihren Anfang. Die Ausstellung möchte Anregungen geben, Klischees zu ignorieren und sehen zu üben. Fischerhude reicht die Hände anderen Künstlerorten auch schon mit Blick auf das Sommerstelldichein 2010 in Buthmanns Hof, dann unter dem Titel "Wege zwischen Himmel und Erde“ zu denen die "Ursprünge der Sehnsucht“ hinführen. Zur Ausstellung ist ein umfassendes Taschenbuch erschienen, das weit über das im Kunstverein Fischerhude Gezeigte hinaus geht. Die Autoren Bernd Küster, Ulrich Schulte-Wülwer, Ruth Negendanck, Jörn Barfood, Matthias Wegehaupt, Lisa Jürß, Carsten Meyer-Tönnersmann und Wolf-Dietmar Stock gelten als Fachleute für die Beiträge, die populär gehalten sind. Petra Hempel führt die Leser in die Thematik ein. Die Ausstellung ist bis zum 4. Okotber dienstags bis samstags von 14.30 bis 17.30 Uhr, sonntags von 11.30 bis 17.30 Uhr geöffnet.