Sterne vergeben die Restauranttester vom Guide Michelin, Hufeisen ihre Kollegen von der Stuttgarter Zeitschrift Cavallo, wenn sie Reitsportanlagen testen. Der Besuch der Profiprüfer wird ebenso erhofft wie gefürchtet. Die Fachjournalisten kommen incognito. Ihr Werturteil kann höchste Anerkennung oder eine vernichtende Niederlage bedeuten.
Zum Objekt der kritischen Betrachtung wurde jetzt auch der Bockholts-Hoff in Lünzen. Der Islandpferdehof mit 140 Pferden bietet Unterricht, Reiturlaub und Pensionspferdehaltung. Hof-Chefin Silke Köhler weilte gerade auf einen Turnier in Saarbrücken, als sie am Telefon vom frischveröffentlichten Testbericht erfuhr. "Als ich hörte, dass wir getestet wurden, wurde mir ganz flau. Ich musste ich mich erst mal hinsetzten", erzählt sie. Die Wertnote ließ sie dann wieder aufspringen und jubeln. Ihr Hof bekam insgesamt zehn von zwölf möglichen Hufeisen. So spendabel zeigen sich die Fachjournalisten selten. Monat für Monat reisen sie quer durch Deutschland und testen für jede Ausgabe der größtem Reitsportzeitschrift Europas jeweils vier Reitställe. Sie nehmen unter falschem Namen eine Reitstunde und begutachten davor und danach den Hof. Sie bewerten den Betrieb als Ganzes, das Schulpferd, den Reitlehrer, und das Preis-Leistungs-Verhältnis. Sind Pferdeboxen zu düster, Reitlehrer zu mundfaul oder Schulpferde zu störrisch, gibt’s harsche Kritik. Nicht so allerdings in Lünzen. An Schulpferd Nökkvi lobte die Cavallo-Testerin, die vorgab in Soltau zu wohnen, den leichtrittigen Tölt, also die Spezialgangart des Islandpferdes. Kritik übte sie am rasanten Galopp des Wallaches. "Zu aufgekratzt sei er um die Ecke geflitzt" - so gab’s nur zweieinhalb statt dreier möglicher Hufeisen. Reitlehrerin Alexa Brucherseifer wurde intensiver und ausführlicher Unterricht bescheinigt. "Ihre Erklärungen sind einleuchtend, die Stunde abwechslungsreich", notierte die Testerin. Alexa Brucherseifer selbst hätte nie gedacht, in der unauffälligen Reitschülerin um die dreißig, eine Cavallo-Testerin vor sich zu haben. "Eigentlich habe ich die Reitstunde genau so gestaltet, wie sonst auch", freute sich die 24-Jährige. Dazu Silke Köhler: "Für uns ist der Test eine tolle Bestätigung unserer Arbeit."