Nachlese zu Munch-Ausstellung in Nartum

Durch das Lebenswerk

Detlef Stein, Markus Goede, Irmela von Lenthe, Hildegard Kempowski (von links) ©Rotenburger Rundschau

(le). Zu der vielbeachteten Munch-Ausstellung in der Bremer Kunsthalle bot der Kunsthistoriker Detlef Stein, Bremen, im Haus Kreienhoop eine gelungene Nachlese. Die Veranstaltung stand unter dem Titel "Im Licht des Nordens“ und fand in Zusammenarbeit der Kempowski-Stiftung mit dem Gyhumer Kulturverein statt.

Stein führte anhand von projizierten Abbildungen anschaulich durch das Lebenswerk des norwegischen Malers (1863-1943). Eine besondere Note erhielt der Vortrag durch die musikalische Begleitung des in Tarmstedt aufgewachsenen Markus Goede, Klavier – eine Begleitung, die weit mehr war als eine bloße Untermalung. Goede spielte Werke von Komponisten aus Munchs Zeit: Edvard Grieg, Serge Prokowjew und Claude Debussy. Ausgehend von einem jugendlichen Selbstportrait des Malers, erarbeitete der Referent die autobiographisch geprägte Kunst Munchs, untersuchte Lichtführung, Atmosphäre und Stimmung der frühen Werke, die zugleich vom Aufbegehren der "Kristiania-Bohème“ beeinflusst sind, einer gegen die Enge des Zeitgeists rebellierenden Gruppe norwegischer Intellektueller. Als er 1885 nach Paris ging, zeigten die Gemälde moderne Farbigkeit und dramatische Bildanschnitte. Flirrende Lichteindrücke wie bei Pissarro, vor allem aber symbolistische Bildauffassungen unter dem Einfluss von Gauguin belegen die Entwicklung von der Ausrichtung auf das Sichtbare, auf Sinnesreize zur Ideenwelt des Denkens. Die erste Einzelausstellung, 1892 in Berlin, geriet zum Skandal: Die Zeitgenossen waren auf theatralische Historienbilder erpicht, von Themen wie erwachender Liebe oder gar Lebensangst fühlten sie sich beleidigt. Die Ausstellung musste schon nach einer Woche geschlossen werden. In Berlin begann Munch die Gemäldeserie "Ein Menschenleben“, später unter dem Titel "Lebensfries“ bekannt geworden. Anhand des bekannten Gemäldes "Der Schrei“ (die erste Fassung entstand 1893) erläuterte Detlef Stein, wie unmittelbar autobiographisch beeinflusst Munchs Kunst ist: Bei einem Spaziergang mit zwei Freunden beeindruckt ihn "der Schrei, der durch die Natur ging“, wie Munch notierte. Es ist ein Motiv aus dem Inneren der leidenden Künstlerseele. 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten 82 Werke des Norwegers als sogenannte "entartete Kunst“ und verkauften mehrere davon ausgerechnet in Oslo. In dem materialreichen, sehr umfangreichen Vortrag blieb leider die Landschaftsmalerei Munchs weitgehend ausgespart. Die von Goede sensibel ausgewählten Klavierstücke teils meditativer Empfindungsmusik, teils aufwühlender Synkopen untermalten die Fülle der gezeigten Bilder und vermittelten die Stimmung eindrücklich. Irmela von Lenthe, Gyhumer Kulturverein, erhielt viel Zustimmung der zahlreichen Besucher für die Anregung, solche musikalischen Bild-Vorträge zu wiederholen. Allerdings sollten Zahl der Bildbeispiele und Länge der Ausführungen gestrafft werden – dafür könnte es, wie Hildegard Kempowski sich wünschte, "mehr Musik“ geben.