Warum der Otterstedter See auch Pastorensee genannt wird

Leuchten die Zinnen einer Kirche

(vm). Die Otterstedter dürfen für sich in Anspruch nehmen, dort zu wohnen, wo andere Urlaub machen oder zumindest Erholung vom Alltagsstress suchen. Besonders in den Sommermonaten ist der Otterstedter See ein beliebtes Ausflugsziel. Beim Klönschnack im schattigen Biergarten werden Einheimische den Gästen vielleicht schon davon berichtet haben, warum das Gewässer Pastorensee heißt.

Eine Sage, die wenig bekannt ist, hat Johann Behnken vor langer Zeit zu Papier gebracht. Darin heißt es: "Wer aus den Wümmewiesen um Ottersberg den Weg über den Damm und mit ihm die Geesthügel hinaufsteigt, nach Otterstedt zu, und einen Kilometer seitab vom Wege nach Osten geht, kurz bevor sich die Straße in die leichte Senke der Beeke neigt, kommt bald schon an den Spiegel eines blauen Sees. Die Wanderkarte nennt ihn als den Pastorensee. Wenn ein sonnenheller Tag über den Feldern liegt und ein wolkenklarer Himmel sich widerspiegelnd in das Wasser senkt, dann leuchten aus den Fluten die Zinnen einer Kirche. Deren Turm schaute einst weithin ins Land, ehe das Gotteshaus durch Teufelsspuk und Teufelslist in den Grund versank. Einige Wanderer gar, die in der Nacht, in der das alte Jahr ins neue hinüberklingt, oder um die Zeit des blühenden Maien, wenn Walpurgisnacht auf dem Brocken gewesen ist, über die Wege und Felder um Ottersberg und Eckstever gekommen sind, wollen ein fernes, verhallendes Läuten gehört haben. Dumpf, als sei es aus der Tiefe des Sees gekommen. Die Turmglocken der versunkenen Kirche wollen ihr Klingen auf die Erde rufen, zu künden die Sage, die den kleinen See umrahmt. Dem Teufel ist von jeher der Bau eines Gotteshauses wider den Willen und seiner schwarzen Seele verhasst gewesen. Den Bau der Kirche von Otterstedt aber hat er nicht verhindern können. Über den Verdruss aber, den ihm der Anblick der geweihten Stätte machte, so oft er sie sah, kam er nicht hinweg. Als gar die Hexen, die in der Heide um Eckstever alljährlich mit ihrem Meister zusammen zu grausem Spiel und wildem Tanz, die Gegend um Otterstedt fürchteten und dann ganz ausblieben, da geriet der Sohn der Hölle in teuflische Wut. So beschloss er, das Gotteshaus zu vernichten. Er fuhr aus seiner Hölle im Düwelshoop, einem Walde nicht weit von der Kirche, zornsprühend auf, hob einen gewaltigen Hünenstein, deren viele um den Wald herum lagen, auf seine Schulter und stürmte der Kirche zu. Mit unbändiger Kraft schleuderte er den Felsblock gegen den Turm, so dass die Erde erbebte und riss. Das Wasser quoll aus dem Grunde auf, lockerte das Erdreich in weitem Umkreise, unterspülte die Mauern und verschlang das Gotteshaus samt den Bäumen, die es umstanden. Dann aber verließ der Sohn der Hölle die Gegend und beschloss, sie in Teufelsgestalt nicht mehr aufzusuchen. So brauchen die Bauern von Otterstedt und Eckstever und Narthauen seither weder den Teufel noch den Tanz der Hexen zu fürchten, und die Bäume vom einstigen Düwelshoop grünen mit jedem neuen Lenz in einen stillen und ungestörten Frieden hinein."Sagen über den Otterstedter See gibt es viele, weiß Gästeführerin Herma Hinrichs, aber die, die Johann Behnken einst aufschrieb, ist für sie die Schönste. Wenn sie mit Gästen am Düwelshoop steht - gemeint ist der Kreuzbuchenwald - und von der Überlieferung berichtet, komme das bei Heimatinteressierten immer bestens an. Dass die frühere Bezeichnung des Kreuzbuchenwaldes Düwelshoop lautete, ist in einem alten Flurkartenbuch von Ottersberg nachzulesen. Und warum der Otterstedter See Pastorensee heißt, kann Herma Hinrichs auch erklären. Dazu sollte man zuerst einmal wissen, dass das Gewässer ein Überbleibsel der letzten Eiszeit ist und aus einem so genannten Toteispfropfen entstand. Lediglich Heide umsäumte damals das Gewässer. Herma Hinrichs kann sich vorstellen, dass der Turm der Otterstedter Kirche hoch genug war, dass er sich einst bei klarer Sicht im See gespiegelt haben könnte. So müsse die Sage entstanden sein, dass das Gewässer das Gotteshaus verschlang, mutmaßt sie. Mit der Bezeichnung Pastorensee habe das aber nichts zu tun. "Früher war der See in Privatbesitz", blickt Herma Hinrichs zurück. Eigentümer war ein Superintendent, der gleichzeitig auch Pastor von Otterstedt war. Der Geistliche lebte von 1665 bis 1741. Nach diesem Besitzer wurde das Gewässer als Pastorensee bezeichnet. Noch heute steht ein Hinweisschild mit der Aufschrift Pastorensee am Wegesrand. Nach dem Tod des Pastors habe es mehrere Eigentümer gegeben. Ende des vorletzten Jahrhunderts kaufte August von Seebach den See für 300 Taler. Da in unmittelbarer Nähe, da wo heute die neue Siedlung und der Sportplatz sind, eine Imprägnier-Anstalt ihren Sitz hatte, stellte von Seebach dem Reichstelegraphenamt das gewünschte Wasser aus dem See zur Verfügung. Ein lebhafter Betrieb setzte ein. Erst 1984 erwarb der Flecken Ottersberg den See. Das Gewässer erstreckt sich über eine Fläche von sechs Hektar und hat einen Umfang von 900 Metern. Die Tiefe beträgt maximal elf Meter. Der See wird aus dem Grundwasser gespeist. In den Sommermonaten zieht das Gesundheitsamt Verden 14-tägig Proben, um die Wasserqualität zu kontrollieren. Seit dem Bau der Kanalisation für den Wochenendhaus-Bereich ist es zu keiner Sperrung des Sees mehr gekommen.