Clüverborstel, 1489: Die stattliche Burg, die der Familie Clüver gehört, steht unter Kanonenbeschuss. Uneinigkeiten zwischen den wohlhabenden Ministerialen und dem Bistum Verden hatten dazu geführt, dass die Burganlage eingenommen werden sollte. Aber: Die Artillerie hat keine Chance. Das Gelände ist gut gesichert und lässt kein Durchkommen zu.
Rund 500 Jahre später ist von dem Kriegsgeschehen nichts mehr zu erahnen. Wo einst die mächtige Burg stand, wachsen Bäume. Auch, dass dort einst Vorburg, Schuppen und Ställe ihre Plätze hatten, kann nur noch erahnt werden. Um den ehemaligen Adelssitz zu analysieren, wuseln Mitarbeiter der Kreisarchäologie durch den Wald. Ein rund 45 Meter langer Graben wurde ausgehoben, um nach Resten von Mauerwerk zu suchen. Mit Detektoren wird das Gelände abgesucht. Auf Überreste der Burg wie Ziegel, Tierknochen und Scherben sind die Mitarbeiter bereits gestoßen. Aber: Zunächst war kein Fund in Sicht. "Es stellte sich heraus, dass die Grabung mit einer Tiefe von 50 Zentimetern nicht ausreichte“, erzählt Grabungsleiter Ingo Neumann, der von Ronald Buhk, Thomas Grafe, Jens Gätje, Sönke Wilkens und Praktikantin Rebekka Hartmann unterstützt wird. Offenbar war das Gelände in den vergangenen Jahrhunderten mit zusätzlicher Erde aufgeschüttet worden. Also wurde an zwei Stellen noch tiefer gegraben und siehe da: Steine und Holzbebauungspflöcke, vermutlich von einem Schuppen, kamen zum Vorschein. Sogar Scherben von Kaminkacheln, ein Bruchstück einer alten Kamminfliese, ein Fingerhut und eine plattgeschossene Bleikugel konnten geborgen werden. Und plötzlich wird das Geschehen wieder greifbar: Saß die adelige Frau Clüver nähend am Kamin als ihr eine feindliche Kugel um die Ohren flog? Auch wenn die Archäologen Fragen wie diese sicher nicht beantworten können: Dass hier vor Jahrhunderten eine wahre Festung stand, ist bei genauerem Hinschauen schnell ersichtlich. Das Gelände weist heute noch deutlich die Strukturen von damals auf. Wer von der Straße den matschigen Weg an der Wieste entlang bewältigt hat, erreicht einen kleinen Hügel. Auf dem befand sich einst die Vorburg. Wenige Meter weiter folgt die nächste, um einiges größere Erhebung: der ehemalige Platz der für die damalige Zeit klassischen Wasserburg. Rundherum fällt das Gelände ab, an einigen Stellen sammelt sich das Wasser. Auch der Wall ist noch zu erkennen. Dort befanden sich seinerzeit die schützenden Gräben. Bis heute ist das Grundstück auf der einen Seite von den nebenliegenden Flächen durch die Wieste getrennt. "Wir vermuten, dass die Burg 1478 von der Familie Clüver errichtet wurde“, erklärt Kreisarchäologe Dr. Stefan Hesse, der seinen Mitarbeitern bei der Grabung immer wieder über die Schulter schaut. Die Clüvers waren Ministerialen (Dienstmannen) und offenbar sowohl vermögend als auch einflussreich. "Sie haben die Bistümer Verden und Bremen ganz gut gegeinander ausgespielt“, hat Hesse in Urkunden nachgeforscht. Dennoch hielten sie Auseinandersetzungen, bei denen – wie bereits erwähnt - zum Teil auch Kanonenkugeln flogen, stand. Bis zum 30-jährigen Krieg. 1627 gelang es Truppen unter der Führung von General Tilly, die Burg niederzubrennen. In den folgenden beiden Jahrhunderten ging das Anwesen in den Besitz der von Hassels und später der von Hammersteins über. Seit einigen Jahrzehnten gehört das Grundstück der Stadt Bremen. Die will es nun veräußern und deswegen ergriff Dr. Stefan Hesse die Initiative. "Wir fragten an, ob wir vorher noch ein paar Grabungen durchführen könnten.“ Schließlich sollte der zukünftige Besitzer über das historische Baudenkmal im Bilde sein. "Es wird sicherlich nicht möglich sein, hier ein Haus zu errichten“, sagt Hesse und deutet auf die ausgehobene Erdgrube. "Archäologisch gesehen wussten wir wenig über die Burg“, erklärt er. Allein aus Urkunden war eine Menge über die Clüvers bekannt. Höchstens bis Mitte August wollen die Grabungshelfer noch weiterforschen. Vielleicht findet sich ja noch das eine oder andere historische Artefakt. "Vieles ist vermutlich schon bei Plünderungen verschwunden“, meint der Archäologe. Die Kanonenkugeln vermutet er in den Gärten der Nachbarn. Die Beschaffenheit des Geländes soll im Herbst oder Winter noch einmal genau unter die Lupe genommen werden. Das gestalte sich aufgrund der Vegetation zurzeit eher schwierig.