Die Firma Aries aus Stapel produziert Samenbomben - Von Karolina Haselmeyer

Protestieren geht auch bunt

Dieter Szcesny aus Stapel produziert mit seiner Firma Aries Samenbomben für Guerilla-Gärtner Foto: Haselmeyer (Kleines Bild: Welche Blumensamen sich für den Bau der kleinen Saatkugeln eignen, wird in verschiedenen Experimenten getestet)
 ©Rotenburger Rundschau

Protest findet in der Regel lautstark statt: Ob Trillerpfeifen, Chorgesang oder Rufe - gehört werden Menschen, die gegen etwas demonstrieren, eigentlich immer. Doch es gibt auch eine lautlose Form von Widerstand. Sie nennt sich Guerilla Gardening oder auch urbanes Gärtnern.

Guerilla Gardening ist eine Protestbewegung, die sich seit den 1970er Jahren von New York ausgehend in immer mehr Metropolen verbreitet und graue Asphaltwüsten der großen Städte in bunte Gärten verwandelt. Doch ein farbenfroheres Straßenbild ist nicht das einzige Anliegen der Gärtner, denn häufig wollen sie auf diese Weise politischen Protest und zivilen Ungehorsam ausdrücken. Weil das Bepflanzen illegal ist, sind die Protest-Gärtner auch nicht mit Harken und Spaten ausgestattet, sondern mit Samenbomben - so können sie heimlich und ungesehen agieren. Auch die Region Rotenburg ist davor nicht geschützt, denn mitten im Landkreis, genauer in dem kleinen Ort Stapel in der Gemeinde Bötersen, werden die kleinen harmlosen Waffen für die Gartenpiraten hergestellt. Der Kopf dahinter: Dieter Szcesny, Inhaber der Firma Aries. "Im Internet kursieren zahlreiche Rezepte zur Herstellung von Samenbomben und wir haben uns gedacht, es sei eine gute Idee, wenn wir die Produktion übernehmen und fertige Samenbomben zum Kauf anbieten“, erzählt der Stapeler. Doch ganz so einfach, wie anfangs gedacht, sei das nicht gewesen, denn häufig habe die Anleitung im Internet kein ordentliches Resultat hervorgebracht. "Wir haben dann angefangen, sehr viel zu experimentieren. Die Zusammensetzung bleibt schließlich immer die gleiche, Ton, Wasser Erde und Samen. Lediglich die Trockenzeiten variieren.“ Und bis da die Richtige gefunden wurde, mussten viele Kugeln hergestellt werden. "Die vier Elemente werden feucht zusammengemischt und anschließend getrocknet. Das darf jedoch nicht zu lange dauern, weil die Samen sonst zu Keimen beginnen. Gleichzeitig darf aber auch die Trockentemperatur auch nicht zu hoch sein.“ Ein kompliziertes Unterfangen also. Am Ende hat sich das viele Experimentieren aber ausgezahlt: Als Szcesny und sein Team das neue Produkt im Februar 2011 auf der Biofach in Nürnberg vorstellten, der weltweit größten Biofachmesse, haben sie nicht nur positives Feedback, sondern gleichzeitig auch den ersten Preis für beliebte Produktneuheiten in der Kategorie Naturwaren erhalten. "Auf der Biofach stellen Händler aus der ganzen Welt ihre neuen Produkte vor und jeder Besucher kann eine Stimme abgeben und die beste Produktneuheit bestimmen“, erklärt der Firmeninhaber. "Mit dem ersten Preis haben wir gar nicht gerechnet.“ Danach folgte ein Hype um die Samenbomben und Szcesny verkaufte allein im vergangenen Jahr 400.000 Stück. "Wir haben die ersten Kugeln noch mit der Hand gerollt, bei der großen Menge mussten wir dann jedoch auf Maschinen umsteigen.“ Und die Kunden kommen von überall her: "Wir beliefern Bioläden in der EU und hatten sogar schon Kunden in Dubai und New York.“ Kein Wunder, schließlich sei die Firma Aries auf dem Gebiet Marktführer, wie Szcesny stolz verrät. Und längst nicht alle Interessenten sind Protestgärtner, auch zu Werbezwecken werden Samenbomben mittlerweile eingesetzt – so auch von den Berliner Grünen im Wahlkampf. Für die jüngste Biofach im Februar hatte die Firma Aries das Samenbombenkonzept weiterentwickelt und einen Selbstbausatz vorgestellt. "So kann jeder, der möchte, nach Anleitung seine eigenen Kugeln herstellen und zu einem kleinen autarken Guerilla-Gärtner werden“, verrät Szcesny schmunzelnd die Idee dahinter. Und wieder belegte das Team aus Stapel mit seiner Innovation den ersten Platz in der Kategorie Naturwaren. Wenn die Samenbomben auf den Boden treffen dauert es rund zwei Wochen, bis sie zu keimen beginnen und weitere zwei Monate, bis etwas zu sehen ist. Spontaner Protest, bei dem sofort ein Ergebnis erkennbar ist, ist somit nicht möglich. Doch es muss ja nicht immer nur um Widerstand gehen: Auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon können die kleinen Samenkugeln verstreut werden und so für ein farbenfrohes Blumenmeer sorgen. "Jede Kugel ist anders“, verrät Szcesny. "Wir wissen selbst nicht, wie am Ende das Ergebnis aussehen wird. Es gibt einige Blumensorten, die von uns immer verwendet werden. Dazu gehören Ringelblumen, Mohn, Johanniskraut, Malve und Sonnenblumen. Alle anderen Sorten stellen dann das Überraschungsmoment dar.“ Rund 20 verschiedene Blumenarten werden pro Kugel verwendet, insgesamt 30 bis 40 Keimlinge. Welche davon dann am Ende blühen, weiß niemand, nicht einmal Szcesny. Aber genau das mache es auch so spannend, erklärt er. Doch einen Aufruf zum Protestgärtnern macht der Stapeler nicht und so wird auf allen Packungen angemerkt: "Über die Rechtmäßigkeit seines Handelns sollte sich jeder aufklären und überdenken, auf welchen öffentlichen Nicht-Grünflächen die Samenbomben abgeworfen werden.“

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