Nach dem Gewinn des Weltmeisterschafttitels der deutschen Nationalmannschaft Anfang Februar hält der Handballboom in Deutschland an. Das wurde am vergangenen Wochenende in der Köln-Arena deutlich, als zum Spiel des Tabellenvierten VfL Gummersbach gegen Tabellenführer THW Kiel fast 20.000 Zuschauer erschienen. Nicht ganz 13.000 - und damit fast 6.000 mehr als sonst, die die Heimspiele verfolgen - waren es in der Hamburger Color-Line-Arena.
Von dort aus kommentierte der Ottersberger Fernsehjournalist Peter Carstens für den NDR das Spiel des Tabellendritten HSV Hamburg gegen die SG Flensburg-Handewitt live. "Wir hatten im Schnitt 300.000 Zuschauer. Das entspricht einem Marktanteil von zehn Prozent - drei Prozent mehr als wir sonst haben", freut sich der 46-Jährige und bestätigt, die durch die Weltmeisterschaft entstandene Euphorie, die dem Handballsport zuteil wird, sei immer noch spürbar. Was auch von dem Kölner Marktforschungsunternehmen Sport + Markt erst vor wenigen Wochen herausgefunden wurde. Nach einer repräsentativen Umfrage unter 1.000 Personen ab 14 Jahre stieg die Anzahl der Handballinteressierten nach der WM auf 72 Prozent - vor Beginn des Titelkampfes seien es 56 Prozent der Gesamtbevölkerung gewesen. Will heißen: 46,9 Millionen in Deutschland lebende Menschen sind bekennende Handball-Fans. "Es kommt jetzt darauf an, das Ganze weiter mit Leben zu füllen. Das gilt auch für uns vom Fernsehen", sagt Carstens. Zum Beispiel durch eine kontinuierliche TV-Be-richterstattung. "Das darf nicht nur alle sechs Wochen stattfinden. Wir brauchen einen festen Termin zur besten Sendezeit - vergleichbar mit der ARD-Sportschau für Fußballer am Samstagabend." Regelmäßigkeit schafft nach Carstens Meinung zum ohnehin vorhandenen Stammpulikum weiteres Zuschauerpotenzial. Umso besser, wenn den Moderatoren bei Live-Übertragungen dann auch noch aktuelle Weltstars wie der Franzose Nikola Karabatic (THW Kiel) als Experten zur Seite stehen - so geschehen am Wochenende beim Spiel in Hamburg. Dort ließen sich sehr zur Freude der HSV-Verantwort-lichen erstmals auch bedeutende Wirtschaftsgrößen wie Deutsche-Bahn-Chef Harmut Mehdorn und Lufthansa-Auf-sichtsrat Jürgen Weber blicken - und waren allem Anschein nach von der Atmos-phäre in der Halle einerseits, von den Stars ohne Star-Allüren auf dem Spielfeld andererseits begeistert. Handball - ein Sport, der aus werbestrategischer Sicht bislang ausschließlich für den regional ansässigen Mittelstand interessant war, gewinnt jetzt offenbar auch bei den Großen an Bedeutung. "Es war wichtig, dass die deutschen Handballer bei der WM gezeigt haben, was ihre Marke wert ist", sagt Carstens. Er hat den Titelgewinn im Vorfeld der WM vorhergesagt. Wer gewinnt nach dem "G4-Gipfeltreffen" vom vergangenen Wochende die Deutsche Meisterschaft? "Nur Kiel und Hamburg kommen für mich in Frage. Beide Vereine haben gute Chancen. Wenn Kiel von weiterem Verletzungspech verschont bleibt, werden sie am Ende wahrscheinlich oben stehen, weil sie mehr Routine habe", vermutet Carstens. Titelansprüche weist der Trainer der Mannschaft der Stunde übrigens weit von sich, zumal das letzte Saisonspiel auf den 2. Juni datiert ist. "Soweit kann ich nicht vorausdenken, dazu bin ich zu einfach gestrickt", gab Martin Schwalb unmittelbar nach Spielende zu Protokoll. Irgendwie sympathisch. Handballer eben...