Fischerhude und seine Künstler im Aufbruch in die Moderne

1911 – ein Paukenschlag

Bertha Schillings Bauerngarten, entstanden um 1930
 ©Rotenburger Rundschau

(r/stj). 1911, das Jahr der Münchener Künstlervereinigung "Blauer Reiter“ und des Dresdner beziehungsweise von dort nach Berlin umgezogenen Pendants "Brücke“ verändert auch das stille, zurückgezogene Kunstleben Fischerhudes mit einem Paukenschlag. Der Kunstverein Fischerhude zeigt jetzt in seiner aktuellen Sommerausstellung Bilder unterschiedlicher Künstler dieser Zeit. Zu sehen ist die Ausstellung in Buthmanns Hof bis Sonntag, 28. August (dienstags bis samstags, 14.30 bis 17.30 Uhr, sowie sonntags von 11.30 bis 17.30 Uhr).

Ein nationaler Kunststreit (ausgelöst durch die vom Worpsweder Maler Carl Vinnen veröffentlichte Schrift "Protest deutscher Künstler“) war seinerzeit über die Frage ausgebrochen, ob es richtig sei, für 30.000 Mark einen van Gogh für die Bremer Kunsthalle zu erwerben. Otto Modersohn, seit 1909 in Fischerhude ansässig, befürwortete den Ankauf Stellung. Mancher junge Künstler, der sich für van Gogh interessierte, horchte auf und fühlte sich von Modersohn und dem unbekannten Ort angezogen, der in großer Ursprünglichkeit und abseits unberührt vom Trubel zwischen den Flussläufen der Wümme lag. Zu ihnen gehörte Helmuth Westhoff (1891-1977), der bereits als Junge die Gemälde Paula Modersohn-Beckers bewundert und in den Jahren 1908/1909 Korrekturunterricht bei Modersohn bekommen hatte. Der Bremer Johann Heinrich Bethke (1885-1915), der an der Kunstakademie Düsseldorf studierte, kam von 1911 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs regelmäßig in den Wümmeort, um von Modersohn zu lernen. Auch der Bremer Kaufmannssohn August Haake (1889-1915), der seit 1909 an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar studierte, durchquerte die Wümmewiesen (mit der Motorrad), um neben Modersohn zu malen. Er führte seinen Studienfreund, den Hamburger Rudolf Franz Hartogh (1889-1960), in Fischerhude ein. Wilhelm Heinrich Rohmeyer (1882-1936), der erste Maler, der bereits 1904 in Fischerhude seinen festen Wohnsitz genommen hatte, befreundete sich mit ihnen. Dem Kreis der "Jungen Wilden“ schloss sich 1911 auch der Lippstädter Fritz Cobet (1885-1963) an. Und schließlich gesellte sich das erste "Malweib“ hinzu: die Soester Fabrikantentochter Bertha Schilling (1870-1935). Der Bildhauer Bernhard Hoetger (1874-1949), der Modersohns 1907 verstorbene Frau Paula in Paris kennengelernt hatte, richtete sich 1911 im Dobben in Fischerhude ein Atelier ein. In der 15-jährigen Breling-Tochter Olga fand er ein Modell für seine Figuren im Darmstädter Platanenhain. Hoetger sollte Olga Bontjes van Beek (1896-1995) ein künstlerischer Ziehvater werden, der ihren Weg als Ausdruckstänzerin mit Plakaten, Kostümen und guten Ratschlägen begleitete. Er, in dem sich Begeisterungsfähigkeit mit starkem Wille verband, beschloss, in Fischerhude ansässig zu werden, und erwarb den Eichkamp in der Bredenau, um dort zu bauen. Dieser Plan sollte sich später zerschlagen. Selbst Heinrich Breling (1849-1914), der "Vater der Fischerhuder Maler“, fand in dieser Zeit noch den Anschluss an die Moderne. Nachdem er eine Ausstellung französischer Malerei in Köln gesehen hatte, schloss er sich in sein Atelier ein. "Und was tat er? Er wurde wieder jung, brach mit allen Überlieferungen (...) und malte impressionistische Stilleben“, zitiert Kunstvereins-Vorsitzender Wolf-Dietmar Stock aus Frido Wittes Künstlertagebuch. Im Giebel zeigt der Kunstverein parallel zur Sommerausstellung druckgrafische Werke von Erhart Mitzlaff (1916-1991) und dem 1926 geborenen Werner Zöhl. Hintergrund: Der Aufbruch in die Moderne wiederholte sich in Fischerhude nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Zerschlagung des "Dritten Reiches“, in dem Malverbot für expressionistisch arbeitende Künstler geherrscht hatte. Stock: "Dieser neue Aufbruch ist in Fischerhude nicht abstrakt. Er ist weniger ein Auseinander-, sondern ein Zusammensetzen mit der Natur. Die Welt ist kein Gegenpart, man sitzt mitten in ihr.“ Der rasche, leichte Pinselduktus, der bisweilen an Auflösung erinnere, verrate, wie der Blick prismatischer wird. Gemeinsamkeit im Stil gebe es nicht und einzig die Liebe zur Landschaft, die zum Lebensraum gewählt werde, schenke einen harmonisierenden Klang in Fischerhude. "Sie waren Freunde und verdienten mit diesen Drucken ein stetiges Zubrot. Für zehn bis 20 Mark gab es die hauchzarten Gebilde, deren Ausdrucksstärke die Sehnsucht nach klaren Formen erfüllte und gleichzeitig Unaussprechlichem Raum gab“, weiß Stock.

28.02.2021

Landpark Lauenbrück

12.02.2021

Winterlandschaft in Rotenburg

22.12.2020

Weihnachtsbilder

29.10.2020

Herbstfotos der Leser

Seitenanfang