Auch mit 90 kann Karlheinz Poredda von der Politik nicht lassen - Von Wieland Bonath

Ausstieg bleibt ungewiss

90 Jahre und seit 49 Jahren Bürgermeister der Gemeinde Hipstedt: Damit dürfte Karlheinz Poredda Rekordhalter in Deutschland sein. Eine Wand voller Urkunden dokumentiert die Anerkennung für seine ehrenamtlichen Leistungen Fotos: Bonath ©Rotenburger Rundschau

Karlheinz Poredda gehörte zu den Männern, die, aus Krieg und Gefangenschaft zurückkehrt, beherzt zupackten, um einem zerstörten Land wieder Form und Regeln zu geben - aus der Not der Umstände heraus und aus natürlichem Verantwortungsgefühl. Am 12. Januar begeht er seinen 90. Geburtstag. Davon ist Poredda 62 Jahre ehrenamtlich in der Kommunalpolitik tätig und fungiert bis heute ununterbrochen seit 49 Jahren als Bürgermeister der Gemeinde Hipstedt.

Seit 33 Jahren gehört er dem Kreistag an, zuerst für den Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten und dann, nachdem er 1975/76 zu den Gründungsmitgliedern gehört hatte, als eines der drei Fraktionsmitglieder der Wählergemeinschaft Freier Bürger. Mit fast 50-jähriger Dienstzeit als Ratsvorsitzender dürfte Poredda in Deutschland Rekordhalter sein. Müde? Davon ist bei dem drahtigen Mann, der oft bis tief in die Nacht an seinem aktenübersäten Schreibtisch sitzt, nichts zu merken. Zwei Jahre nach dem Krieg fand sich die Familie Poredda im 900-Einwohner-Dörfchen Hipstedt fast ganz im Norden des damaligen Landkreises Bremervörde wieder. Einheimische und Flüchtlinge mussten sich hier, wie an allen anderen Orten auch, arrangieren, Wohnung und Arbeitsplätze untereinander teilen. Für Karlheinz Poredda, der aus aus Neumalken bei Lyck in Masuren stammt, war es selbstverständlich, dass er sich 1948 zur Wahl für den Gemeinderat aufstellen ließ. Er wollte auf lokaler Ebene mitwirken, um das Nachkriegs-Durcheinander einigermaßen zu ordnen. Hipstedt ist, nicht zuletzt durch das umsichtige Wirken seines Ratsvorsitzenden, ein Schmuckstück im Sünderwald geworden, der waldreichsten Region im Landkreis, ganz in der Nähe zur Kreisgrenze nach Cuxhaven. Doch bei einem Kampf mussten Poredda und seine Mitstreiter die Waffen strecken: Nicht Bremervörde wurde, so wie sie es wollten, die neue Kreisstadt, sondern das 64 Kilometer entfernte Rotenburg. "Wir haben uns zwangsläufig daran gewöhnt“, sagt der 90-Jährige heute. Seit 33 Jahren sitzt Karlheinz Poredda im Kreisparlament und seit Beginn im Rat der Samtgemeinde Geestequelle mit Sitz in Oerel. Maxime der Politiker muss seiner Ansicht nach grundsätzlich - und erst recht auf lokaler Ebene – sein, "...wenn durch ihr Wirken das Wohlempfinden der Bevölkerung spürbar wird.“ Für ihn selbst war das kommunalpolitische Wirken so etwas wie Balsam: Die 90 Jahre sind an ihm vorübergegangen, ohne besondere Spuren zu hinterlassen. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass es ihm so schwer fällt, sich "langsam aus der Politik zurückzuziehen“ – nach seinem Plan im Jahre 2011 "Ob ich das schaffe“, meint er, "weiß ich allerdings noch nicht.“ Hier steckt seine energische 74-jährige Ehefrau Carola die Fronten ab: Irgendwann müsse mit allem einmal Schluss sein, und bei ihrem Mann werde es höchste Zeit. Allein wegen der bisher so karg bemessenen Urlaubstage. Möglich, dass Sohn Carl-Wilhelm, 30-jähriger Referendar am Bremervörder Gymnasium, auch ein Wort mitredet. Noch fährt Karlheinz Poredda Jahr für Jahr seine weit über 30.000 Kilometer mit dem Pkw. Eine Bahnverbindung von Bremervörde über Zeven nach Rotenburg, von ihm und vielen anderen gewünscht, gibt es schließlich nicht mehr. Der älteste Bürgermeister, der eine wohlgeordnete Gemeinde präsentieren kann, wurde für seine verdienstvolle Arbeit mehrfach ausgezeichnet - erst vor wenigen Monaten mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Das Bundesverdienstkreuz am Bande hatte er bereits 1988 und das Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens 2001 erhalten. Hinzu kommt die Ehrenmedaille des Städte- und Gemeindetages, Landesverband Niedersachsen ein Jahr später. Hat er in seiner kommunalpolitischen Arbeit einal eine besonders herbe Enttäuschung erleben müssen? Ja, vor nun schon 40 Jahren habe die Gemeinde im Sünderwald ein Erholungsgebiet mit Ferienhäusern geplant, und das sei "unter Mitwirkung höchster Stellen“ über ein Normenkontrollverfahren abgewürgt worden. Das sei, so Poredda, lange her, aber vergessen könne er es nicht.