(af). "Gesang ist die Sprache, die jeder versteht. Ich singe auf meiner Klarinette", sagt Giora Feidmann. Musik, das ist für ihn "der göttliche Funke". In der Bremer Glocke ist dieser Funke übergesprungen: Singend verabschiedete das Publikum im altehrwürdigen Konzerthaus den musikalischen Friedensbotschafter von der Bühne.
Sein Quartett - neben Feidmann der Gitarrist Rolf Sturm, der Kontrabassist Ken Filiano und Paul Jaurena am Bandoneon - hat für die zweimonatige Konzertreise durch die Republik 29 Auftritte geplant. Die ausverkaufte Glocke war die sechste Station - wenn sie ein Maßstab ist, so wird das Ensemble bis Ende November noch Tausende von Menschen zum Singen bringen. Was an Feidmanns Spiel verzaubert, ist, dass die Klarinette in seinen Händen zu leben beginnt: dass sie weint, lacht, tanzt. Was an der Person Feidmann verzaubert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der er nicht nur musiziert, sondern seine Musik als Völkerverständigung begreift: Wenn er sein Programm unterbricht, um ein Gebet für den Frieden zu sprechen. Wenn er die Zuhörer auffordert, das Shalom Haverim zu singen, und das israelische Volkslied so zart und vertraut klingt wie ein europäisches Wiegenlied. Nicht politisch, aber kosmopolitisch tritt Feidmann auf. Seine Musik, das sind vor allem Tango und Klezmer, die keine festgelegte Nationalität haben, sondern auf der ganzen Welt zu Hause sind. Mit beiden ist Feidmann aufgewachsen: Ein Klezmorim der vierten Generation, geboren in der Heimat des Tangos, Buenos Aires. Feidmanns Appelle, schlicht wie sie sind, wirken ehrlich - vielleicht ist das der Grund, weswegen es so gut tut, dem freundlichen Mann zuzuhören. Wer würde es ihm absprechen wollen, dass er seine Musik in den Dienst der Menschen, der Gesellschaft stellt? Dass er sich nicht als weltabgewandter Künstler versteht? "Ich komme gerade aus Israel", bezieht er sich auf die wieder aufgeflammten Unruhen im Nahen Osten. "Menschen sind nicht dazu geboren, um zu töten." In seinem Englisch schwingt ein starker Akzent, fehlerfrei ist es auch nicht. Und doch berühren seine Worte genauso die Töne seiner Klarinette. Die Virtuosität der vier Instrumentalisten allein wäre es wert, das Quartett zu hören. Feidmann jedoch schenkt dem Publikum mehr als den halb schwermütigen, halb überschwänglichen Zauber seiner Klänge: Er schenkt das Gefühl der Verbundenheit. Was die Menschen in der Glocke hören konnten, ist eine Sprache, die jeder versteht.