(hf). "Die Grundstückspreise sinken, neue Arbeitsplätze werden nicht geschaffen und der Ort verliert an Attraktivität. Wo ist der Nutzen für Mulmshorn durch die geplante Futtermittelfabrik?", fragte Nicole Wirschke unter dem Beifall vieler Bürger auf einer Informationsveranstaltung im Gasthaus Heidejäger. In der Kritik standen Ortsrat und Stadt Rotenburg, die angeblich den Bebauungsplan geändert hätten, um einen Industriebetrieb ansiedeln zu können.
Doch diese Annahme widerlegten Stadtplaner Werner Scholz und Ortsratsvorsitzender Bruno Bartsch: Bereits nach dem ersten Entwurf des Bebauungsplanes, der von den Bürgern akzeptiert worden sei, hätte sich ein Industriebetrieb ansiedeln können. Geändert werden solle jetzt lediglich die Bauhöhe, von 15 auf 54 Meter. Dadurch sei es der Betreiber-Firma Hansa-Landhandel möglich, sogenannte Rieseltürme zu bauen, in denen die einzelnen Bestandteile der Futtermittel ohne hohen Energieaufwand gemischt werden könnten. Der Bebauungsplan, gegen den noch bis zum 30. August Einwände erhoben werden könnten, sei in drei Bereiche eingeteilt worden, in denen Bauhöhen von 54, 35 und 15 Metern zulässig seien. Etwa zwei Drittel der bebaubaren Fläche, rund acht Hektar, habe die Firma erworben. "Die Fundamente sollen noch in diesem Jahr in die Erde", kündigte Andreas Meyer, einer der geschäftsführenden Gesellschafter, an. Gutachter Siegfried Zech von der gleichnamigen Ingenieurgesellschaft teilte mit, dass beim Lärm alle Zielwerte des Bebauungsplanes eingehalten würden. Mit Werten von 55 Dezibel tagsüber und 40 Dezibel in der lautesten Stunde der Nacht sei zu rechnen. Diese Werte würden draußen, vor den Wohnhausfassaden, erreicht. Innen sei der Lärm nicht mehr wahrnehmbar. "Die Autos an der Bundesstraße 71 sind lauter", so Zech. Künftige Belastungen seien in die Berechnungen eingeflossen. Während der Erntezeit dürfe der Grenzwert an maximal zehn Tagen überschriten werden. Meyer gab zusätzlich bekannt, dass mit rund 100 Lkw-Fahrten pro Tag zu rechnen sei, wobei 76 Fahrten von 7 bis 20 Uhr stattfänden. "Viele unserer Fahrzeuge kommen bereits jetzt durch Mulmshorn", so Meyer. Laut Gutachter Zech seien die Staubemissionen der Fabrik so gering, dass die Grenzwerte unterschritten würden. Die Geruchsemissionsrichtlinie, die eine Geruchswahrnehmung für maximal zehn Prozent der Jahresstunden erlaube, werde eingehalten. Ob die Industriestäube natürliche Lebensräume beeinträchtigen, muß noch von Gutachterin Dorothee Schneider-Höke von der Planungsgemeinschaft Nord (PGN) untersucht werden. Die Bezirksregierung habe gefordert, den Bereich des Naturschutzgebietes Glindbusch und die potentiellen FFH-Flächen auf Auswirkungen durch mögliche Staubimmissionen zu prüfen. "Auf Magerstandorten könnte sich die Zusammensetzung von Tier- und Pflanzenarten durch nährstoffhaltige Stäube ändern", so Schneider-Höke. Abgeschlossen sei bereits die Errechnung der Ausgleichsmaßnahme für den 54 Meter hohen Rieselturm, der das Landschaftsbild beeinträchtige. Eine Fläche von 2,4 müsste jetzt zusätzlich für den Naturschutz bereitgestellt werden. Sie sei von der Stadt noch zu sichern. Während es zu den einzelnen Daten kaum Nachfragen gab, stellten Bürger immer wieder das Gesamtprojekt in Frage. "Hier wird ein Industriegebiet entwickelt. Diese gewaltige Anlage ist erst der erste Schritt", sagte Cord Heuer. Er befürchtet, dass die Gewerbegebiete Bockel und Mulmshorn zusammenwachsen und eine Ausweitung nach Nordosten geplant ist. "Wer will denn hier noch Wohngrund und Häuser kaufen?", fragte Heuer, der sich dazu hinreißen ließ, Mulmshorn als Müllhalde von Rotenburg zu bezeichnen. Er habe gehört, dass viele Mulmshorner wegziehen wollten, wenn sich die Futtermittelfabrik hier ansiedele. "Ihr macht das bodenständige Gewerbe kaputt. Einzelhandelsbetriebe, die an Endverbraucher verkaufen, sind nicht erlaubt", schimpfte Thomas Schiborr. Darauf Scholz: "Die Lebensmittelproduktion ist ein Schwerpunkt im Rotenburger Raum. Wir wollten verhindern, dass das Gewerbegebiet mit großen Einzelhandelsbetrieben vollläuft." Der Kraftfahrzeug-Handel sei von den Beschränkungen ausgenommen. Johann Westermann, Inhaber des Gasthofs Heidejäger befürwortet das Projekt: "Eine soziale Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn wir für Wirtschaft und Arbeit sorgen." Er verwies auf Bad Oeynhausen, wo sich sogar Kur- und Gewerbegebiete vertrügen. "Der Ortsrat ist oft beschimpft worden, dass er nichts für die Entwicklung von Mulmshorn getan habe. Deshalb haben wir in Abstimmung mit den Bürgern für die Ausweisung des Gewerbegebietes gesorgt", so Ortsbürgermeister Bruno Bartsch. Und weiter: "Jetzt ist Angst geschürt worden. Von Atembeschwerden und Kadaverbeseitigung ist die Rede gewesen. Warum haben die Kritiker nicht eins der Ortsratsmitglieder angesprochen?" Zu verhindern sei die Futtermittelfabrik jetzt nur noch durch einen Gerichtsentscheid. An Meyers Angebot, eine vergleichbare Anlage im Oldenburger Raum zu besichtigen, hatten nur wenige der knapp 100 Besucher Interesse. Rund drei Stunden dauerte die Informationsveranstaltung.