Eine Duftmischung aus frisch gekochten Kaffee, Melissenbadezusatz und Desinfektionsmittel weht durch den Flur der Entbindungs-Station. Freundlich, fast gemütlich ist die Einrichtung. Überall tragen Dekoration, Blumen und Bilder dazu bei, das "Ich-bin-im-Krankenhaus-Gefühl" gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Die leitende Hebamme Heike Schnepel-Berends sitzt im Empfangsbereich vor einigen Bildschirmen. Dieses Areal des Kreißsaales erinnert ein wenig an eine Kommandozentrale. "Hier werden alle Geburtszimmer per Monitor und CTG-Aufzeichnung (Herzton-Wehen-Schreiber) überwacht. Jede Unregelmäßigkeit, die in der vorgeburtlichen Phase eventuell auftreten könnte, wird von den Instrumenten registriert“, erklärt die 43-Jährige, die seit 13 Jahren in diesem Beruf arbeitet. "Zuvor habe ich Wirtschafts- und Religionspädagogik studiert“, berichtet die Oldenburgerin. "Hebamme zu sein war schon immer mein absoluter Traumberuf.“ So sattelte sie um. Eine Idealistin. Was sie in der Zeit macht, in der sie nicht auf der Autobahn – zwischen Oldenburg und Rotenburg pendelt -oder im Kreißsaal ist? Während sie kurz überlegt, fährt sie sich mit den Fingern durch die schulterlangen blonden Haare. "Ich bin glücklich verheiratet, zweifache Mutter, wir haben unseren Jagdhund Emma, außerdem lese ich sehr gern.“ 867 Kinder wurden im vergangenen Jahr im Diakoniekrankenhaus Rotenburg geboren - im Entbindungsstuhl, auf dem Hocker, aus dem Vierfüßlerstand, unter Wasser oder im Bett. Die Möglichkeiten für die Niederkunft sind vielfältig. Jüngst wurden neue multifunktionale Geburtsbetten installiert. Das Besondere: "Das Bett ist individuell einstellbar, sodass wir Hebammen rückenschonend arbeiten - und die Frauen in jeder gewünschten Position gebären können. Alles ist möglich, außer Kopfstand“, schmunzelt Schnepel-Berends. Saskia Premper und Maria Klose sind neu im 13-köpfigen Hebammen-Team. Jüngst haben sie ihre Ausbildung absolviert. "Mir gefällt die gute Geburtenzahl, und dass wir hier Zeit und Ruhe für die Frauen haben“, unterstreicht Klose. Premper ergänzt: "Rotenburg ist eine schöne Stadt und das Arbeitsklima super.“ Die beiden Neuzugänge nehmen an einem Rotationssystem zwischen Kreißsaal und Wöchnerin-Station teil und unterstützen so die Krankenschwestern auf Station 1. "Dort machen wir andere Erfahrungen und erleben die Mütter mit ihren Babys aus einer anderen Perspektive.“ Hebammen, Ärzte und Schwestern arbeiten als eingespieltes Team Hand in Hand. Täglich werden mit der Kinderklinik die Risikoschwangerschaften und -geburten besprochen. So können Vorbereitungen rechtzeitig getroffen werden, um Gefahrensituationen möglichst gering zu halten. Nicht nur werdende Eltern aus der näheren Umgebung entscheiden sich für eine Niederkunft im Diakoniekrankenhaus. Aus gutem Grund: Im Notfall ist eine Säuglings-Intensivstation mit ausgezeichnetem Ruf im Haus. Eben weil das Krankenhaus diese Station vorhält, ist der Anteil von Patientinnen mit schwierigem Schwangerschaftsverlauf, Mehrlingsgeburten und anderen Komplikationen besonders hoch. Oberarzt Dr. Torsten Nekarda: "Wissen, Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen sind erforderlich, da diese Situationen die Schwangeren außerordentlich belasten." Falls ein Notkaiserschnitt erforderlich wird, ist direkt im Kreißsaal ein Operationsraum. In diesem Fall wird ein Alarmknopf gedrückt und löst eine sehr schnell ablaufende Routine aus. "Alle für die Sektion erforderlichen Leute kommen – zu jeder Tages- und Nachtzeit – gerannt: ein Anästhesist, ein Anästhesie-Pfleger, zwei OP-Pfleger, eine Hebamme, ein Kinderarzt, eine Kinderkrankenschwester, ein Assistenzarzt und ein Facharzt für Frauenheilkunde. Ab Knopfdruck dauert es genau acht Minuten bis das Baby da ist“, erläutert die leitende Hebamme stolz. Auch für Naturheilverfahren sind die Rotenburger Hebammen aufgeschlossen. Dazu gehört das Wannenbad, das viele Frauen zu Beginn der Geburtsphase als sehr angenehm empfinden. Das warme Wasser fördert die Entspannung und trägt zum Fortschritt des Geburtsverlaufes bei. In diesem Rahmen nutzt man auch die Aromatherapie. Verschiedene Badezusätze kommen zum Einsatz. "Zur Wehenunterstützung werden Nelke, Zimt, und Ingwer verwendet. Für Entspannung sorgen Orange, Lavendel und Melisse", erklärt Schnepel-Berends. Auch homöopathische Mittel, Kirschkernkissen, Akupunktur und Akupressur schaffen Erleichterung während der Schwangerschaft oder unter der Geburt. Gegen Geburtsschmerzen kann eine PDA (rückenmarksnahe Betäubung) eingesetzt werden. Mit Hilfe dieses Verfahrens ist es gelegentlich möglich, Kaiserschnitte zu vermeiden, da die Frauen wieder durchatmen können und das Ungeborene ausreichend Sauerstoff erhält. Aber auch herkömmliche Schmerzmittel der Standardmedizin werden angeboten. "Wenn Frauen den Geburtstermin überschritten haben, bekommen sie einen Wehen-Cocktail aus Aprikosensaft, Mandelmus, und Rizinus-Öl. Es ist untersucht worden, dass dieser ebenso effektiv ist wie herkömmliche Medikamente." Schulmedizinische- wie natürliche Medikamente sind gleichermaßen wichtig. Beide bergen Vor- und Nachteile. So muss bei jeder Frau individuell überlegt werden, mit welcher Methode das beste Ergebnis erwartet werden kann. Gibt es bestimmte Zeitpunkte, an denen die meisten Kinder zur Welt kommen? "Für die Ebbe und Flut-Theorie ist die Küste zu weit weg. Auch der Mond ist absolut unschuldig. Bei Wetterumschwüngen von kalt auf warm und bei Gewittern konnte ich ebenfalls keinen Zusammenhang erkennen. Beim letzten Unwetter, hatten wir nicht eine Frau mit Blasensprung im Kreißsaal“, resümiert die Oldenburgerin. Die Krankenhaus-Routine läuft. Schreibarbeiten werden erledigt, Bestellungen aufgegeben: von Tupfern über Medikamente bis hin zu Druckerpatronen. Putzen gehört ebenfalls zu den Arbeiten einer Hebamme. "Zwar säubert täglich eine Reinigungskraft den Kreißsaal, aber das reicht nicht. Nach Entbindungen säubern wir die Geburtszimmer sofort, denn sie müssen immer einsatzbereit sein.“ Eines der jüngsten Babys ist Alexander. Die 21-jährige Martina Henniger ist glücklich über die Geburt ihres ersten Kindes. "Schade, dass der Papa nicht dabei sein konnte." Stellvertretend hielt Oma Helga die Stellung. "Zu meiner Hebamme hatte ich sofort ein Vertrauensverhältnis. Trotz der großen Schmerzen war es eine schöne Geburt. Als Alexander endlich da war, wurde er mir sofort nackt auf die Haut gelegt – ein tolles Gefühl“, schildert die frischgebackene Mutter. Nach neun langen Monaten Wartezeit kann endlich das Kennenlernen beginnen. Nach einer zweistündigen Überwachungsphase, verlassen Mutter und Kind den Kreißsaal und bekommen ein Zimmer auf der Station. Damit sich Schwangere körperlich und geistig auf Geburt und Mutterschaft einstellen können, wurde das Familienzentrum eingerichtet. Unter der Federführung von Hebamme Inna Krause werden Geburtsvorbereitungs- und Babypflegekurse sowie eine Akupunktursprechstunde angeboten. Nach der Geburt steht sie zudem mit Rat und Tat bei der Wochenbettpflege, Stillberatung, Rückbildungsgymnastik sowie Babymassage zur Seite. Ferner gibt es eine Frühchengruppe, ein Schwangeren- und ein Stillcaf', aber auch Kurse in Sachen Ernährungsberatung und Babyschwimmen. Auch Erste-Hilfe-am-Kind-Schulungen werden angeboten. Information und Anmeldung unter Telefon 04261/77-3416. Nächste Informationsabende für werdende Eltern mit Kreißsaal-Besichtigung: Mittwoch, 28. September, sowie 12. und 26. Oktober, jeweils 19 Uhr. Anmeldung und Information unter Telefon 04261/77-2420. _______________________________________ Babys der Woche in der Rundschau Neue Erdenbürger kommen in Rotenburg ganz groß raus. Zweimal wöchentlich, Montag und Donnerstag, jeweils 8 Uhr, ist eine Rundschau-Mitarbeiterin im Rotenburger Diakoniekrankenhaus unterwegs, um die Babys der Woche abzulichten. Diese Aktion ist kostenlos. Wer den Fototermin verpasst hat, kann sich bei der Rundschau unter Telefon 04261/9290-13 melden.