(vg). Montag, punkt neun. Eingangsbereich des großen Saals im Rathaus. Ratsmitglied Günter Ehlen rückt noch eben den Hemdkragen von Bürgermeisterin Käthe Dittmer-Scheele zurecht. Gremiumskollege Wilhelm Heins, der die Sache beobachtet, zwinkert wegen der Gentlemen-Geste amüsiert rüber. Dann wird’s offiziell: Zum Empfang haben sich sechs Vertreter, darunter auch Bürgermeister Juris Sculs, aus Scheeßels Partnerstadt Tukums eingefunden.
Weil die Ankunft im Beekeort erst am Vorabend war (die Delegation ist Samstagnacht um drei mit dem Bus gestartet, hat eine Pause in Polen eingelegt und traf erst an Sonntag gegen 21 Uhr ein), ist Bürgermeister Sculs die Müdigkeit noch anzusehen. Darauf angesprochen, winkt er vornehm ab. Alles sei in Ordnung. Dittmer-Scheele spricht in einem ersten Hallo den Wunsch aus, dass alle den Aufenthalt genießen mögen. Allerdings ist offenbar die Übersetzungsfrage nicht vorab geklärt worden. Spontan nimmt die Jeersdorferin Nora Steppat, die selbst aus Lettland stammt, die Sache in die Hand. Die Bürgermeisterin erinnert, dass die Freundschaft zwischen Scheeßel und Tukums seit nunmehr zehn Jahren besteht. Gerade im Februar war sie zum ersten Mal selbst zu Gast in Tukums und äußert sich beim Empfang "beeindruckt von dem, was im Laufe der Zeit gewachsen ist". Und dabei spricht die Bürgermeisterin neben der Verbindung von Gemeinde und Stadt das Miteinander von Vereinen, ganzen Ortschaften und nicht zuletzt von Privatleuten an, die sich rege gegenseitig besuchen. Ratsmitglied Wilhelm Heins gibt eine Nachricht von Tukums-Arbeitsgruppen-Vorsitz-enden Reinhard Dreyer an die Runde weiter. Der Westerveseder kann aus beruflichen Gründen nicht beim dem Besuch dabei sein. Wilhelm Heins: "Ich soll schöne Grüße ausrichten. Reinhard Dreyer weilt gerade in der DDR, hat mir allerdings seine Handynummer hinterlassen, falls irgendetwas ist. Allerdings meinte er, wir kriegen das schon hin." Dass Heins sich versprochen hatte, notiert ihm wiederum Ratskollege Günter Ehlen, der nur zwei Plätze weiter sitzt, auf einem kleinen Zettel. Der wirdwie früher auf Schulbänken unauffällig rübergereicht. Was darauf zu lesen steht? "DDR gibt’s nicht mehr - das sind jetzt die neuen Bundesländer". Heins sieht die Sache mit Humor und ergreift noch mal das Wort, um die Sache richtig zu stellen. Allerdings hören die Tukumser auf diese Weise zum ersten Mal von seinem Fauxpas. Denn: Nora Steppat hatte das Gesagte in der Übersetzung sogleich mit "östlicher Teil Deutschlands" korrigiert. Wieder zur Sache kommt schließlich ein anderer: Bürgermeister Sculs bringt das Anliegen der Delegation auf den Punkt: "Wir machen gerne fleißig das Programm mit und haben zudem zahlreiche konkrete Fragen mitgebracht". In der Tat ist das dreitägige Programm vom Klärwerk- und Mülldeponiebesuch über gemeinsames Schwimmen im Ronolulu bis hin zum Essen beim Chinesen üppig ausgefallen. Sculs seinerseits hat ausschließlich Fachleute aus der Verwaltung mitgebracht, die sich über die Organisationsformen und Erfahrungen in ihren jeweiligen Fachbereichen infomieren wollen, wie sie in Scheeßel aussehen. Bis Donnerstagvormittag zu Gast in Scheeßel sind neben Sculs seine Frau Maija Sulca, Spezialistin für Auswärtige Angelegenheiten, Maris Rudaus-Rudovskis, stellvertretender Bürgermeister (Sculs: "Er macht die Arbeit, ich die Repräsentation"), Peteris Uzulins, Leiter der Kommunalabteilung, Maris Birzulis, Leiter der Eigentumsabteilung und Aivita Milta, Landschaftsarchitektin der Stadt. Heins, der Dreyer zusammen mit Ratsmitglied Renate Bassen kommissarisch vertritt, hat zum Empfang, als Ehrengast sozusagen, Markus Emme aus Scheeßel eingeladen. Der hatte Heins im März beim Hilfstransport nach Tukums begleitet und damit die Realisierung gesichert. Kurzerhand freundete sich Emme bei seinem Aufenthalt in Lettland mit Maris Birzulis an. Der wohnt jetzt für vier Tage bei Emme in Scheeßel. Und das wiederum ist eine der privaten Verbindungen, die eher zufällig enger werden und damit den Austausch beleben.