Bisher hat sich die Geschichte der 800-Einwohner-Gemeinde Reeßum an der Burg Clüversborstel festgemacht. Doch jetzt haben die Reeßumer eine eigene Burg - eine sogenannte Motte, errichtet nach französischer Bauart und in das 11./12./13. Jahrhundert datiert. Zurzeit werden ihre Reste im Rahmen einer rund zweimonatigen Ausgrabungsaktion von einem sechsköpfige Team unter Leitung von Grabungstechniker Ingo Neumann freigelegt. Voraussichtlich sollen die Arbeiten im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Dass im Heimbruch – wenig abseits der Straße nach Otterstedt und jeweils einen Steinwurf von Reeßum und der Kreisgrenze nach Verden entfernt – ein wichtiges Bauwerk gestanden haben musste, davon war der Reeßumer Heimatforscher Werner Röhrs (73) schon seit den 80er Jahren überzeugt. Seinerzeit hatte er unter anderem im Institut für Heimatforschung in Rotenburg entsprechende Hinweise auf Luftaufnahmen von diesem Bereich entdeckt. Und er kannte ein weiteres Indiz, das für einen Burgstandort sprach: Der ehemalige Pächter Kurt Wahlers pflügte auf dem Areal ungewöhnlich zahlreiche Backsteine im Klosterformat an die Erdoberfläche. Werner Röhrs ließ sich in seinem zielstrebigen weiteren Suchen nach der Reeßumer Burg nicht beirren, für den Eigentümer und den jetzigen Pächter der Fläche, war die Kooperation mit der Kreisarchäologie eine Selbstverständlichkeit und Bürgermeister Wilfried Kirchner setzte alle Hebel in Bewegung, um die Grabung nach der Reeßumer Burg zu einer Angelegenheit des ganzen Dorfes zu machen. Im Zuge einer ersten Ausgrabungsaktion wird jetzt in einem 5.000 Quadratmeter großen Bereich nach der Motte gesucht. Vermutet wird eine in französischer Bautechnik im Mittelalter von einem Kleinadeligen errichtete Burganlage, die dem Eigenschutz diente und gleichzeitig repräsentative Aufgaben hatte nach dem Muster: "Schaut her, ich habe es zu etwas gebracht, ich bin jemand!“ Kreisarchäologe Dr. Stefan Hesse, der unlängst eine Zwischenbilanz zog, stuft die Reeßumer Grabung als wissenschaftlich wichtig ein, zumal es sich um die erste im Landkreis Rotenburg entdeckte Motte handelt. Grabungstechniker Ingo Neumann hat mit seinem motivierten Team, zu dem Sara Schlüter, Silvio Schmelzer, Sönke Wilkens, Thomas Grafe, Jens Gätje und Ronald Buhk gehören, bereits eine Reihe interessanter Funde ans Tageslicht gebracht. Dazu gehört eine Fibel oder Gewandspange aus Bronze mit kunstvoller Einlagetechnik gestaltet mit einem Silberdraht und Halbedelsteinen. Bei den weitaus meisten Stücken handelt es sich jedoch um Keramikbruch. Die Funde werden noch vor Ort von Ingo Neumann fotografiert und zeichnerisch festgehalten. Überlegt wird, ob besondere Exemplare dem Landesmuseum in Hannover angeboten werden sollen. Schon jetzt steht fest, dass die Grabung im kommenden Jahr fortgesetzt wird. Hobbyheimatforscher Werner Röhrs, den es mindestens an jedem zweiten Tag an den Ausgrabungsort zieht, ist von dem ganzen Projekt übrigens so begeistert, dass er bereits ein Modell der mittelalterlichen Wehranlage gebaut hat.