(ar). "Wenn Viele mit vereinten Kräften ein kleines Opfer bringen, können manche Leiden gelindert werden." Heinrich Wittkopf, zwischen 1893 und 1915 Pastor in Sottrum, fand zweifellos die richtigen Worte, als er im Dezember 1904 einen Aufruf zur Gründung eines Vaterländischen Frauenvereins verfasste. Nicht nur, dass sich dieser mehr als erfolgreich an der Wieste etablierte - später sollte aus dem rührigen Zusammenschluss das örtliche DRK hervorgehen, das jetzt stolz auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken kann.
Warum aber ein Vaterländischer Frauenverein, wo doch die Rotkreuz-Bewegung bereits Jahrzehnte zuvor auf Initiative des Schweizers Henry Dunant (1828 bis 1910) aus der Taufe gehoben worden war? Nun, die Weltmetropole Genf und das beschauliche Sottrum trennten 1904 noch Welten. Während sich der international agierende Zusammenschluss, darunter auch die mittlerweile gegründeten deutschen "Landesvereine vom Roten Kreuz", vorrangig um die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und den Schutz der Kriegsopfer kümmerte, wünschte sich der Kirchenvorstand nicht mehr und nicht weniger als eine Krankenpflegerin. "Geld war aber damals auch nicht vorhanden", berichtet der heutige DRK-Ortsvereins-Vorsitzende Hans-Richard Buthmann. Doch Pastor Wittkopf war offensichtlich nicht auf den Kopf gefallen. Er wusste: Ein Vaterländischer Frauenverein erhielt aus Berlin einen jährlichen Zuschuss von 200 bis 300 Mark. Der Aufruf war also schnell verfasst. Ordentliches Mitglied konnte "jede unbescholtene Frau, Witwe, Jungfrau ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses und Standes werden, die sich verpflichtet, jährlich eine Mark zu leisten", zitiert Buthmann aus dem Papier und kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen: "Zunächst stand da 50 Pfennig, doch die hat der Pastor durchgestrichen und eine Mark drüber geschrieben. Das war die erste Beitragserhöhung von 100 Prozent innerhalb von einer Minute." Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Männer sich mit der außerordentlichen Mitgliedschaft begnügen mussten... Der Appell Wittkopfs fand laut Buthmann ein schier unglaubliches Echo: "Innerhalb kürzester Zeit wurden in den einzelnen Orten Delegierte gewählt, und schon am 1. Juni 1905 konnte der erste Vorstand seine Arbeit aufnehmen." Erste Vorsitzende war Gesche Oetjen aus Klein Sottrum, stellvertretende Vorsitzende Meta Böschen vom Dodenberg. Das Vereinsziel war mit der Einstellung der Gemeindeschwester Caroline schnell erreicht. Über die Tätigkeit der Ortsgemeinschaft in der Zeit um den Ersten Weltkrieg ist, so Buthmann bedauernd, in den Unterlagen nichts zu finden. Zu den gesicherten Erkenntnissen zählt aber, dass die spätere erste Vorsitzende, Baronin von Hammerstein, die Vereinsarbeit zunächst auf die Hilfe der durch den Krieg und später durch die Inflation Gebeutelten konzentrierte und 1926 gar den für damalige Verhältnisse kühnen Entschluss fasste, für die Gemeindeschwestern eine eigene Bleibe, das heutige DRK-Haus in der Großen Straße, zu bauen. Ihr Spendenaufruf füllte die Baukasse mit 7.000 Mark, weiteres Geld sammelte der Clüversborsteler Lehrer Dohrmann, der mit seinem Gesangsverein in den Dörfern Chorsingen veranstaltete. Tja, und wenn hier Steine und dort Holz fehlten, sprang die resolute Dame wohl auch mal mit ihrem beachtlichen Privatvermögen ein. Die Einweihung des Hauses galt es noch im selben Jahr zu feiern, doch die Freude währte nur kurz, sorgten doch wenige Jahre später die Nationalsozialisten für das Aus des Vaterländischen Frauenvereins: "Er wurde 1933, wie es so schön hieß, gleichgeschaltet, zunächst der Frauenschaft angegliedert, anschließend basierend auf einem Gesetz vom 9. Dezember 1937 aufgelöst und schließlich mit dem neuen Namen Deutsches Rotes Kreuz, Ortsgemeinschaft Sottrum bedacht", fasst Buthmann die sich überstürzenden Ereignisse kurz zusammen. Viel schwerer wog der Verlust des Hauses, dessen Besitzer fortan die DRK-Reichsleitung in Berlin war. Doch auch das war letztendlich ein kleines Problem im Vergleich zu dem Elend, das der Zweiten Weltkrieg mit sich brachte. Zahlreiche Frauen ließen sich zu Helferinnen und Hilfsschwestern ausbilden. "Sottrum hatte damals die stärkste Bereitschaft im Kreisgebiet", so Buthmann. Katastrophale Zustände herrschten vor allem nach Kriegsende. Der Ortsverein wusste kaum, wo er mit seiner Hilfe zuerst ansetzen sollte. 1947 verfügte die englische Besatzungsmacht schließlich die Neugründung der Ortsgemeinschaft, die fortan Ortsverein hieß. Und zu Freude aller ging das DRK-Haus wieder in das Eigentum des Vereins über. In den 50er Jahren wurde der Kindergarten in dem Gebäude untergebracht - bis die Gemeinde Sottrum Mitte der 70er Jahre eine kommunale Einrichtung Am Bullenworth errichtete. Seit 1978 dient das Haus schließlich als Senioren-Treffpunkt. Noch heute ist die Betreuung der älteren Generation wesentliche Aufgabe des Sottrumer DRK. Jeweils donnerstags stehen nicht nur Kaffeetrinken und Kuchenessen auf dem Programm, sondern auch informative Vorträge, gemeinsames Singen, Sitzgymnastik oder kleinere Ausflüge. Zusätzlich führt der Ortsverein Blutspendetermine, in diesem Jahr sieben an der Zahl, und Erste-Hilfe-Kurse durch. Das Vereinsleben pflegen die heute 534 Mitglieder durch Tagesausflüge und andere gesellige Unternehmungen. Und dank ihres kleines Opfers, ihres Mitgliedbeitrages, können sie, ganz im Sinne Wittkopfs, manche Leiden ein wenig lindern. Ob direkt mit jener 300-Euro-Spende für Notleidende in Litauen oder indirekt über das Internationale Rote Kreuz für Erdbebenopfer im Iran, für Hungernde in Ruanda oder Explosionsopfer in Nord-Korea ...