Heinz Bensch zur Entstehung der Fußgängerzone und zur Stadtentwicklung Rotenburgs

"Der Wümmepark hätte auch in der Innenstadt sein können!"

(fo). Alteingesessene Rotenburger wissen die Fußgängerzone zu schätzen. Sie können sich an die Zeit erinnern, als der gesamte Verkehr mitten durch das Zentrum der Kreisstadt geführt wurde. Ein gutes Vierteljahrhundert ist das her.

Verkehrslärm und Abgase ließen das Einkaufen nicht gerade zu einem Vergnügen werden. Heinz Bensch, der damals das Bauamt der Stadt leitete, erinnert sich, wie das Problem im Rahmen der Stadtsanierung gelöst wurde. Bis Ende der 70-er Jahre floss der gesamte Personen- und Güterverkehr von vier Bundesstraßen mitten durch Rotenburg. "In einem Einbahnstraßenring fuhren Lkw wie Pkw vom Pferdemarkt über die Goethe- und Bergstraße, Am Sande und über die Große Straße wieder zum Pferdemarkt," berichtet Diplomingenieur Bensch. "Um genügend Verkehrsfläche bereitzuhalten, waren die Bürgersteige gerade mal eineinhalb Meter breit, manchmal sogar weniger. Ich kann mich noch gut erinnern, wie vor allem Mütter mit Kinderwagen Probleme hatten, sich da durchzuwühlen." Die Folge dieser starken Verkehrsbelastung war, dass die Stadtenwicklung in Rotenburg stagnierte. "Dieser Einbahnstraßenverkehr konnte nur eine Notlösung sein. Es war absehbar, dass der Verkehr weiter zunehmen würde." Also war man gezwungen, sich Gedanken zu machen, um den Verkehr aus der Innenstadt herauszuhalten. Eine erste Hürde ergab sich aus der Kreisreform Anfang der 70-er Jahre. Die große Frage lautete: Bleibt Rotenburg Kreisstadt oder nicht? "Das hätte Einfluss auf die Innenstadtentwicklung gehabt", weiß Bensch. Erst als die Frage des Kreissitzes geklärt war, machten sich die Planer an die Arbeit. Viele Faktoren kamen zusammen, die in die Überlegungen einflossen. Es ging nicht nur um eine geänderte Verkehrsplanung, sondern die gesamte Innenstadt sollte komplett saniert werden. Eine Fußgängerzone mit Einkaufs-, Unterhaltungs-, Spiel- und Erholungsmöglichkeiten sollte für mehr Lebensqualität in Rotenburg sorgen. Um dafür Platz zu schaffen, sollte der Verkehr nördlich an der Innenstadt vorbeigeführt werden. Dafür musste auch die Wümme ein Stück nach Norden verlegt werden. Heute befindet sich auf Höhe des alten Flussbettes die Aalter Allee, an die sich die Glockengießerstraße anschließt. Damit war der innerstädtische Verkehr aufgefangen. Unumgänglicher Bestandteil des Gesamtkonzeptes war die Nordumgehung, die dafür sorgt, dass der Durchgangs- und Fernverkehr aus Rotenburg herausgehalten wird. Die Voraussetzungen für eine verkehrsberuhigte Einkaufszone waren hergestellt. Intensive Öffentlichkeitsarbeit sei großgeschrieben worden: "Wir benötigten nicht nur einen parteiübergreifenden Konsens bei den Beschlüssen, auch die Bevölkerung musste auf die Maßnahmen entsprechend vorbereitet werden, um die Lösung der Probleme in einen rechtsgültigen Plan umsetzen zu können. Diese Maßnahmen sahen ja massive Eingriffe vor, die auch das Eigentum der Grundbesitzer betrafen." So mussten zum Beispiel für den Bau der Glockengießerstraße drei Häuser, darunter ein Handwerksbetrieb, abgerissen werden. Bevor erste Beschlüsse gefasst und Pläne aufgestellt wurden, berieten die Verantwortlichen, allen voran der damalige Bürgermeister Jürgen Jürgensen und Stadtdirektor Klaus Rosenzweig, intern. "Für diese Beratungsgespräche haben wir ganz bewusst Orte außerhalb Rotenburgs gewählt", erklärt Bensch. "Es war wichtig, dass sich alle Parteien einig waren und das Konzept auch von allen getragen wurde." Über das Ergebnis der Gespräche sei dann anschließend in der Öffentlichkeit auf Bürgerversammlungen und in der Presse diskutiert worden. Ein erster Plan für die Fußgängerzone wurde 1973 an alle Haushalte verschickt. Dieser sah einen durchgehenden Fußgängerbereich vom Pferdemarkt bis zum Neuen Markt vor. "Erzielten wir bei den Bürgern einen Zuspruch von über 90 Prozent, so gab es in der Rotenburger Geschäftswelt große Widersprüche", berichtet Bensch. "Vor allem wegen der Anlieferung der Waren und der angeblich fehlenden Parkplätze. Die Geschäftsinhaber befürchteten, dass die Kunden ausblieben, wenn sie nicht vor dem Laden halten können. Aufgrund dieser Widerstände war die Geschlossenheit des Rates auch so wichtig, um sich durchzusetzen." Immer wieder wurde neu beraten und diskutiert und am Ende kam es doch zu einem Kompromiss. Am 26. Februar 1980 wurde der Rahmenplan für die Innenstadt beschlossen und der Öffentlichkeit vorgestellt. Hier waren nun die Fußgängerbereiche so festgelegt, wie sie heute existieren. Neuer Markt und Pferdemarkt wurden ausgebaut und neu gestaltet. Die Straße Am Wasser wurde gebaut, um den Autoverkehr zwischen den beiden Fußgängerbereichen von der Kirchstraße über die Große Straße zurück zur Goethestraße zu führen. "Die Fußgängerzone lässt sich anhand der Pflasterung erkennen. Bei der Gestaltung des Pflasters wurde großer Wert darauf gelegt, sich mit den Geschäften abzustimmen. So dient zum Beispiel die Art der Pflasterung als Markierung oder Hinweis auf bestimmte Geschäfte. Parallel zum Ausbau der Fußgängerzone wurden zu beiden Seiten zwischen Glockengießer- und Goethestraße Parkplätze geschaffen, die teils öffentlich und teils privat sind. Auf diese Weise sind rund 4.000 Stellplätze entstanden", so Bensch. Neben der Begrünung wurde auch Platz für Kunst im öffentlichen Raum geschaffen. Der Brunnen und die Figurengruppe Paar-oh-die auf dem Neuen Markt sorgen auch heute noch für Diskussionsstoff. Der Würfel in der Nähe des Rathauses wurde zum Gedenken an die Opfer des Holocausts errichtet. Die Bank mit den "Drei Generationen" in der Großen Straße lädt nicht nur zum Verweilen ein, sondern ist auch ein beliebtes Fotomotiv. Die Stelen aus Sandstein, die die Eingangsbereiche zur Fußgängerzone säumen, wurden von Studenten der Bremer Kunsthochschule gestaltet. Mit Stolz blickt Heinz Bensch auf das größte Projekt seiner Laufbahn zurück: "Im Nachhinein war das eine außergewöhnliche Leistung und bis heute ein großer Vorteil für die Innenstadt. Im Vergleich zu anderen Städten haben wir ein Ziel erreicht, das woanders nicht so gelungen ist." Aber etwas bedauert er doch: "Neben der Schaffung der Fußgängerzone war auch eine zweite Phase angedacht. Innerhalb der Quartiere, die zwischen den Straßenzügen gebildet wurden, sollte die Stadt-entwicklung weiter voran schreiten. Leider ist das bis heute nicht fortgeführt worden. Es sind noch genügend freie Flächen vorhanden, mit denen man noch größere Synergieeffekte für die Entwicklung des Stadkerns schaffen könnte." Benschs Fazit: "Der Wümmepark hätte auch in der Innenstadt sein können!" Hier könnten seiner Meinung nach weitere Geschäfte entstehen und zudem Voraussetzungen für mehr Wohnraum geschaffen werden. Er hat auch noch weitergehende Visionen: So könnte auf dem Parkplatz hinter dem Rathaus ein großes Hotel errichtet werden. In seinen Plänen befindet sich vor diesem Hotel als Blickfang ein großes Wasserbecken, das durch Aufstauen des Stadtstreeks entstehen könnte. Auch ein Kommunikationszentrum mit großen Versammlungsräumen für Tagungen und Seminare kommt darin vor. Für seine Visionen und Pläne wirbt Bensch in Vorträgen vor dem Stadtrat, dem Beirat für Stadtkonzeption oder dem Gewerbeverein: "Das ist meine neue Tätigkeit nach der Pensionierung," sagt der Ruheständler und gibt damit zu verstehen, dass er noch nicht ans Aufhören denkt.

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