Pfingsten 1989 ereignete sich im Vereinsleben an der Wümme eine kleine Revolution: Für Fans und interessierte Öffentlichkeit völlig überraschend beschlossen die konkurrierenden Basketballabteilungen von Tus Rotenburg und TV Scheeßel, zu fusionieren. Das ist ein bisschen so, als wollten HSV und FC St. Pauli gemeinsam eine Mannschaft bilden. Was für ein Himmelfahrtskommando.
"Keiner konnte sich je vorstellen, dass die Erzrivalen zusammengehen“, denkt Christoph Treblin, heute Abteilungsleiter der Spielvereinigung, an die Jahre vor 1989 zurück. Da habe es in hitzigen Partien zwischen den Nachbarvereinen auch schon mal das ein oder andere unsportliche Foul gegeben. Leidenschaftlich rangen die Scheeßeler und Rotenburger um die lokale Vorherrschaft im Basketball. Talente gab es hier wie dort. Beide Vereine hatten kampfstarke Spieler in ihren Reihen und stellten Mannschaften, die auf Bezirksebene ganz vorn mitspielten. Die Welt zwischen den Körben war mithin eigentlich ganz in Ordnung, als unvermittelt der ungeheuerliche Fusionsplan auftauchte. Kein Zusammengehen in der Not sah er vor, sondern die Verschmelzung zweier gesunder Vereinsteile zu einem neuen Club. Ausgeheckt hatten die Idee Carsten Meyer und Jörg Wahlers auf Rotenburger sowie Treblin und Heiko Norden auf Scheeßeler Seite. Sie nannten ihr Kind BG’89 Rotenburg/Scheeßel und sollten viel Freude an ihm haben. Denn entgegen mancher Unkenrufe legte der neugegründete Basketballverein einen Traumstart hin. Schneller als gedacht ließ sich das ehrgeizige Ziel erreichen, das von Anfang an der eigentliche Motor hinter dem ganzen Fusionsvorhaben war: Durch die Bündelung der Kräfte künftig auch auf Landes- und Bundesebene sportlich mitzuhalten. Bereits 1991 konnte Vollzug gemeldet werden: Im Finalturnier um die deutsche Meisterschaft der U-15-Jungen besiegte das Team der BG’89 im entscheidenden Match die haushoch favorisierten Korbwerfer aus dem Nachwuchskader des damaligen Basketball-Bundesligisten Brandt Hagen mit 72:60. Und ein Jahr später gelang der von Wahlers trainierten Jungenmannschaft mit einem 85:90-Sieg gegen das Youngsterteam von Bayer Leverkusen – damals im Basketball-Herrenbereich erstklassig und in Fankreisen ehrfurchtsvoll als "Riese vom Rhein“ betitelt – prompt die Titelverteidigung. Die frühen Erfolge führten dazu, dass sich die ambitionierte Vereinsneugründung rasch etablierte und insbesondere im Jugendbereich zu einer Hausnummer in der deutschen Basketballlandschaft avancierte. Das männliche Nachwuchsteam blieb dabei die bis heute erfolgreichste Mannschaft der BG‘89, denn auf die beiden strahlenden nationalen Meistertitel folgten 1993 ein Sieg in der norddeutschen B-Jugendmeisterschaft sowie ein Jahr später der deutsche Vizemeistertitel. In ihrem letzten Jugendjahr 1996 stieß die von Wahlers aufgebaute Truppe nochmals bis in die deutsche Spitzenebene vor und landete am Ende unter den besten U-19-Teams der Republik auf dem fünften Rang. Daneben gelang es ihr, beim bundesweit ausgespielten Lufthansa-Cup die Silbermedaille zu ergattern. Das Erfolgsrezept? "Wir haben immer gut verteidigt“, sagt Treblin. Damit sei es gelungen, sich auch gegenüber Teams durchzusetzen, deren Spieler im Durchschnitt über mehr Körpergröße verfügten als die eigenen Leute. Meistertrainer Wahlers hat seinen Schützlingen diese Strategie gezielt eingeimpft. Er selber hat sein Handwerk als Co-Trainer der Niedersächsischen Landesauswahl an der Seite von Burkhardt Prigge, dem späteren Co-Trainer des Bundesligavereins Alba Berlin, erlernt. Vom einstigen Hagener Erstliga-Coach Peter Krünsmann ist der Satz überliefert: "Die Defense der 89er war die beste, die ich je von einem Jugendteam gesehen habe!“ Die Jugendarbeit genoss bereits in den Basketballabteilungen des Tus Rotenburg und TV Scheeßel einen hohen Stellenwert, ergänzt Treblin. Der neue Verein habe insoweit auf gute Vorarbeit aufbauen können. Im Gegensatz etwa zu Fußball oder Tennis war Basketball in Scheeßel und Rotenburg von Beginn an eine ausgesprochene Jugendsportart. Das sehr dynamische Mannschaftsspiel wurde 1891 in Springfield vom Arzt und Pädagogen James Naismith entwickelt, der nach einem verletzungsarmen Winterersatz für American Football suchte. Mit seinen vielen Regeln, der eleganten Ästhetik und dominierenden Bedeutung von Taktik ist Basketball, wenn man so will, durch und durch amerikanisch. "Die ganz frühen Anfänge in Rotenburg und Scheeßel liegen beim CVJM“, sagt Treblin. Sie fallen in die 50er Jahre. Eigentliche Keimzelle fürs heutige Vereins-Basketball an Wümme und Beeke ist indes der Schulsport. Die beiden Altkreis-Gymnasien kooperierten eng mit den Sportvereinen und verfügten über Lehrkräfte, denen die Förderung der importierten Ballsportart ein Anliegen war. In der Eichenschule war dies der Sportlehrer und spätere Direktor Dr. Karsten Müller-Scheeßel. "Er hat die Basketball-Sparte des TV Scheeßel ins Leben gerufen und dafür gesorgt, dass die Sportart auch im Unterricht vorkam", sagt sein ehemaliger Schüler Treblin. "Durch ihn bin auch ich zum Basketball gekommen,“ berichtet der heute 51-jährige. Dabei war das eigentliche Steckenpferd Müller-Scheeßels die Leichtathletik gewesen. In einem Beitrag für die Vereinschronik bezeichnet der passionierte Speerwerfer und Fünfkämpfer Basketball prompt als "schönen Ausgleichssport“ und bekennt ironisch: "Die ‚Gefahr‘, dass talentierte Leichtathleten zum Basketball abwandern könnten, sah ich zunächst nicht (...) Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Basketball-Bazillus gemacht, von dem mehr und mehr Mädchen und Jungen und insbesondere Christoph Treblin befallen wurden.“ Und so schließt sich der Kreis: Seit 1985 ist Treblin selbst als Sportlehrer an der Eichenschule beschäftigt und wirbt beim Nachwuchs für "eines der dynamischsten Spiele, die es gibt“, wie er sagt – Basketball eben. Die gute Jugendarbeit zahlt sich auch im Seniorenbereich aus, davon ist Treblin überzeugt, und die Fakten sprechen für ihn. Die Liste der Titelgewinne der Herren- und Damenteams ist lang. Insbesondere die Korbwerferinnen machten auch national von sich reden – als erste Seniorenmannschaft der BG’89 schafften die Damen es 1993, sich für eine Leistungsliga oberhalb der Landesebene zu qualifizieren. Nach einigem Auf und Ab erreichte das Team von Headcoach Margit Müller in der Saison 2003/04 das Unglaubliche: Durch die Vizemeisterschaft in der ersten Regionalliga qualifizierte es sich für die zweite Bundesliga. Zwei Jahre lang behaupteten sich die Damen aus Scheeßel und Rotenburg in der zweithöchsten Spielklasse Deutschlands. Die Mannschaftsmitglieder Katharina Wohlberg und Franziska Worthmann wechselten beide zu Erstligaklubs, sind mittlerweile jedoch in ihren heimischen Verein zurückgekehrt. Auch im Herrenbereich, wo in der ersten Bundesliga richtig bezahlte Profis die Körbe werfen, konnten Erfolge verzeichnet werden. So stieg 1995 erstmals eine nur aus Eigengewächsen bestehende BG‘89-Mannschaft in die dritthöchste deutsche Spielklasse auf. Die ehrgeizige Vereinsspitze reagierte prompt und professionalisierte die Spielgemeinschaft weiter. Herren-Manager Uli Hamelberg gründete einen Förderverein, der zusätzliche Sponsoren an Bord holte. Und zur Saison 97/98 wurde mit dem Wolfenbütteler B-Lizenzinhaber Thorsten Weinhold erstmals ein hauptamtlicher Trainer eingestellt. Seit 2007 bekleidet Roland Senger die Position. Der Osnabrücker macht gerade seine A-Lizenz; sein Trainervertrag mit der BG’89 wurde jüngst für weitere zwei Jahre verlängert. Der 29-jährige ausgebildete Touristikmanager soll in der kommenden Saison nicht zuletzt einen Erfolg des weiblichen U-17-Kaders sicherstellen. Die jungen Frauen sind als einziges Team Niedersachsens mit dabei, wenn die neu ins Leben gerufene Bundesliga Nord dieser Spielklasse an den Start geht. Doch das ist bereits ein Blick nach vorn. Zunächst einmal steht nun der 20-jährige Geburtstag und ein Blick aufs Erreichte auf der Agenda des Vereins, der heute mehr als 20 Teams stellt und rund 200 Mitglieder zählt. Als zentralen Festtag haben sich die Aktiven den Samstag, 22. August, gewählt. Hochkarätige Spiele sowie ab 19.30 Uhr ein offizieller Festakt in der Eichenschule sind vorgesehen. Sportlicher Höhepunkt ist ein Match des Bundesligisten Eisbären Bremerhaven gegen die Cuxhavener BasCats, das um 17 Uhr in der großen Sporthalle in Scheeßel angepfiffen wird. Ein Duell zweier Lokalrivalen – bei manchem älteren Vereinsmitglied dürfte dies Erinnerungen wachrufen. Und auch ein Wiedersehen mit dem einstigen BG‘89-Jugendspieler Jan Lipke bürgt für Nostalgie. Der gebürtige Hamburger hat es geschafft, sein Hobby zum Beruf zu machen und verdient inzwischen als Profi bei den Eisbären seine Fischbrötchen.