In 25 Jahren ist es zu einer Institution geworden, die aus dem kulturellen Leben Scheeßels nicht mehr wegzudenken ist: das Kunstgewerbehaus. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Wümme, Weser, Wattenmeer" mit Werken von Ernst Müller-Scheeßel (1863 - 1936) blickt Christine Behrens auf die Geschichte der Einrichtung zurück. Christine Behrens - auch sie ist eine Institution, ist für das Kunstgewerbehaus der Motor: stets da und immer voller Ideen.
Inzwischen kann Christine Behrens mit ihren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern auf stolze 168 Ausstellungen zurückblicken, mit denen insgesamt 251.839 Besucher erfreut wurden. Durchschnittlich fast 1.500 Besucher pro Ausstellung oder 10.000 Besucher jährlich - das sind Zahlen, die für sich selbst sprechen. Nur so ist es möglich, den erheblichen finanziellen Aufwand zu erwirtschaften, beispielsweise jährlich einen fünfstelligen Betrag für Versicherungen und Wartung der Alarmanlage. Es bedeutet aber auch, dass Christine Behrens und ihre Helfer viele Stunden für die Vorbereitung, die Beaufsichtigung und vor allem für die Führungen in den Ausstellungen investieren. Diese Einsatzbereitschaft, dieses Pflichtbewusstsein sind kein Zufall: Christine Behrens und ihre sechs Geschwister haben sie von ihren Eltern vorgelebt erfahren. Der Vater, Landwirt und Dorfschmied in Rüspel, wurde oft des Nachts von den Bauern zu einer kalbenden Kuh geholt, und auch die Mutter ließ alles liegen, wenn es galt, anderen zu helfen. Als Christine, die als Kind die 300 Heidschnucken des Dorfes hütete, mit 15 Jahren schwer an Kinderlähmung erkrankte, liehen die Eltern überall Bücher für sie zusammen. Selbst besaßen sie keine, dafür waren sie zu arm. Als ihr Mann, Friedrich Behrens, 1974 als Vorsitzender des Heimatvereins mit ehrenamtlichen Helfern daranging, den ehemaligen Schafstall auf dem Meyerhofgelände, damals als Schuppen genutzt, wieder herzurichten, wurde bald klar, dass dies das frühere Kunstgewerbehaus war. 1908 hatte es der Maler Ernst Müller-Scheeßel gegründet, um Gemälde zu zeigen, vor allem aber Möbel, die er wie der Worpsweder Maler Heinrich Vogeler oder der Architekt und Bildhauer Bernhard Hoetger entworfen hatte. Wenn ein Auftrag erteilt wurde, übernahmen Scheeßeler Handwerker die Ausführung. Museum als kollektives Gedächtnis braucht öffentliche Förderung Es war Ehrensache, die erste Ausstellung im liebevoll restaurierten und renovierten Kunstgewerbehaus Ernst Müller-Scheeßel zu widmen. Wie zu Pfingsten 2001 ertrank auch die Eröffnung im Juni 1976 im Regen. Damals konnten die Besucher nur auf Bohlen über das Meyerhofgelände in das Kunstgewerbehaus gelangen. Damals lernte Christine Behrens Anneliese Viebrock aus Hameln kennen, deren Eltern mit Müller-Scheeßel befreundet gewesen waren. Ihr Vater hatte 1904 für 400 Mark das Ölgemälde "Am Sonntag" gekauft, damals viel Geld für einen Lehrer. Nun erhielt Christine Behrens weiterführende Hinweise, unter anderem auf eine Bremer Arztwitwe, die den Maler als Kind noch erlebt hatte und sich an seine bescheidene und fleißige Lebensweise erinnerte. Überhaupt sind es die vielen unvergesslichen Begegnungen, die Chris-tine Behrens bei ihrem Rückblick vor Augen hat, das große Echo, das einzelne Ausstellungen von Anfang an immer wieder weit über den Umkreis Scheeßels hinaus fanden. Es war der damalige Bürgermeister Walter Spiering, der mit regem Interesse in vielen Gesprächen und Besuchen die Entwicklung des Ausstellungsbetriebes im Kunstgewerbehaus begleitete und über den eines Tages der künstlerische Nachlass eines anderen Scheeßelers aus Baden-Baden zurückkehrte: des Graphikers Heinz Fehling (1912 - 1989). Es sollte allerdings 13 Jahre dauern, bis es gelang, die Graphiken zu restaurieren und 1990 einen ansprechenden Katalog zu erstellen. Es gibt aufschlussreiche Schwerpunkte in diesen 25 Jahren Kunstgewerbehaus, in denen Christine Behrens mit Dr. Bernd Küster (heute Direktor des Oldenburger Landesmuseums), mit Irmhild Guthardt von der Eichenschule und mit Dan Groll vom Rotenburger Ratsgymnasium zusammenarbeiten konnte. Heute wird sie unterstützt von der Kunsthistorikerin Astrid Schneider-Kaschke, Bremen. Neben der Bewahrung des Werks von Ernst Müller-Scheeßel und Heinz Fehling gab es Ausstellungen, in denen Werke von in Scheeßel aufgewachsenen Künstlern und Kunsthandwerkern der Gegenwart vorgestellt wurden. Das Museum als kollektives Gedächtnis heißt aber nicht nur erinnern, zeigen, aufmerksam machen. Es bedeutet vor allem auch hüten und erhalten. Wie der Heimatverein Scheeßel als Träger des Kunstgewerbehauses eine große Sammlung von Modeln und Ausrüstungsgegenständen für den Betrieb des Blaudruckspeichers erwerben konnte (Dr. Rosemarie Pohl-Weber, Bremen, verzichtete damals zugunsten Scheeßels), so bemüht er sich seither mit großem Einsatz, Werke von Ernst Müller-Scheeßel zu erwerben. Christine Behrens blickt "unbesorgt und voller Ideen" in die Zukunft Dabei geht es selbstverständlich nicht um Bereicherung des Vereins, sondern darum, die Werke zu pflegen, sie der Öffentlichkeit zu erhalten und zugänglich zu machen. Damit nimmt der Verein eine öffentliche Aufgabe wahr, für die ihm Dank und Unterstützung gebührt. "Ich blicke unbesorgt und voller Ideen in die Zukunft", erklärte Christine Behrens in ihrem Festvortrag. Ideen hat sie weiß Gott reichlich. So soll, was 1997 mit der Ausstellung "Menschenbilder" der Bremer Malerin Edda Jachens begann und im vergangenen Jahr zu der eindrucksvollen Schau "Künstlerisches Schaffen im Alter" führte, in Zukunft wieder aufgenommen werden. Zum Bewahren und Erinnern gehört außerdem ihr Wunsch, das längst begonnene und erweitere Verzeichnis der Werke Ernst Müller-Scheeßels zu komplettieren. In einem Katalog soll’s dann zum hundertsten Geburtstag des Heimatvereins (zu dessen Gründern Ernst Müller-Scheeßel 1905 gehörte) der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Uwe Lehmann