Er war eines der Gesichter des deutschen Fernsehens. Mit seinem besonderem Charme und dem markanten holländischen Akzent ist der 2006 verstorbene Rudi Carrell vielen in guter Erinnerung. In der ARD wird am morgigen Montag, 9. August, 21 Uhr, in der Reihe "Legenden“ ein Film der Hellweger Filmemacherin Heide Nullmeyer ausgestrahlt, der den Showmaster von seiner persönlichen Seite zeigt.
Einen Menschen so zu beleuchten, dass sein Leben, seine Träume und seine Ängste transparent für den Zuschauer werden: Schon viele Male stand Heide Nullmeyer vor dieser Herausforderung. Ihre Filme liefen in ARD-Reihen wie Frauengeschichten oder in der Radio-Bremen-Sendung Höchstpersönlich. Bei dem 45-minütigen Legenden-Film über Carrell jedoch war es noch einmal um einiges schwieriger: Da der Film nach Carrells Tod gedreht wurde, musste sie auf Archivmaterial zurückgreifen und vor allem die richtigen Interviewpartner finden, die ihr dabei halfen, den Entertainer so darzustellen, wie er wirklich war. "Es hat mir sehr geholfen, dass ich 2002 bereits für die Höchstpersönlich-Reihe einen Film über ihn gemacht hatte, für den ich ihn auch persönlich kennengelernt habe“, erzählt Nullmeyer. Eigentlich hat sich die Psychologin vor fünf Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Als Carrell aber Teil der Legenden werden sollte, kam der Sender auf sie zu und fragte, ob sie den Film machen wollte. "Ich habe sofort gesagt, dass ich es sehr gerne mache.“ Das erste Gespräch fand im Dezember statt, die ersten Drehtage standen im Februar an. Zunächst aber galt es, Interviewpartner zu finden. "Normalerweise dürfen es nicht mehr als fünf oder sechs Personen sein“, berichtet die Journalistin. Umso schwerer fiel die Auswahl. Nicht jeder, den Nullmeyer gerne interviewt hätte, sagte zu. Mike Krüger beispielsweise lehnte dankend ab, als sie mit ihm telefonierte. "Es wäre sicher interessant gewesen, schließlich stand er mehrere Jahre lang mit ihm für ‚Sieben Tage, sieben Köpfe’ vor der Kamera.“ Doch in Carrells 50-jähriger Laufbahn arbeitete er mit zahlreichen weiteren Größen zusammen, von denen dann doch einige zusagten. Dazu gehören Alfred Biolek, Jochen Busse, Dieter Pröttel und Thomas Woitkewitsch, der für ihn den Erfolgssong "Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ schrieb. Auch Carrells Tochter Annemieke Kesselaar-Klar und deren Ehemann, Fotograf Dieter Klar, der mit Carrell schon viele Jahre zuvor zusammengearbeitet hatte, standen Rede und Antwort. Für jeden Gesprächspartner hatte Nullmeyer zahlreiche Fragen notiert, die innerhalb von zwei Stunden beantwortet werden mussten. Nicht viel Zeit, um herauszufinden, wie die Person wirklich war. "Ich habe mir vorher sehr viele Gedanken gemacht“, berichtet die Hellwegerin. Zum einen galt es, Fragen zu finden, die nicht suggestiv sind, zum anderen gibt es bei den Legenden die Vorgabe, dass der Interviewer nicht gehört werden darf. Die Personen, die in dem Film zu sehen sind, müssen entspannt ihre Geschichte erzählen. Nullmeyer teilte die Personen nach Kategorien ein – der eine wurde zum Showmenschen Carrell befragt, der andere zu seinen Frauengeschichten. Bereits im Vorfeld muss klar sein, wer sich zu welcher Thematik äußern könnte, denn auch die Sitzposition der Befragten ist für den Film entscheidend. Werden zwei Personen nacheinander gezeigt, dürfen sie beispielsweise nicht beide in der linken Hälfte des Bildes sitzen. "Es gibt einen technischen Trick, sie spiegelverkehrt zu zeigen, besser ist es aber, von vornherein die richtige Einstellung zu wählen.“ So ließ sie Carrells Tochter Annemieke einmal rechts und einmal links sitzen, um ihre Zitate variabel einfügen zu können. Gedreht wurde in Köln und München. Mit jedem geführten Interview wurde das Puzzle Rudi Carrell zusammengefügt. Nullmeyer sammelte lustige aber auch ernsthafte Anekdoten seiner Weggefährten. Zusammen mit Archiv-Ausschnitten und Material von ihrem Höchstpersönlich-Beitrag ist ein Film entstanden, der nach seiner ersten Vorführung vor den TV-Verantwortlichen nicht nur Begeisterung, sondern auch Betroffenheit auslöste. "Als der Film zu Ende war, herrschte Stille“, erinnert sich Nullmeyer. "Zuerst dachte ich: Oh je, jetzt kommt der Verriss.“ Im Gegenteil: Für alle Zuschauer war es ein bewegender Moment. Das Feedback im Anschluss war besser, als Nullmeyer es je erwartet hätte. "Es war ein bisschen so, als ob man realisierte, dass der Mann nie Zeit hatte. Erst in seiner Krankheit konnte er Ruhe finden.“ Zum Gelingen trug auch die Radio-Bremen-Redaktionsleiterin Britta-Susann Lübke bei, die eine Veränderung vorgeschlagen hatte, als der Rohschnitt vorlag. Der Film beginnt mit einer berührenden Szene: Im Februar 2006 erhält Rudi Carrell nach zahlreichen renommierten Preisen für seine vielen erfolgreichen Shows die Goldene Kamera für sein Lebenswerk. Heide Nullmeyer in ihrer Filmbeschreibung: "Abgemagert, aber braungebrannt und wie immer zu Scherzen aufgelegt, bedankt er sich mit hoher dünner Stimme vor allem beim deutschen Publikum, das ihn zum Star gemacht hat. Ein großer Fernseh-Augenblick. Alle wissen, es ist sein letzter Auftritt.“ Sechs Monate später stirbt der Entertainer in einer Bremer Klinik an Lungenkrebs. Der Film erzählt von Carrells Werdegang. Bei seinem Vater Andr' geht er in die Lehre und tritt als Conferencier, Bauchredner und Zauberkünstler auf. Mit einer Sendung nach eigenen Ideen wird er in Holland über Nacht berühmt, gewinnt 1964 die Silberne Rose von Montreux und startet auch in Deutschland durch. Rekord-Einschaltquoten erreichten die von Radio Bremen produzierten Abendunterhaltungssendungen "Die Rudi Carrell Show“, "Am laufenden Band“, "Die verflixte 7“ und "Rudis Tagesshow“. Vor allem "Am laufenden Band“ stellte sich als echte Herausforderung für alle Beteiligten dar. "Es war eine schwierige Zeit, da er Erfolg haben musste. Da kam es schon mal vor, dass er kurz vor Sendebeginn noch mal jemanden rausschmiss, weil er nicht mit der Arbeit zufrieden war.“ Dass sich Carrell von seiner rauen Seiten zeigte, sei häufiger vorgekommen. "Ich habe ihn aber nie so erlebt und mein Mann auch nicht.“ Heide Nullmeyers Ehemann Frank Günther Wedekind ist Kameramann und arbeitete als solcher ebenfalls mit Carrell zusammen. Auch das Privatleben des Entertainers wird beleuchtet. Nullmeyer schreibt: "Die Ehe mit seiner ersten Frau, der Holländerin Truus, aus der die Töchter Annemieke und Caroline stammen, scheitert. Seine große Liebe, die Bremerin Anke Bobbert, erkrankt nach der Geburt des Sohnes Alexander unheilbar an Rheuma. Sie stirbt im Jahre 2000. Carrell blieb an ihrer Seite, hatte aber parallel über 15 Jahre eine Liaison mit Susanne Hoffmann. Als er nach dem Tod von Anke überraschend die wesentlich jüngere Hotelfachfrau Simone heiratet, sind alle fassungslos. Seine langjährige Freundin Susanne Hoffmann stirb bald nach seiner dritten Heirat im Alter von 43 Jahren an einem Gehirntumor. Carrell begleitet sie liebevoll bis zum Tod.“ Heide Nullmeyers ganz persönliches Fazit: "Rudi Carrell hat ein Leben für die Show geführt. Noch kurz vor seinem Tod hat er Interviews gegeben und saß für einen Bildhauer Modell.“ Übrigens: Nicht nur der Film am morgigen Montag ist sehenswert. Am heutigen Sonntag, 8. August, wird um 19.30 Uhr im Regionalprogramm bei Buten un Binnen ein Gespräch von Ulla Hamann mit der Tochter von Carrell, Annemieke Kesselaar-Klar und Heide Nullmeyer gesendet. ------------------------------------------------------------------- Filme und Träume heide Nullmeyer, Filmemacherin, Diplom-Psychologin und Gestalttherapeutin, arbeitete von 1969 bis 2005 als Autorin und Realisatorin für die ARD beim Fernsehen in Bremen. In dieser Zeit gestaltete sie mehr als 100 Filme. Dazu gehörten sozialkritische Dokumentationen, Frauen-Biografien und Prominenten-Portraits. Bekannt geworden ist sie mit ihrer 90-Minuten-Dokumenta-tion "Ich heiße Erika und bin Alkoholikerin“, die auch als Buch erschienen ist. Seit 1990 widmet sich Nullmeyer außerdem der Seminartätigkeit als Psychologin im In- und Ausland mit den Themen Lebensfreude neu entdecken, Miteinander sprechen lernen und Träume verstehen lernen. Seit 1995 arbeitet sie mit der Traumdeuterin Ortrud Grön zusammen, über die sie die Doppel-DVD "Dem Traum des Lebens auf der Spur – Grundlagen der Traumarbeit“ in eigener Regie herausgab. Im kommenden Jahr bietet sie eine regelmäßige Traumgruppe in Hellwege an. Weitere Informationen gibt es unter www.heide-nullmeyer.de.