Zu Besuch bei Barbara Koll, Koordinatorin der Aktion "Hilfe für Tschernobylkinder"

"Bloß nicht wie reiche Verwandte aus Amerika auftreten"

(fho). Tschernobyl ist weit. 1.750 Kilometer liegt es entfernt. Zwei anstrengende Tage ist man mit dem Auto unterwegs auf Straßen mit tiefen Spurrillen und Schlaglöchern. Weichsel, Bug und Dnjepr sind zu überqueren. Tschernobyl ist aber auch ganz nah. Im Haus von Barbara Koll in Schneverdingen.

Draußen vor der Tür parkt ein blauer Kleintransporter. In kyrillischen Schriftzeichen steht auf der Fronthaube "Humanitäre Hilfe". In Wohnzimmer des Einfamilienhauses legt Wolfgang Röhrs zwei dicke Aktenordner auf den Tisch. Sorgfältig abgeheftet auf mehreren hundert Seiten hat er dort die Aufnahmen des letzten Hilfskonvois und der letzten Begegnungsfahrt nach Weißrussland. Rentner Röhrs aus Hemslingen und Hausfrau Koll aus Schneverdingen engagieren sich mit rund 60 anderen Mitgliedern des Kirchenkreises Rotenburg ehrenamtlich in der Arbeitsgemeinschaft "Hilfe für Tschernobylkinder", einer Aktion der evangelischen Landeskirche Hannover. Ein Gespräch darüber kommt allerdings erst stockend in Gang. Was gäbe es zu erzählen, was für die beiden Aktivisten nicht selbstverständlich wäre? Seit 1991 wird für Kinder aus der Region um Gomel ein jeweils vierwöchiger Ferienaufenthalt bei deutschen Gastfamilien organisiert. Hilfskonvois des Kirchenkreises bringen regelmäßig viele tausend Care-Pakete nach Weißrussland. Der letzte Wagentreck beförderte Waren im Wert von 180.000 Euro. Zweimal jährlich werden medizinische Hilfsgüter wie Betten, Babynahrung und Rollstühle an das Krankenhaus in Rogatschow geliefert. In Einzelfallhilfen wird außerdem kranken und behinderten Menschen eine Behandlung in Deutschland ermöglicht. Letzter Fall: Die Operation des siebenjährigen Dima, der an einer extremen Rückgratverkrümmung litt. Jetzt kann er zum erstenmal in seinem Leben Fußball spielen Unschwer lässt sich vermuten, dass alle Aktionen zusammengenommen einen enormen Organisationsaufwand erfordern. Barbara Koll ist für ihre Koordinierung zuständig. Aber sie reagiert fast erschrocken auf die Frage, wie viel Zeit sie dafür aufwendet. "Wir zählen keine Stunden, sondern helfen in der gelebten Nachfolge Jesu Christi", erklärt die gläubige Christin mit größter Selbstverständlichkeit. Dann berichtet sie von einer Welt, in der wenig selbstverständlich ist: Strom und fließendes Wasser nicht, ebenso wenig eine ausreichende medizinische Versorgung. Ständig präsent in Weißrußland ist dagegen die Furcht vor den Folgen des Reaktorunfalles. 16 Jahre ist es her, dass der Reaktorblock IV des Kernkraftwerkes nahe der kleinen ukrainischen Stadt Tschernobyl explodierte und dabei Unmengen an Radioaktivität freisetzte. Längst hat das Weltgeschehen neue Katastrophen und Unglücke produziert: Erdbeben in der Türkei und in Italien, verheerende Kriege im ehemaligen Jugoslawien und gleich zwei Jahrhundertfluten in Deutschland. Aber immer noch leben zwei Millionen Weißrussen, darunter 500.000 Kinder, auf verstrahltem Gebiet. Die Zahl der Krebskranken ist sprunghaft gestiegen. "Man sieht die radioaktive Belastung nicht, man fühlt und schmeckt sie nicht, aber sie ist da und macht die Menschen krank", sagt Barbara Koll. Hilfe ist nach wie vor notwendig. Sie muss aber auch überlegt und mit Fingerspitzengefühl gegeben werden. Barbara Koll: "Wir wollen auf keinen Fall wie der reiche Onkel aus Amerika auftreten". Andererseits wird alles getan, um Missbrauch mit den Hilfsgütern zu vermeiden. Jedes Paket wird direkt ausgeliefert. Der Empfänger muss unterschreiben. Größere Projekte, wie zum Beispiel die Renovierung einer Schule werden erst gestartet, wenn sicher ist, dass sie nicht auch mit eigenen, weißrussischen Mitteln hätten durchgeführt werden können. Der Lohn aller Mühen ist dann vielfach auf dem Fotos von Wolfgang Röhrs zu sehen: Freudestrahlende Kinder und Erwachsene, derer karger, von Armut geprägter Alltag ein wenig leichter wird. Wer selbst helfen möchte, kann Spenden auf folgendes Konto überweisen: Kreissparkasse Rotenburg-Bremervörde, Stichwort "Konvoi Belorus", Konto-Nummer 148668, Bankleitzahl 24151235. Weitere Informationen über die Aktion "Hilfe für Tschernobyl-Kinder" und zum Beispiel auch über die jährlichen Begegnungsfahrten gibt es bei den Kirchenkoordinatoren: Hartmut Ladwig, Glockengießerstraße 17, 27356 Rotenburg, Tel. 04261/2363, Fax: 04261/2367; Barbara Koll, Auf der Lust 19, 29640 Schneverdingen, Tel. 05193/6851, Fax: 05193/ 971620, e-Mail: Barbara_Koll@gmx.de.

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