Fortaleza - Das Familien-Duell, auf das die ganze Fußball-Welt schaute, endete unspektakulär und früher als gedacht.
Nur sechs Minuten nach der Auswechslung des angeschlagenen Jerome Boateng zur Halbzeit des zweiten WM-Gruppenspiels gegen Ghana (2:2) war auch für seinen Halbbruder Kevin-Prince Boateng Schluss. Davor und auch danach gingen sich die Boateng-Brüder regelrecht aus dem Weg.
„Wir haben ein überragendes Spiel gemacht. Das Spiel ging hin und her. Wir hätten gewinnen können, Deutschland hätte gewinnen können. Wir können zufrieden mit dem Punkt sein“, sagte Kevin-Prince Boateng in der ARD, der seinen Bruder kurz vor Spielbeginn begrüßt hatte.
Nach dem Schlusspfiff gab es keine Umarmung und kein Abklatschen zwischen den beiden, Kevin-Prince Boateng suchte stattdessen die Nähe seiner Schalker Vereinskollegen Julian Draxler und Benedikt Höwedes. Auch dem Bundestrainer Joachim Löw gab der gebürtige Berliner höflich die Hand.
Im Spiel hatten sich die Wege von Deutschlands Rechtsverteidiger und Ghanas Mittelfeldstar auch nur ganz selten gekreuzt, vor dem Anpfiff würdigten sie sich ebenfalls so gut wie keines Blickes.
Die beiden direkten Zweikämpfe in der 22. und 31. Minute gewann jeweils der deutsche Abwehrrecke. Kevin-Prince Boateng, der vor dem Anpfiff von seinen Landsleuten einen „Kampf bis aufs Blut“ gefordert hatte, ganz „wie im alten Rom“, blieb insgesamt blass. Der 27-Jährige schien im Offensivspiel des viermaligen Afrika-Meisters sogar etwas isoliert.
Beim Einmarsch ins Stadion hatten sich die charakterlich so unterschiedliche Halbbrüder nicht einmal angeschaut. Kevin-Prince umarmte in den Katakomben des Estadio Castelao zwar einige Leute des DFB-Betreuerstabs, zu seinem Verwandten sah er aber nicht einmal herüber.
Auch beim Abklatschen nach dem Erklingen der Nationalhymnen fiel die Umarmung des Schalke-Stars mit Höwedes herzlicher aus als die mit seinem Halbbruder. Das Aufeinandertreffen war sichtlich eine Belastungsprobe für die Bruderliebe.
„Wir hatten noch keinen Kontakt, jeder konzentriert sich auf sich selbst“, hatte Jerome Boateng schon im Vorfeld verraten. In Zeiten ohne WM telefonieren oder chatten sie fast täglich.
Die anderen deutschen Nationalspieler dürften den ehemaligen Milan-Profi aber nicht nur wegen seiner martialischen Ankündigung auf dem Kieker gehabt haben. Seine Kritik, im deutschen Team fehle es an Typen, „die eine Mannschaft mitreißen können“, dürften Philipp Lahm und Co. ebenso wenig vergessen haben wie sein denkwürdiges Foul an Michael Ballack kurz vor der WM 2010.
Bei dem Endturnier in Südafrika war es am letzten Gruppenspieltag zum ersten direkten Boateng-Duell gekommen. Damals gewann Deutschland 1:0, beide Teams kamen eine Runde weiter. Zudem standen sich beide Boatengs, die noch einen dritten fußballspielenden Bruder haben, auch schon mit ihren Vereinen Bayern München und Schalke 04 gegenüber.
Im Team der Ghanaer war der Bruder-Kampf zuletzt zunehmend ein Reizthema gewesen. „Das ist kein Duell der Boateng-Brüder, sondern ein Spiel Ghana gegen Deutschland“, hatte Flügelspieler Andre Ayew sichtlich genervt gesagt.
Vater Prince wird dagegen mächtig stolz das Spiel vor dem Fernseher verfolgt haben. „Für mich ist es das leichteste Spiel überhaupt“, hatte er der tz gesagt: „Egal, was passiert, ich kann ja nur gewinnen.“
sid