Die Formel 1 muss dringend die Weichen für die Zukunft stellen. Regelwächter und Vermarkter wollen der Rennserie einen neuen Rahmen geben. Das Ziel: günstiger, spannender, einfacher - und irgendwie auch umweltbewusst. Doch der Ausgang der Debatte ist offen.
Berlin (dpa) - Der Machtkampf um die Zukunft der Formel 1 biegt in die entscheidenden Runden ein. Am Dienstag treffen sich in London die Schwergewichte des Renngeschäfts, beschlossen werden soll kaum weniger als eine Revolution für das schnelle Gewerbe.
Auch weil sich die Formel 1 mehr denn je für die teure Raserei rechtfertigen muss, ringen Regelwächter, Vermarkter und Teams um die Grundlagen für einen Fortbestand des PS-Spektakels.
Jean Todt, der Präsident des Weltverbands FIA, kündigte bereits reichlich Bewegung an: «Die Budget-Obergrenze kommt, ein neues Fahrzeugreglement kommt, ein neues Motorreglement kommt, wir werden eine andere Geldverteilung haben.»
Gelten soll der neue Rahmen für die Königsklasse des Motorsports von 2021 an. Die Frist für eine Einigung läuft spätestens Ende Juni ab. Das Ziel ist es, die Kosten für den Rennbetrieb drastisch zu reduzieren, Wettbewerb und Action auf der Strecke zu erhöhen und durch modernere Technologie auch dem Umweltsünder-Vorwurf zu begegnen. Eine deutliche Kurskorrektur scheint dringend nötig.
Immerhin fast die Hälfte der Deutschen hält die Formel 1 für nicht mehr zeitgemäß. Für 47 Prozent der Bundesbürger hat die Rennserie als Sport ausgedient, wie das Meinungsforschungsinstitut YouGov jüngst im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur in einer Umfrage ermittelte. Für lediglich 36 Prozent passt der PS-Zirkus noch in die heutige Zeit. Ein bedenkliches Zeugnis so kurz vor dem 1000. Grand Prix der Geschichte, den die Formel 1 Mitte April in Shanghai inszeniert.
Das will FIA-Boss Todt nicht so stehen lassen. «Generell würde ich festhalten: Ich habe seit Jahren nicht so viel frischen Wind gespürt in der Formel 1», betont der 73 Jahre alte Franzose, der einst als Ferrari-Teamchef die Rekordfahrten des Michael Schumacher dirigierte.
Seit 1950 dreht die Formel 1 bereits ihre Runden. In dieser Saison sind 21 Rennen auf fünf Kontinenten geplant. Die Top-Teams Ferrari, Mercedes und Red Bull geben hunderte Millionen Euro für den Kreisverkehr aus. Kleinere Rennställe sind dauerhaft abgehängt. Das technische Regelwerk ist hoch komplex und für die wenigsten Fans noch verständlich. Günstiger, spannender, einfacher - das ist die Vision der Formel-1-Macher.
Dafür wollen sie ein Etatlimit durchsetzen, das vor allem die großen Teams zu Einschnitten zwingen und einbremsen würde. Weniger aerodynamische Spielereien sollen möglich sein, die Überholchancen auf diese Weise erhöht werden. Doch ob gerade die Branchenriesen da zustimmen? «Wir haben gute Fortschritte gemacht, bewegen uns mit allem in eine generelle Richtung», sagt Formel-1-Chef Chase Carey. Bei den Details indes gebe es «zehn verschiedene Meinungen». Aber: «Es ist nicht einmalig in der Welt, Kompromisse zu finden.»
Die Debatte dürfte heikel bleiben. Nur noch bis Ende 2020 sind die Rennställe durch den Grundlagenvertrag an die Formel 1 gebunden. Red Bull hat zuletzt immer wieder mit einem Ausstieg gedroht, wenn das neue Abkommen nicht den Vorstellungen des Getränke-Konzerns entspricht.
Als saubere Alternative präsentiert sich die vollelektrische Rennserie Formel E. Die Autobauer BMW und Audi sind schon mit einem Werksteam dabei, Porsche und auch Mercedes folgen zur nächsten Saison. Die stromgetriebenen Boliden rasen durch Metropolen wie Hongkong, New York, Rom und Paris - immer auf die grüne Tour. So mancher in der Formel 1 verweist jedoch darauf, dass die Erzeugung des Stroms in Kraftwerken keineswegs so sauber sei, wie es die schöne Werbung für die Formel E glauben machen will.
Mit einem Verbrauch von rund 150 Litern Benzin pro Rennen ist aber auch die Öko-Bilanz eines Formel-1-Boliden eher fragwürdig. Zu kurz gedacht, kontert Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die hohe Effizienz der Motoren und die hoch entwickelten Systeme zur Energierückgewinnung in den Autos seien auch wegweisend für die Serienproduktion, betont der Österreicher. Die Emissionen großer Containerschiffe, der weltweite Flugverkehr, das Plastik in den Meeren - all das sei viel schlimmer für die Umwelt als die Formel 1.
Daheim kann Wolff diese Argumentation auf den Prüfstand stellen. Wie der 47-Jährige zuletzt verriet, schwänzten seine beiden Kinder aus erster Ehe Mitte März die Schule - und beteiligten sich an den weltweiten Protesten vieler junger Menschen für mehr Klimaschutz.