Eine außergewöhnliche Saison ist nun auch für Leverkusen vorbei. Die Krönung bleibt auch in der Europa League aus. Für die Spieler geht es jetzt erst einmal in den Urlaub. Ob der große Star auch 2020/21 noch für Bayer spielt, ist weiter offen.
Düsseldorf (dpa) - Die Spekulationen um seinen heiß begehrten Ausnahmefußballer nahm Peter Bosz mit trockenem Humor: «Ja, ich kann euch mitteilen, dass Kai Havertz nächstes Jahr bei Heracles Almelo spielt.»
Leverkusens Trainer reagierte auf die Frage, ob das Europa-League-Aus gegen Inter Mailand das letzte Spiel des deutschen Nationalspielers für Bayer gewesen sei. Der Scherz des Niederländers mit dem Club aus seiner Heimat, der anders als der FC Chelsea und andere europäische Fußball-Schwergewichte nicht als möglicher neuer Arbeitgeber für Havertz infrage kommt, konnte den Bayer-Frust nach einer Saison der verpassten Chancen jedoch nicht verdecken.
«Wenn man am Ende mit leeren Händen dasteht, ist man natürlich enttäuscht», sagte Bosz nach dem 1:2 gegen die wuchtigen Italiener um Sturm-Kante und Torschütze Romelu Lukaku. «Es war das letzte Spiel, jetzt ist es vorbei. Jetzt realisiert man die Enttäuschung.»
Auch die wohl längste Spielzeit der Vereinsgeschichte, die auf den Tag genau ein Jahr zuvor mit dem 4:1 im DFB-Pokal bei Alemannia Aachen begonnen hatte, endete trotz einiger toller Auftritte und aufregendem Offensivfußball wieder ohne Titel und größere Erfolge. Im DFB-Pokalfinale scheiterte Bayer 04 am FC Bayern München, in der Bundesliga verpasste die Werkself die Champions League auf Rang fünf knapp und den Traum vom Europa-League-Titel am Rhein beendete Inter im Viertelfinale.
«Wir haben eine gute Entwicklung gemacht dieses Jahr, haben guten Fußball gespielt, aber es verpasst, uns zu belohnen», brachte es Kapitän Lars Bender auf den Punkt. Die Qualifikation für die Europa League im kommenden Jahr ist für den Defensivmann nur ein «schwacher Trost». Bender blickte aber auch schon nach vorne: «Das sollte das Ziel sein für den ganzen Verein im nächsten Jahr: Wieder so weit zu kommen und dann noch einen Schritt weiter zu machen.»
Ein Schritt weiter wäre für Leverkusen mal wieder ein Titel. Der letzte große Triumph liegt schon 27 Jahre zurück: 1993 gewann Bayer den DFB-Pokal. «Wir müssen beim nächsten Mal so weit sein, dass wir diese Begegnungen dann auch gewinnen», sagte Innenverteidiger Jonathan Tah mit Bezug auf die entscheidenden Partien, in denen Bayer immer wieder das Nachsehen hat. Für die nähere Zukunft sieht der Plan des 24-Jährigen so aus: «Wir müssen jetzt erst einmal die Köpfe frei bekommen und die Pleite verdauen.» Rund zwei Wochen haben die Profis Urlaub, dann folgen Leistungstests und die Vorbereitung auf 2020/21.
Ob Leverkusens bester Spieler dann noch mithilft, Leverkusen auf die nächste Stufe - sprich Richtung Titel - zu heben, ist nach wie vor sehr fraglich. Havertz soll vor einer Einigung mit dem FC Chelsea stehen, der schon Timo Werner von RB Leipzig nach London gelotst hat. Einen Wechsel vor dem letzten Saisonspiel hatte Bayers Sport-Geschäftsführer Rudi Völler zuletzt ausgeschlossen. Da dieses nun vorbei ist, könnte in den Wechsel-Poker nun schnell Bewegung kommen.
Die Bedingungen sind klar, mindestens 100 Millionen Euro will Bayer für Havertz haben, einen Corona-Rabatt soll es nicht geben. Verlässt Havertz Bayer 04 nach zehn Jahren, ist der Club laut Chef Fernando Carro vorbereitet. Konkrete Ideen für einen möglichen Nachfolger und wohl auch ein oder zwei andere Neuzugänge gibt es bereits.
Doch erst einmal muss Havertz überhaupt wechseln - und das ist trotz vieler Gerüchte und einer vermeintlichen Vollzugsmeldung aus Almelo am Dienstag noch nicht geschehen. Die Niederländer nahmen Bosz' Vorlage gerne auf und begrüßten Havertz scherzhaft auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken mit einem Bild des Offensivkünstlers im Heracles-Trikot und der Überschrift «Herzlich willkommen, Kai».
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