Laut eines Berichts soll Julian Nagelsmann Bundestrainer werden. Trotz seines fußballerischen Fachwissens gibt es Bedenken wegen seiner Zeit beim FC Bayern. Eine Analyse.
München - Es wird wohl zu einem Gigantengipfel zwischen den drei mächtigsten Männern im deutschen Fußball kommen. Am Tegernsee, wo Uli Hoeneß vom FC Bayern südlich von München lebt? Oder in Dortmund, wo BVB-Geschäftsführer und DFB-Vize-Präsident Hans-Joachim Watzke wirkt?
Bundestrainer Hansi Flick entlassen: DFB sucht einen Nachfolger
Mit dabei sein dürfte auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der die deutsche Nationalmannschaft nach der Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick am Dienstag im Länderspiel gegen Frankreich (21 Uhr, hier im Live-Ticker) interimsweise coacht. Als das Aus Flicks am Sonntag (10. September) besiegelt wurde, hatte die Suche nach einem Nachfolger längst begonnen.
Laut Bild soll die Wunschlösung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Julian Nagelsmann sein, Ex-Coach des deutschen Rekordmeisters. Neun Monate vor der prestigeträchtigen EM 2024 im eigenen Land soll der 36-jährige Oberbayer einer zuletzt blutleeren deutschen Nationalmannschaft neues Leben einhauchen. So die Vorstellung. Doch: Ihn würden alte Bayern-Baustellen in dieses schwierige Amt begleiten.
Die Zeit drängt: Die nächsten Länderspiele stehen bereits im Oktober bei einer umstrittenen Nordamerika-Reise gegen die USA (14.10.) und gegen Mexiko (18.10.) an, bevor es am 21. November in Wien gegen Österreich geht. Wäre Nagelsmann wirklich der Richtige, nachdem der junge Trainer im März in München freigestellt wurde? Der FC Bayern sei letztlich eine Nummer zu groß gewesen für den gebürtigen Landsberger, war in der Isarmetropole immer wieder zu vernehmen.
Julian Nagelsmann als Nachfolger von Hansi Flick? Ende beim FC Bayern war nicht gut
Der damalige Vorstandsboss Oliver Kahn sah „unsere Ziele in dieser Saison infrage gestellt, auch über diese Saison hinaus“. Die Mannschaft habe „immer weniger erfolgreich und attraktiv gespielt“, stattdessen habe es „starke Leistungsschwankungen“ gegeben. Dem Vernehmen nach hatte Nagelsmann am Ende Teile der Kabine an der Säbener Straße verloren.
Es ist derselbe Vorwurf, der nun Flick beim DFB gemacht wurde. Brisant: Als Nagelsmann gehen musste, befanden sich mit Serge Gnabry und Leroy Sané zwei Spieler in einem teils gravierenden Formtief, die der deutschen Nationalmannschaft Stabilität geben sollen. Weil sie unter Nagelsmann nicht funktionierten?
Gegen die Japaner war Bayerns Sané nicht nur der einzige Torschütze, sondern auch noch der beste deutsche Spieler auf dem Platz, während Gnabry nichts gelingen wollte. Dass Nagelsmann Sané zum Ende seiner Bayern-Zeit nicht so richtig im Griff hatte, belegen die vielen Verspätungen des 27-jährigen Angreifers bei Treffpunkten des FCB-Teams. Als er einmal zu spät kam, fuhr die Bayern-Mannschaft als Sanktion mit dem Bus sogar ohne Sané für ein Auswärtsspiel zum Sonderflughafen Oberpfaffenhofen.
Folgt Julian Nagelsmann auf Hansi Flick? Ex-Bayern-Trainer beschimpfte Schiedsrichter
Wie die Münchner tz berichtete, stand Nagelsmann bei den Bayern dagegen intern schon länger in der Kritik. Man habe sehr wohl registriert, hieß es in dem Bericht, dass Nagelsmann das Rampenlicht liebe und sich gerne selbst inszeniere. Er stelle sich regelrecht zur Schau. Dass er nach einer 2:3-Niederlage in Gladbach im Februar Schiedsrichter Tobias Welz und dessen Assistenten in den Stadionkatakomben als „weichgespültes Pack“ beschimpft hatte, kam bei den Bossen um Ehrenpräsident Uli Hoeneß ebenso wenig an. Für regelrechte Verwunderung soll er in München mit einem Haifischbecken-Vergleich gesorgt haben.
„Es gibt Trainer, die bringen acht, neun Leute mit zu einem Klub. Das hat auch einen Sinn. Je größer der Klub, umso mehr Haie schwimmen um dich rum. Und da ist es nicht schlecht, wenn du im Schwarm in der Mitte bist und außen sind noch ein paar Pufferfische“, hatte er über seinen großen Trainerstab gesagt. Im Interview mit der Welt am Sonntag kritisierte er zu dieser Zeit zudem ein „extremes Schwarz-Weiß-Denken“ im Profi-Fußball. „Entweder ist es in der Bewertung von außen alles supergut oder alles superschlecht. Dazwischen gibt es nichts“, meinte er: „Sollte der Druck in diesem Geschäft irgendwann so groß werden, dass die Leute fordern, dass ich mich verstellen muss - dann mache ich es nicht mehr.“
Bundestrainer Julian Nagelsmann? Mit Bayern-Star Manuel Neuer kam es zum Bruch
Der Druck bei der auch politisch Aufsehen erregenden Heim-EM 2024 wäre zweifelsohne gigantisch. Brisant wäre ferner, dass es zwischen Nagelsmann und DFB-Torwart Manuel Neuer offenkundig zum Bruch gekommen war, als der damalige FCB-Chefcoach Torwarttrainer und Neuer-Intimus Toni Tapalovic rauswarf, weil dieser angeblich der „Maulwurf“ in der Kabine gewesen sein soll, während er, Nagelsmann, mit einer Bild-Reporterin liiert war. Neuer hatte in den vergangenen Monaten wiederholt bekräftigt, trotz seiner komplizierten Beinfraktur bei der Europameisterschaft im Tor stehen zu wollen.
Vor oder nach Verhandlungen zwischen Nagelsmann und dem DFB stünden indes Gespräche zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und Bayern. Denn: Der Trainer coacht die Münchner zwar nicht mehr, er steht an der Säbener aber noch unter Vertrag, weil man sich offenbar auf keine Abfindung einigen konnte oder wollte. Der Kontrakt läuft sogar noch bis 2026. Heißt: Der DFB müsste eigentlich eine Ablöse zahlen, oder aber der FCB seinen Angestellten - der für sein Gehalt nicht mehr arbeiten darf - freigeben. Genau darüber dürften Hoeneß, Watzke und Völler nun verhandeln. Die drei mächtigen Männer des schwer angeschlagenen deutschen Fußballs. (pm)