Wie sieht Bundesliga-Fußball nach neunwöchiger Corona-Auszeit und nur wenig Teamtraining aus? Das fragten sich viele vor dem 26. Spieltag. Eine Datenanalyse scheint die Sorgen vor dem Neustart zu widerlegen.
Düsseldorf (dpa) - Von wegen Rumpelfußball zum Abgewöhnen. Die Corona-Folgeschäden haben sich beim Bundesliga-Neustart kaum auf das Spiel ausgewirkt. Diesen Eindruck verstärken auch die Daten zum ersten Spieltag nach der neunwöchigen Zwangspause.
Höhere Laufleistung und Laufintensität, mehr effektive Spielzeit und weniger Fehlpässe - das ergab eine datengestützte Auswertung des Instituts für Spielanalyse in Potsdam. «Das Drumherum war richtig komisch, aber das Spiel nicht. Ich habe nie gedacht, dass ohne Zuschauer die Qualität leidet», sagte Freiburgs Coach Christian Streich.
Alle Sorgen also unbegründet? Immerhin setzten viele Trainer zum Wiederbeginn auf Nummer sicher und schickten deutlich erfahrenere Teams auf den Rasen. Der Spektakel-Faktor war vielleicht auch deshalb etwas geringer. In den neun Partien verzeichneten die Analysten weniger Offensivaktionen und Tore als im Durchschnitt an den 25 Spieltagen zuvor.
ERFAHRUNG: Zwölf von 18 Trainern gaben mehr erfahrenen Spielern den Vorzug als bisher in der Saison. Am deutlichsten war der Unterschied bei Hertha BSC, was mit dem Trainerwechsel zu tun haben könnte. Der neue Berliner Coach Bruno Labbadia schickte eine Startelf ins Rennen, die insgesamt fast 500 Bundesligaspiele mehr Erfahrung (1453 Spiele) mitbrachte als die Hertha-Elf im Schnitt unter Labbadias Vorgängern Ante Covic, Jürgen Klinsmann und Alexander Nouri (970 Spiele). Mit Erfolg: Hertha gewann auswärts mit 3:0 bei 1899 Hoffenheim. Eine generelle Aussage lässt sich aber nicht ableiten: Dreimal siegten Teams mit mehr Erfahrung, aber es gab auch drei Niederlagen und drei Remis trotz mehr Routine im Team.
ATHLETIK/DYNAMIK: Den von vielen Experten befürchteten Einbruch in Sachen Laufbereitschaft oder Laufpensum gab es nicht. Im Gegenteil, offenbar wurde auch in der Corona-Pause gut gearbeitet: Die mittlere Laufleistung pro Mannschaft war mit 116 Kilometern exakt auf dem Niveau der bisherigen Spielzeit. Die Werte bei «intensiven Läufen» waren mit 702 (zuvor im Schnitt 686), bei Sprints mit 220 (219) und Tempoläufen mit 482 (467) sogar besser. Ein mögliche Erklärung ist die Erlaubnis, pro Team fünfmal statt wie bisher dreimal zu wechseln. Die Trainer machten von der Regel reichlich Gebrauch. Insgesamt gab es 79 von 90 möglichen Auswechslungen. Nichtsdestotrotz merkte Kai Havertz nach dem 4:1 in Bremen am Montag an: «Man merkt natürlich, dass eine sechswöchige Pause schon ein bisschen in den Beinen steckt. Es war wie ein Testspiel vor der Saison.»
EFFEKTIVE SPIELZEIT: Es wurden weniger und auch kürzere Unterbrechungen verzeichnet. Die effektive Spielzeit stieg pro Spiel um mehr als zwei Minuten von 55,6 Minuten auf 57,7 Minuten. Dies könnte auf weniger Fouls, weniger Theatralik und Reklamationen bei Schiedsrichter-Entscheidungen oder auch den fehlenden Einfluss der Fans bei den Geisterspielen zurückzuführen sein. Die Gleichung: Weniger Emotionen bedeuten mehr Fußball.
SAFETY FIRST: Die Teams setzten zum Re-Start erstmal auf Sicherheit. Das zeigt auch die größere Anzahl der Pässe von 883 (zuvor: 830) und die geringere Fehlpass-Quote. Am 26. Spieltag kamen pro Partie im Schnitt 84,4 Pässe an, 83 waren es zuvor. Vor allem zwischen der 61. und 75. Minute war die Passgenauigkeit mit 86 Prozent signifikant höher als im Vergleichszeitraum (83 Prozent). Das könnte auf eine mentale Frische und erhöhte Konzentration der Spieler, aber auch auf eine geringere Risikobereitschaft hindeuten. «Ganz ordentlich» fand Gladbach-Profi Jonas Hofmann die spielerische Leistung seines Teams beim 3:1 in Frankfurt: «Wir haben schön von hinten rauskombiniert, was nicht so selbstverständlich ist nach 66 Tagen Pause.»
OFFENSIVAKTIONEN/TORE: Zwar gab es weniger Tore (27) als an den zurückliegenden Spieltagen im Schnitt (29,1). Aber das kann Zufall sein, weil es stets Schwankungen gibt. Interessanter sind die Daten zu den Offensivaktionen. Hier ist ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen: Insgesamt zählten die Statistiker nur 219 Torschüsse (240 im Schnitt waren es zuvor). Deutlich weniger Offensivaktionen und Tore gab es insbesondere in den Schlussphasen der Partien zwischen der 76. und 90. Minute.
Auffällig war zudem, dass nur sechs Tore (22 Prozent) aus Umschaltsituationen fielen. Zuvor waren es im Mittel 8,8 Tore. Drei Kontertore des Spieltags gingen allein auf das Konto des BVB beim 4:0 gegen die überrumpelten Schalker. Zwölf der 27 Treffer (45 Prozent) wurden in Offensivphasen erzielt, neunmal (33 Prozent) trafen die Spieler nach einer Standardsituationen.