Berlin ist seit kurzem Corona-Risikogebiet. Nichtsdestotrotz beharrt der 1. FC Union auf Fans im Stadion. Eine Position, die für immer mehr Kritik sorgt. Der Kultklub droht seine Sympathien zu verspielen.
- Die Corona-Zahlen in Berlin steigen.
- Können damit noch Bundesligaspiele vor Fans stattfinden?
- Union Berlin* sagt: Ja, unbedingt! - und bekommt dafür heftigen Gegenwind.
Berlin - Der 1. FC Union Berlin ist anders. Anders als so viele Klubs im Hochglanzprodukt Profifußball. Der Traditionsverein aus Köpenick, dessen treue Fans einst sogar am Stadionbau beteiligt waren, will sich bewusst als Gegenstück des modernen Fußballs präsentieren. Das brachte den „Eisernen“ in der Vergangenheit viel Sympathien ein. Doch ist der Bundesligist* nun zu weit gegangen?
Union Berlin: Der Kultklub geht gern andere Wege - auch in der Corona-Pandemie
Beim 1. FC Union scheint der „echte Fußball“ noch spürbar. Auf dem Platz durch kämpferischen Einsatz der Spieler und daneben durch das Anders-Sein gegenüber dem großen Rest der Liga. Statt teuren Sitzplatztickets gibt es in der Alten Försterei, der Heimspielstätte der Berliner*, überwiegend Stehplätze. Darüber hinaus positioniert sich Union immer wieder gegen die aktuellen Entwicklungen rund um die voranschreitende Kommerzialisierung des populärsten Sports des Globus. 2018 veröffentlichte der 1906 gegründete Verein das Arbeitspapier „Kurswechsel für den deutschen Profifußball“, dort heißt es unter anderem: „Der Profifußball entfernt sich von denen, die ihn ausmachen - den Menschen.“
In Zeiten der Corona-Pandemie begründet sich diese Abkehr nun durch einen weiteren Aspekt - den (teils) fehlenden Zuschauern. Nachdem monatelang überhaupt keine Fans in den Arenen zugelassen waren, sind es nun immerhin wieder 20 Prozent der Stadionkapazität. Vorausgesetzt die Infektionslage vor Ort lässt es zu. Union stellte bereits früh klar, so bald wie möglich wieder vor Zuschauern spielen zu wollen. Um jeden Preis?
Union Berlin: Infektionslage in der Hauptstadt angespannt - FCU beharrt auf Fans
Als im März sämtliche Bundesligaspiele ohne Zuschauer ausgetragen werden sollten, gaben die Berliner bekannt, ihr Heimspiel gegen den FC Bayern wie geplant vor Fans über die Bühne gehen lassen zu wollen. In Zeiten, in denen das Virus noch unbekannt und die Situation schwer einzuschätzen war, sorgte diese Position bereits für Kritik. Letztlich wurden ohnehin alle Partien abgesagt und ab Mai nachgeholt - in Form von Geisterspielen*.
Nun fünf Monate später sind die Infektionszahlen auf ähnlichem Niveau, Zuschauer allerdings wieder erlaubt. In Berlin sind es bei Veranstaltungen im Freien bis zu 5.000. Weil seit Oktober die Corona-Zahlen vor Ort jedoch rasant in die Höhe schnellen, mehren sich die Stimmen gegen Spiele mit Fans in der Hauptstadt. Berlin hat sich zu einem Covid-19-Brennpunkt Deutschlands entwickelt und gilt als Risikogebiet. Auch die Politik hat deshalb ihre Regeln verschärft. Laut der neuen Infektionsschutzverordnung sind Gesänge in Berliner Fußballstadien untersagt. Fans der „Eisernen“ sollen diese Verordnung jedoch ignoriert haben, berichtet der Berliner Tagesspiegel.
Union Berlin: „Ego-Show“ und „Wendler des Fußballs“ - FCU sorgt wegen Corona-Strategie für Empörung
Von Seiten Union Berlins beharrt man indes weiterhin darauf, vor den eigenen Anhängern aufzulaufen. So auch beim belanglosen Testspiel gegen Zweitligist Hannover 96 unter der Woche, das 1.795 Fans im Stadion verfolgten. Wegen diesem Duell, dass die Mannschaft von Urs Fischer souverän mit 4:1 gewann, stehen die „Eisernen“ in der Kritik. Wie kann man zu diesem irrelevanten Testspiel Fans ins Stadion lassen, so der Tenor in den sozialen Medien. Fans und Journalisten kritisieren eine „Ego-Show“, in der es durch Ticketeinnahmen auch ums Finanzielle gehen soll.
Union Berlin, dieser kultige Club, der überall für seine Haltung etc gefeiert wird. Ein Wahnsinn, dass die heute bei den Berliner #Corona Zahlen Leute ins Stadion lassen. Da gehts dann auch bei denen nur ums Geld und die Ego-Show. #FCUH96
— Christian (@texterstexte) October 8, 2020
Angesichts der Worte Michael Wendlers wird sogar ein Vergleich zum Schlagersänger gezogen. Der 48-Jährige polarisierte vor kurzem mit wirren Aussagen zum Coronavirus*.
Union Berlin - der Wendler unter den Fußballclubs.
— Günter Klein (@guek62) October 9, 2020
Union Berlin: Ist es schlau, trotz steigender Fallzahlen Fans ins Stadion zu lassen?
Union berief sich in der Vergangenheit gerne darauf, im weniger stark von Covid-19 betroffenen Bezirk Treptow-Köpenick beheimatet zu sein. Über die Sinnhaftigkeit dieser Argumentation konnte man schon vorher streiten, nun steigen die Zahlen in ganz Berlin und sind dem entscheidenden Inzidenz-Wert von 50 ganz nahe (in einigen Bezirken liegt der Wert bereits seit Tagen darüber). Die „Eisernen“ wollen den Fußball zu den Menschen bringen - eine sympatische Position. Ob die aktuelle Pandemie-Lage jedoch den richtigen Zeitpunkt darstellt, darf bezweifelt werden. (as) *tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks