Für Torwart Loris Karius könnte sein Slapstick-Auftritt im Finale der Champions League zum Anfang vom Ende seiner Karriere beim FC Liverpool werden.
Kiew - Nach einer Nacht des Herumwälzens, voller Selbstzweifel und Vorwürfe meldete sich Loris Karius schwermütig zu Wort. "Ich habe immer noch nicht wirklich geschlafen. Die Szenen spuken wieder und wieder in meinem Kopf herum", twitterte der Unglücksrabe des FC Liverpool am Sonntagnachmittag - fast 20 Stunden nach seinen folgenschweren Patzern im Champions-League-Finale gegen Real Madrid (1:3).
Er sei untröstlich, schrieb Karius, er habe die Mannschaft, die Fans, die Betreuer, einfach alle im Stich gelassen: "Ich würde zu gerne die Zeit zurückdrehen, aber das ist nicht möglich." Denn in der BBC hatte die Reds-Ikone Mark Lawrenson längst auf den Punkt gebracht, was fast alle in England denken. "Es tut mir leid für ihn. Aber ich sehe momentan nicht die Chance, dass er beim FC Liverpool bleiben kann", sagte der ehemalige irische Nationalspieler mit Blick auf die Zukunft des deutschen Torhüters.
Haven’t really slept until now... the scenes are still running through my head again and again... I'm infinitely sorry to my teammates, for you fans, and for all the staff. I know that I messed it up with the two mistakes and let you all down... pic.twitter.com/w9GixPiQDC
— Loris Karius (@LorisKarius) 27. Mai 2018
...As I said I'd just like to turn back the time but that's not possible. It's even worse as we all felt that we could have beaten Real Madrid and we were in the game for a long time...
— Loris Karius (@LorisKarius) 27. Mai 2018
...Thank you to our unbelievable fans who came to Kiev and held my back, even after the game. I don't take that for granted and once again it showed me what a big family we are. Thank you and we will come back stronger.
— Loris Karius (@LorisKarius) 27. Mai 2018
Medien, Experten und Kritiker in den sozialen Netzwerken kannten nach den Aussetzern des Keepers bei den Gegentoren durch Karim Benzema (51.) und Gareth Bale (83.) jedenfalls keine Gnade. "Karius schenkt Real Madrid den 13. Champions-League-Titel", schrieb die spanische Zeitung Sport. Der englische Independent sah "Torwartfehler für die Ewigkeit". Und für den italienischen Corriere della Sera war "das, was Karius angestellt hat, auf diesem Niveau unerhört".
Liverpools Teammanager Jürgen Klopp richtete sich schon gleich nach dem Spiel mit einem Rat an seinen Schützling. "Die Leute werden darüber reden und darüber schreiben. Am besten, man liest das nicht und macht irgendwann weiter", sagte der Coach bei Sky.
Das Befolgen des Ratschlags dürfte Karius schwer fallen - auch wenn er es versuchen will. "Es ist sehr hart, aber so ist das Leben eines Torwarts", sagte der frühere Keeper des Bundesligisten FSV Mainz 05: "Du musst den Kopf wieder hochnehmen."
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Ob ihm das gelingt, scheint fraglich. "Ich kann mich nicht erinnern, aus Torwartsicht etwas Brutaleres gesehen zu haben", sagte der frühere Nationaltorhüter Oliver Kahn in seiner Rolle als ZDF-Experte: "So ein Abend kann eine Karriere zerstören. Das wieder aus dem Kopf zu bekommen - das ist tagtägliche Arbeit."
Seine tägliche Arbeit wird Karius vielleicht bald nicht mehr in Liverpool verrichten - trotz eines Vertrags bis 2021. Selbst Klopp weiß, dass der ohnehin umstrittene Keeper künftig einen schweren Stand haben wird. "Manche Leute sind sicher doof genug, ihm das immer wieder aufs Brot zu schmieren", sagte der 50-Jährige. Diese Aussage dürfte die Spekulationen über eine Verpflichtung des Brasilianers Alisson von AS Rom befeuern.
Ohnehin war Karius nicht als Stammtorwart in die Saison gegangen. In der Premier League spielte zunächst Simon Mignolet, der gebürtige Biberacher durfte "nur" in der Champions League ran. Erst Mitte Januar kehrte Karius für das Topspiel gegen Manchester City (4:3) in der Liga ins Tor zurück und war fortan die Nummer eins.
In der öffentlichen Wahrnehmung wurde die Torhüterposition aber weiterhin als Großbaustelle angesehen. Und spätestens seit Samstag sind die Ziele für Karius ("Ich will über Jahre hinweg Stammkeeper in Liverpool sein und in die Nationalmannschaft kommen") in weite Ferne gerückt.
sid