Lissabon - Trotz eines Patzers von Nationalspieler Sami Khedira hat Real Madrid als „Erbe“ von Bayern München zum zehnten Mal Europas Fußball-Thron bestiegen und sich den Traum von „La Décima“ erfüllt.
„La Décima“ ist perfekt! In einem hoch dramatischen Champions-League-Finale hat Real Madrid mit Sami Khedira den ersehnten zehnten Titel auf Europas Fußballbühne eingefahren. Die großen Helden im Stadtduell gegen Außenseiter Atlético waren beim 4:1 (1:1, 0:1) nach Verlängerung aber nicht Rückkehrer Khedira oder Superstar Cristiano Ronaldo. Der überragende Bayern-Schreck Sergio Ramos (90.+3) führte Real noch in die Verlängerung. Gegen einen entkräfteten Kontrahenten sorgten dann 100-Millionen-Euro-Mann Gareth Bale in der 110. Minute, der eingewechselte Marcelo (118.) und doch noch Ronaldo per Foulelfmeter (120.) für den Triumph im ersten Lokalduell um den Henkelpokal.
Atlético hatte nach dem Tor von Diego Godín (36.) am Samstagabend vor 60 976 Zuschauern im Estádio da Luz in Lissabon schon wie der sichere Sieger ausgesehen - wurde aber durch den späten Ausgleich von Ramos und die K.o.-Treffer von Bale, Marcelo und Ronaldo aus allen Träumen gerissen. Trainer Carlo Ancelotti erfüllte seine Mission und ist zudem der erste Trainer, der dreimal die Champions League gewinnen konnte.
„Es ist einfach unglaublich. Wir sind übergücklich. Wir haben bis zum Schluss gekämpft. Das Tor war nicht nur ein Tor von mir, es war ein Tor von uns allen. Wir haben es am Ende verdient. Wir sind sehr, sehr glücklich“, sagte Ramos. „Sie haben noch das 1:1 geschossen und dann haben sie dominiert und verdient gewonnen. Wir haben alles gegeben, alles versucht. Irgendwann ist die Kraft zu Ende“, sagte Atlético-Kapitän Gabi.
Khedira stand sechs Monate nach seinem Kreuzbandriss erstmals wieder in einem wichtigen Spiel in der Startformation und erlebte zunächst einen Abend der gemischten Gefühle. Mitschuldig am Gegentor und ausgewechselt nach einer knappen Stunde verlief das Finale für ihn persönlich durchwachsen. Er wird jedoch als glücklicher und zufriedener Champions-League-Sieger am Montag ins DFB-Trainingslager nach Südtirol reisen. Aber auch die portugiesischen WM-Auftaktgegner Ronaldo, Fabio Coentrao und Pepe fliegen mit einem Positiverlebnis nach Brasilien.
Das Atlético-Team von Trainer Diego Simeone konnte eine tolle Saison nicht krönen. Nach dem spanischen Meistertitel kam in der Champions League die erste Niederlage im Finale - inklusive schmerzhafter Erinnerung an 1974, als der FC Bayern spät zum Ausgleich kam und in einem Wiederholungsspiel den Titel entriss. Mit Kampf und Leidenschaft schien der Lokalrivale und Bezwinger von Schalke 04, Borussia Dortmund und Bayern München im spanischen Duell schon in die Knie gezwungen - doch dann schlugen die Königlichen zurück.
Als die Aufstellungen verkündet wurden, war klar: Es war personell viel gepokert worden in den vergangenen Tagen. Bei Real stand nicht nur Khedira in der Startelf. Auch Ronaldo, Karim Benzema und Bale meldeten sich - wer hätte es auch anders erwartet - fit. Bei Real fehlte nur Verteidiger Pepe. Bei Atlético lief Diego Costa trotz Oberschenkelverletzung auf. Doch die Wunderheilung war nach neun Minuten passé. Der Toptorjäger musste schnell wieder raus und wurde durch Adrian Lopez ersetzt.
Atlético erholte sich schnell von diesem Dämpfer und erfüllte alle Vorhersagen. Mit Aggressivität wurde die individuelle Klasse Reals bekämpft. Wie viel Emotionen in diesem Stadtduell lagen, wurde in der 27. Minute klar, als Raul Garcia Reals Angel di Maria rüde von den Beinen holte. Ramos war gleich zum Handgemenge zur Stelle und sah wie Garcia von Schiedsrichter Björn Kuipers die Gelbe Karte.
Der folgende Freistoß - in die Arme von Atlético-Torwart Thibaut Courtois - war die einzige beachtenswerte Szene des insgesamt enttäuschenden Ronaldo. Richtig gut war die Möglichkeit für Bale (32.). Doch der Waliser verzog nach einem seiner Supersprints knapp.
Pressestimmen: "Der nackte Real-Wahnsinn"
Und Khedira: Der Deutsche war auf der Sechserposition phasenweise sehr präsent, leistete sich aber auch einige Fehlpässe und kam beim Gegentor gegen Godín zu spät. Der Verteidiger übersprang Khedira im Kopfballduell und nutzte den krassen Stellungsfehler von Real-Torwart Iker Casillas. Der versuchte den Ball dann noch vor der Linie abzufangen, doch für die Entscheidung bedurfte es keiner Torlinientechnik.
Real wirkte konsterniert. Lopez (41.) bot sich gleich noch eine gute Kopfballchance. Khedira sah kurz vor dem Halbzeitpfiff nach einem Foul an David Villa die Gelbe Karte. Nach der Pause musste Real kommen. Und Ronaldo kam. Ein Freistoß, ein Abstauber und ein Kopfball zwischen den Minuten 53 bis 55 sollten das Signal sein.
Khedira durfte nicht mehr mitwirken. In der 59. Minute wurde er durch Isco ersetzt - es fehlten doch noch Kraft und Frische. Mit der Trainigsjacke bis zum Mund hochgezogen saß er auf der Ersatzbank und sah eine große Kopfballchance für Ronaldo (61.), einen Distanzschuss von Bale (73.), eine energische wie spannende Schlussphase. Und den erlösenden Ausgleich per Kopfball von Ramos.
Real war in der Verlängerung frischer und mental verständlicherweise begünstigt. Atlético kämpfte weiterhin aufopferungsvoll wurde aber durch die Tore von Bale, Marcelo und Ronaldo viel zu hoch bestraft.
dpa
Real gewinnt Champions-League-Finale: Bilder
Real Madrid - Atletico Madrid 4:1 (0:1, 1:1) n.V.
Real: Casillas - Carvajal, Ramos, Varane, Coentrao (59. Marcelo) - Khedira (59. Isco) - Modric, Di Maria - Bale, Benzema (79. Morata), Ronaldo. - Trainer: Ancelotti
Atlético: Courtois - Juanfran, Miranda, Godin, Filipe Luis (83. Alderweireld) - Tiago, Gabi - Garcia (66. Sosa), Koke - Costa (9. Adrian), Villa. - Trainer: Simeone
Schiedsrichter: Björn Kuipers (Niederlande)
Tore: 0:1 Godin (36.), 1:1 Ramos (90.+3), 2:1 Bale (110.), 3:1 Marcelo (118.), 4:1 Ronaldo (120., Foulelfmeter)
Zuschauer: 60.976 (ausverkauft)
Beste Spieler: Modric, Ramos - Gabi, Godin
Gelbe Karten: Ramos (3), Khedira, Marcelo (2), Ronaldo, Varane (2) - Garcia (4), Miranda (2), Villa, Juanfran (5), Koke (3), Gabi (4), Godin (2)