Lens - Nicht schön, aber erfolgreich: Mit einer Defensivtaktik hat Portugal die als Mitfavorit geltenden Kroaten aus der EM geworfen. Das Achtelfinale bot nur in den Schlussminuten der Verlängerung Spannung und Spektakel.
Mit einem ganz späten Tor hat Ricardo Quaresma Portugal ins Viertelfinale der Fußball-EM geschossen und das Turnier für die bislang so starken Kroaten abrupt beendet. Nach Vorarbeit von Superstar Cristiano Ronaldo traf der eingewechselte Stürmer am Samstagabend in Lens in der 117. Minute eines enttäuschend langweiligen Spiels zum 1:0 (0:0)-Sieg nach Verlängerung.
„Wir haben heute einen ganz starken Gegner geschlagen. Und das, obwohl wir vorher 24 Stunden weniger Zeit zur Regeneration hatten. Das ist das Ergebnis unseres tollen Teamspirits - und von sehr viel harter Arbeit“, sagte der starke Abwehrchef Pepe. In der Runde der besten Acht treffen die Portugiesen am Donnerstag auf Polen, die hoch gehandelten Kroaten um Regisseur Luka Modric, Ivan Rakitic und Co. müssen dagegen heimreisen. Torwart Danijel Subasic meinte: „Ich denke, wir waren die bessere Mannschaft heute. Aber das ist Fußball. Wenn man seine Chancen nicht nutzt, kann so etwas passieren.“
Kroatiens Trainer Ante Cacic befand: „Wir hatten mehr Ballbesitz, wir hatten die besseren Chancen. Aber manchmal reicht das nicht - auch das macht den Fußball ja so populär.“ Portugal traut er nun zu, sogar das Finale zu erreichen. So weit mochte der eingewechselte Renato Sanches nicht blicken: „Wir müssen in diesem Turnier weiter Spiel für Spiel sehen. Dann sehen wir, was dabei noch herauskommt.“
Weil Modric und Torjäger Mario Mandzukic nach ihren Verletzungspausen wieder zur Verfügung standen, konnte Cacic die gleiche Startformation wie in den ersten beiden Vorrundenpartien aufbieten. Insgesamt gab es gleich fünf Veränderungen im Vergleich zum 2:1-Sieg gegen Spanien.
Portugals Trainer Fernando Santos setzte angesichts der bisher starken Leistungen der Kroaten und des unbefriedigenden eigenen Auftretens mit neuem Personal auf eine defensive Taktik, die aufging. Erstmals in diesem Turnier kamen die Kroaten kaum ins Spiel. Im Zentrum engte Adrien Silva die Kreise von Modric ein, der oft tief in der eigenen Hälfte versuchen musste, das Spiel aufzubauen. Auch Rakitic konnte vor 33 523 Zuschauern kaum Akzente nach vorn setzen.
Weil die Portugiesen wenig riskierten, fand Ronaldo keine Bindung zur Partie. Statt des erhofften Fußball-Festes gab es somit fast keine Torszenen. Ein Kopfball von Pepe über das Tor in der 25. Minute und ein Schussversuch des agilen Ivan Perisic aufs kurze Eck (30.) waren in der ersten Halbzeit die einzigen gefährlichen Momente. Der frühere Bundesligaprofi Perisic hatte sich das rot-weiß Schachbrettmuster der kroatischen Fahne in einen Teil der Haare sprühen lassen.
Marcelo Brozovic schoss sieben Minuten nach Wiederbeginn über das Tor, nachdem die Portugiesen bei einer kurz ausgeführten Ecke nicht aufgepasst hatten. Kurz zuvor kam der Neu-Münchner Renato Sanches in die Partie, um die Offensive des EM-Finalisten von 2004 zu beleben - ohne Erfolg. In Führung hätten dafür die Kroaten gehen können, als Innenverteidiger Domagoj Vida knapp am Pfosten vorbei köpfte (62.).
Auf der Gegenseite hätte es dafür auch Elfmeter geben können, als Nani bei einem Abwehrversuch von Ivan Strinic getroffen wurde. In seinem 100. Länderspiel war Nani auf der rechten Seite aktiver als der kaum beteiligte Ronaldo über links. Nachdem Kroatien besser aus der Kabine gekommen war, hatten die Portugiesen das Geschehen gegen den WM-Dritten von 1998 danach wieder gut im Griff.
Allerdings: Ihr wahres Gesicht, vor dem Kroatiens Trainer Cacic angesichts von mageren drei Unentschieden in der Vorrunde gewarnt hatte, zeigten Ronaldo und seine Kollegen vier Jahre nach dem knapp verpassten EM-Endspiel erneut nicht. Stattdessen verflachte das Niveau auf beiden Seiten immer mehr, erst die zweite Hälfte der Verlängerung bot wieder Aufregendes. Sekunden, nachdem Perisic per Kopf nur den Pfosten getroffen hatte, staubte der eingewechselte Quaresma nach Ronaldos Schuss zum umjubelten Sieg ab. Die letzte Chance der Kroaten vergab Vida Sekunden vor dem Abpfiff.
dpa