Paris - Viele Mannschaften wissen aufgrund des Modus gar nicht, was sie im letzten Gruppenspiel erreichen müssen. Auch die Fans sind ratlos - und müssen teils tagelang auf Klarheit warten.
Däumchen drehen - und was dann? Die "Bläh-EM" mit ihrem neuen Modus stellt Mannschaften und Fußball-Fans auf eine harte Probe. Gefragt sind Geduld und mindestens Grundkenntnisse in Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die komplizierte Arithmetik führt bei Albanien sogar dazu, dass Spieler und Trainer sich tagelang auf ein Spiel vorbereiten, das sie möglicherweuse gar nicht spielen.
"Früher wusste man: Wenn man Erster wird, spielt man gegen den Zweiten der Gruppe B, C oder D. Jetzt weiß man fast gar nichts", sagt Bundestrainer Joachim Löw. Tatsächlich können auch er und sein Stab vorerst nur mit Zahlen und Buchstaben jonglieren, weil die neue Teilnehmerzahl von 24 Mannschaften für ein Durcheinander sorgt. Nicht nur Löw klagt: "Ein Rückgang wird nicht mehr möglich sein."
Besonders ratlos schauen die Gruppendritten aus der Wäsche. Nur die vier besten der sechs Dritten kommen weiter, das bedeutet: Albanien als Dritter der Gruppe A muss seit Sonntag warten, um zu erfahren, ob das Team überhaupt im Turnier bleibt. Auch für die Fans heißt das: Erst mal weiter das Hotel bezahlen. Und dann vielleicht doch Heimfliegen.
"Ja, Albanien ist auf Stand-by, es muss in Frankreich bleiben und bis Mittwoch warten", sagte UEFA-Wettbewerbsdirektor Giorgio Marchetti am Montag, sieht auch für die Fans aber kein Problem: "Es gibt viele, die an- und abreisen. Frankreich ist ein gut zu erreichendes Land."
Wie eine Buchstabensuppe
Besonders verwirrend ist die Verteilung der vier besten Gruppendritten auf die Achtelfinal-Begegnungen. Die Grafik in den entsprechenden UEFA-Regularien ähnelt einer ausgeschütteten Buchstabensuppe: "A-B-C-F", "B-C-D-E", "B-D-E-F" - es gibt 15 verschiedene Möglichkeiten, nach denen die vier Gruppendritten vier Gruppenersten zugeteilt werden.
Ganz nebenbei ist der Quervergleich der Gruppendritten auch sportlich fragwürdig. Drei Punkte in einer "Todesgruppe" können wesentlich schwieriger zu erreichen sein als vier Zähler gegen Fußball-Zwerge. Doch was am Ende zählt, sind die Punkte - und dann Tordifferenz, erzielte Tore, Fair-Play-Verhalten, UEFA-Koeffizient.
Als sei dies alles nicht schon kompliziert genug, droht auch noch Wettbewerbsverzerrung. Das beste Beispiel ist die WM 1986, an der ebenfalls die "krumme" Zahl von 24 Teams teilnahm: Am letzten Tag der Vorrunde wusste Uruguay schon vor Anpfiff, dass ein Remis reichen würde, um zu den besten Dritten zu gehören. Das Spiel gegen Schottland endete, Überraschung, 0:0. Andere Mannschaften hatten diesen Vorteil nicht.
"16 Mannschaften waren ideal, das war top", sagt Bundestrainer Löw, es habe "klasse Begegnungen vom ersten Spieltag" an gegeben. Und nun? Heißt es Warten und Rechnen. "Manche Mannschaften, die nach zwei Spielen einen Punkt haben, haben noch Chancen. Das finde ich vielleicht nicht ganz so gerecht", sagt Löw: "Aber das muss man so hinnehmen."
sid