Paris - Hierzulande ist sie Frankreichs vielleicht bekanntester, auf jeden Fall aber charmantester Exportartikel: Nathalie Licard (52). Durch die Harald Schmidt Show machte sich die Moderatorin, die Literatur studiert hat, einen Namen.
Zur EM ist sie als Co-Moderatorin beim EM-Doppelpass auf Sport1 im Einsatz, so auch wieder ab 11 Uhr am Sonntag. Die tz sprach mit der Frau mit dem unverwechselbaren Akzent, die seit 23 Jahren in Köln lebt.
Frankreich trifft im Achtelfinale am Sonntag auf Irland – eine klare Sache, oder?
Nathalie Licard: Ja, aber ich finde das irgendwie schade. Die irischen Fans sind so toll, so süß, das sind die besten Fans bei dieser EM. Die singen immer. Aber Frankreich hat die EM 1984 zuhause gewonnen, die WM 1998 auch – wir dürfen nicht verlieren.
Täuscht das, oder gibt es um die Equipe tricolore wieder ein echtes Wir-Gefühl.
Licard: Wir lieben unsere Mannschaft, und das war bei den letzten Welt- und Europameisterschaften nicht der Fall. Da waren viele Spieler oft sehr arrogant.
Aber jetzt steht das Volk hinter ,Les Bleus’. Und die Mannschaft hat auch Typen…
Licard: Mein Liebling ist Paul Pogba. Das ist ein Künstler auf dem Platz. Und dann gibt’s natürlich noch die tolle Geschichte mit Dimitri Payet. Vor ein paar Monaten noch wollte Didier Deschamps ihn nicht. Dann gab es eine öffentliche Kontroverse. Payet hat sich beschwert: „Deschamps mag mich nicht, blablabla.“ Aber dann hat er im März gegen die Niederlande so gut gespielt, dass ihn der Trainer mitnehmen musste.
Frankreich liebt eben die besonderen Charaktere…
Licard: Absolut, wir mögen spezielle Typen. Die Deutschen haben vielleicht mehr Technik, aber die Franzosen erzählen mehr Geschichten. Einige sagen, Payet sei der neue Zidane. Er will ihn ja auch zu Real Madrid holen und Payet will auch – wir werden sehen.
Zu Beginn des Turniers gab’s Angst vor Terror, dann die Hooligan-Attacken. Wie ist die Stimmung in Frankreich jetzt?
Licard: Es ist besser geworden, aber obwohl ich in Deutschland lebe, bin ich doch etwas bedrückt von der Stimmung. Als ich unlängst in Paris war, habe ich mit einem Freund einen Kaffee getrunken und er hat mir gesagt, er nimmt auf dem Heimweg lieber die kleine Gasse, nicht die Hauptstraße.
1998 stand die Weltmeister-Mannschaft um Zinedine Zidane für ein neues, multikulturelles Frankreich. Kann die aktuelle Equipe das auch schaffen?
Licard: Ja, absolut. Es ist doch toll zu sehen, wie viel Farbe in der Mannschaft steckt. Der Fußball bietet eben für viele Kinder aus den Vorstädten die Chance zum Aufstieg, das ist eine große Motivation.
Trotzdem hat Real-Madrid-Star Karim Benzema Nationaltrainer Deschamps Rassismus unterstellt, weil er ihn nicht für den EM-Kader nominiert hat…
Licard: Das ist so nicht ganz richtig. Benzema hat gesagt, Deschamps habe sich von den Rechtsradikalen und der Stimmung beeinflussen lassen. Aber das hat in Frankreich nur großes Gelächter produziert. Die Franzosen finden es richtig, dass Benzema nicht dabei ist, solange die Vorwürfe gegen ihn wegen des Sex-Videos und der Erpressung von Mathieu Valbuena nicht geklärt sind.
Hat die Equipe tricolore weniger Egos aber dafür mehr Teamgeist?
Licard: Zum ersten Mal seit Jahren, vielleicht sogar zum ersten Mal seit 1998, haben wir Franzosen eine Mannschaft, zu der wir stehen. Und dieses Gefühl wächst immer mehr. Früher war es teilweise so, dass die Spieler keine Autogramme geben wollten, aber jetzt gehen sie auf die Fans zu.
Wenn alles nach Plan läuft, könnte die Equipe tricolore im Halbfinale auf La Mannschaft treffen…
Licard: Deutschland hat gegen Nordirland ein schönes Schauspiel geboten, viele Chancen kreiert und mit viel Emotion gespielt. Mir jedenfalls wäre ein Finale Frankreich gegen Deutschland lieber gewesen.
Interview: Bernd Brudermanns