Lille - Nach dem EM-Spiel Deutschland gegen Ukraine präsentierte die ARD eine neue Statistik-Methode: Das Packing. Fans und Experten sind geteilter Meinung. Was steckt dahinter?
Der dreimalige Fußball-Nationalspieler Stefan Reinartz unterstützt Weltmeister Deutschland bei der EM-Endrunde in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) in seiner neuen Funktion als Datensammler. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Leverkusener Mitspieler Jens Hegeler (Hertha BSC) hat Reinartz, der vor Kurzem mit nur 27 Jahren bei Eintracht Frankfurt aus gesundheitlichen Gründen überraschend das Ende seiner aktiven Karriere verkündet hatte, das Start-up-Unternehmen Impect gegründet, das Fußballdaten neu erfasst und entsprechend aufbereitet.
Mit der sogenannten Packing-Methodik wird ermittelt, wie effektiv ein Spieler ist. Dabei geht es vereinfacht ausgedrückt darum, wie viele Gegenspieler ein Akteur mit seiner Aktion Richtung gegnerisches Tor überwindet und wie sich die Anzahl der Gegenspieler, die sich zwischen dem Tor des Kontrahenten und dem eigenen ballführenden Spieler befinden, verringert.
Während der Fußball-EM greift neben dem DFB selbst auch die ARD auf dieses neue Statistik-Tool zurück. Seine Premiere feierte Packing am Sonntagabend nach der Partie Deutschland gegen Ukraine (2:0), als Reinartz im ARD-Studio sein System vorstellte. Am Beispiel des 7:1-Halbfinalsieges des DFB-Teams bei der WM 2014 gegen Brasilien erklärte er die Methodik. Damals sprachen alle klassischen Parameter für die Selecao (Ecken, Ballbesitz, Torschüsse). Der Blick auf die Packing-Daten ergab ein komplett anderes Bild: Deutschland hatte mehr überspielte Gegner (402:341) und mehr überspielte Verteidiger (84:53). ARD-Experte Mehmet Scholl meinte: "Packing bestätigt ein Gefühl. Das ist Bestätigung für Dinge, die ich nicht statistisch erklären kann."
Im Internet sind die Anhänger und Experten geteilter Meinung über das Packing. Zwar erntet die Datenerhebung einigen Spott und teilweise auch Ablehnung, wird aber von einigen auch gelobt.
Ist das dieses #packing ? https://t.co/oxCPGIE48W
— Lars Wallrodt (@LarsWallrodt) 12. Juni 2016
Versteht mich nicht falsch, das mit den #Packing ist ja ganz nett. Aber ist es nicht wichtig, nur einen Gegner zu überspielen? Den Torwart!
— ruhrpoet ✏ (@ruhrpoet) 12. Juni 2016
Wie hoch ist der Packing Wert von #Kroos gestiegen weil er schon den Koffer gepackt hat? #GERUKR #EURO2016
— Großer Koordinator (@Ghost_7) 12. Juni 2016
#packing ist endlich mal was Neues in der Fußball-Statistik. Großartig von Stefan Reinartz. #EURO2016 #ARD pic.twitter.com/nHi1KQL81b
— Patrick Markowski (@paddema) 12. Juni 2016
In der Bundesliga nutzen bereits Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund und auch Aufsteiger RB Leipzig die neue Analyseform. "Wir sehen uns nicht als direkte Konkurrenz zu anderen Firmen, die Fußballdaten erfassen, sondern eher als eine Ergänzung", sagte Reinartz, dessen Firma auch mit DFB-Chefanalytiker Christopher Clemens sowie der Deutschen Sporthochschule in Köln zusammenarbeitet, am Rande des DFB-Trainingslagers in Ascona.
Kroos der Effektivste - Stindl mit Bundesliga-Bestwert
Glaubt man der Packing-Statistik, ist Champions-League-Sieger Toni Kroos der effektivste deutsche Spieler. Der Profi von Real Madrid überspielt im Schnitt pro Partie 85 Gegner. Der Durchschnitt in der Bundesliga für einen Profi auf seiner Position liegt bei 28.
Ginge es nur nach diesen Zahlen, hätte auch der Mönchengladbacher Lars Stindl zum deutschen EM-Aufgebot zählen müssen. Mit 78 überspielten Kontrahenten erzielte er unter den Offensivspielern in der Bundesliga vergangene Saison den Bestwert und zählte auch in allen anderen Kategorien zur Liga-Spitze.
SID mit fw