Mallemort - Selbst der Bundeskanzler sammelt die Österreicher im Panini-Album. Die Euphorie ist riesig. Nur auf Schnitzel müssen die Spieler in Frankreich verzichten.
Langweilig wird es David Alaba und Co. ganz sicher nicht werden. Ob Pool, Pokertisch oder Playstation - im schmucken Hotel Moulin de Vernègues ist Österreichs Fußballern alles geboten. Dass in jenem Domizil in Mallemort in der Provence 1998 einst der spätere Weltmeister Frankreich nächtigte, soll für die Rot-Weiß-Roten bei der EURO zumindest ein gutes Omen sein. Die Erwartungshaltung in der Alpenrepublik ist riesig.
"Wir wollen die Euphorie mitnehmen, die wir in Österreich aufgeschnappt haben und hier die letzten zehn Prozent draufpacken, um dann gut ins Turnier zu starten", sagt der frühere Bremer Bundesligaprofi Sebastian Prödl. Am Dienstag geht es für die Österreicher, die sich erstmals sportlich qualifiziert haben, gegen Ungarn in der EM-Vorrunde los. In Bordeaux wartet Ungarn, danach folgen in Gruppe F Duelle mit Island und Portugal.
Das Ticket fürs Achtelfinale scheint dabei fast Pflicht, auch wenn Trainer Marcel Koller immer wieder vor überzogenen Erwartungen warnt. "Wir müssen jetzt erst wieder in die Gänge kommen. Es gibt keine Ausreden, jetzt liegt es an uns", sagt Koller und fügt hinzu: "Nicht nur das Wetter hier ist heiß, sondern wir auch."
Euphorie in Österreich groß wie nie zuvor
Bei Temperaturen von hochsommerlichen 30 Grad schwitzt die Mannschaft seit Donnerstag im Süden Frankreichs auf dem Trainingsplatz. Teile der Einheiten werden in der Heimat live im Fernsehen gezeigt, das Interesse ist groß wie nie. Das Ticketkontingent für die Vorrundenspiele wurde von der UEFA im Vorfeld von 31.000 auf 43.000 Tickets aufgestockt - und wie der neue Bundeskanzler Christian Kern Trainer und Mannschaft versicherte, steht Österreich "wie ein Mann hinter Ihnen".
Der Regierungschef ist selbst einer der größten Fans, sammelt sogar die Panini-Bildchen und muss in seinem Album nur noch die Lücke bei Torhüter Robert Almer füllen. Eben jener Almer könnte gleich zum Auftakt gegen Ungarn als erster österreichischer Schlussmann seit Friedl Koncilia vor 34 Jahren bei einem Endrundenspiel ohne Gegentreffer bleiben.
Fußballerisch hat die Alpenrepublik eine lange Durststrecke hinter sich, doch in den vergangenen Jahren änderte sich auch dank Koller viel. Der 55-jährige Schweizer hat dem Team um Kapitän Christian Fuchs nach seiner Amtsübernahme im Jahr 2011 trotz der knapp verpassten WM-Teilnahme neues Leben eingehaucht. "Der österreichische Fußball an sich ist wieder eine Marke geworden, wir haben unter dem neuen Trainer und dem Trainerteam einen neuen Spielstil kreiert", sagt Prödl.
Nicht nur die Spieler hätten sich weiterentwickelt, auch der Verband, betont der 28-jährige Prödl. Alles sei mittlerweile "klug gewählt" - von der Ernährung über die Trainingslager bis hin zu den Hotels. Und selbst der einstige Skandalprofi Marko Arnautovic hört aufs Wort. "Wir haben etwas Geduld gebraucht, aber er setzt alles gut um und wir sind froh über seine außergewöhnlichen fußballerischen Qualitäten", sagte Koller.
Bei aller positiven Stimmung in der "Wohlfühloase", wie Offensivspieler Martin Harnik vom VfB Stuttgart die Mannschaft nennt, greift Koller manchmal jedoch auch zu unbeliebten Mitteln: Auf den Teller kommen gedünsteter Fisch oder Geflügel - Schnitzel sind gestrichen.
dpa