In weniger als drei Monaten beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Die entscheidende Frage: Wo wird sie gespielt? Offenbar doch nicht in München.
München - Der Gedanke war so schön, so romantisch. Zum 60-jährigen Jubiläum des Turniers sollte die Europameisterschaft 2020 in verschiedenen Ländern ausgetragen werden. So hätte man den kompletten Kontinent in ein Fußball-Schlaraffenland verwandelt. Die Realität sieht anders aus. 2020 konnte das Turnier überhaupt nicht stattfinden. Ein Jahr später wird stark an der ursprünglich geplanten paneuropäischen EM* (11. Juni bis 11. Juli) gezweifelt. Findet sie überhaupt statt?
Und so kommt es nun, weniger als drei Monate vor Beginn des Turniers, so, wie es eben kommen musste: München wird höchstwahrscheinlich kein Austragungsort der Europameisterschaft sein - der GAU, das Fiasko für die bayerische Landeshauptstadt! Eigentlich sollten in der Allianz Arena* die Gruppenspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich (15. Juni), Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) sowie ein Viertelfinale steigen. Im Corona-Jahr 2021 ist das aber wohl nicht möglich - weil sich das nationale Pandemie-Geschehen nicht mit den Plänen von EM-Ausrichter UEFA deckt. Und die lauten: Zuschauer. Warum?
EM 2021: München wird wohl doch kein Austragungsort - UEFA-Pläne durchgesickert
Der Verband hatte vor der Pandemie mit rund zwei Milliarden Euro Einnahmen durch die EM gerechnet. Der Ticketverkauf macht bei dieser Kalkulation fast ein Viertel der Erlöse aus. Klar, dass die Macher auf die Gelder der Anhänger pochen. „Jeder Ausrichter muss garantieren, dass Fans zu den Spielen dürfen“, sagte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin* kroatischen Medien: „Wir haben mehrere Szenarien. Aber die Option, dass irgendein Spiel der EM ohne Fans ausgetragen wird, ist definitiv vom Tisch.“ Seit mehr als einem Jahr hat kein einziger Zuschauer die Allianz Arena für Heimspiele des FC Bayern betreten. Dass Corona es zulässt, schon in drei Monaten wieder Fanmassen in das weite Rund strömen zu lassen, gilt als ausgeschlossen.
Nach SID-Informationen müssen sich die zwölf Ausrichterstädte (München, Amsterdam, Baku, Bilbao, Budapest, Bukarest, Dublin, Glasgow, Kopenhagen, Rom, St. Petersburg und London) bis zum 7. April bei der UEFA hinsichtlich der Zuschauerfrage erklären. Die Entscheidung über das Format der Endrunde wird wohl frühestens beim UEFA-Kongress am 20. April fallen.
EM 2021: Wo findet die Europameisterschaft statt? Fans sollen ins Stadion
„Die ideale Variante ist, in allen zwölf Ländern zu spielen. Aber es ist möglich, dass das Turnier in zehn oder elf Ländern gespielt wird, wenn einige Länder die Bedingungen nicht erfüllen“, sagte Ceferin über die EM, die am 17. März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben worden war.
Zuletzt wurde in verschiedenen Medien immer wieder darüber spekuliert, welche Städte gestrichen werden könnten. Dabei ging es meist um Baku, Dublin, Bilbao und Glasgow. Zudem halten sich die Gerüchte, wonach ein Großteil der Partien in Großbritannien* stattfinden soll. Diese Vermutung ist naheliegend, weil auf der Insel die Impfungen schon weit fortgeschritten sind - was Zuschauer in den Stadien ermöglichen könnte. Die Münchner Organisatoren haben nach SID-Informationen am Mittwochvormittag aufgrund der Ceferin-Äußerungen eine Sitzung einberufen. Schließlich sind in München wie in ganz Deutschland derzeit keine Zuschauer in den Fußballstadien zugelassen.
EM 2021 doch nicht in München? Oberbürgermeister Reiter stellt klar: „Rückzug war und ist kein Thema“
Entsprechend irritiert von den Ceferin-Aussagen zeigte sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie zulässt, im Juni Zuschauer zuzulassen oder nicht. Klar ist aber, dass Veranstaltungen dieser Art mit Zuschauern nach den aktuellen Vorschriften nicht erlaubt sind“, ließ der SPD-Politiker am Mittwoch verlauten: „Ich würde mir gerade in diesen Zeiten wünschen, dass die Verantwortlichen der UEFA* hier den direkten Austausch mit den Gastgeber-Städten suchen, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.“
Die Veranstalter planen „weiterhin mit verschiedenen Szenarien, was mögliche Zuschauer im Stadion betrifft“, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der bayerischen Landeshauptstadt. „Ein Rückzug Münchens war und ist kein Thema.“ Und weiter: „Welches Szenario letztlich umgesetzt werden kann, wird vom aktuellen Pandemie-Geschehen im Juni bzw. Juli abhängen.“
EM 2021 doch nicht in Deutschland? DFB reagiert auf Pläne der UEFA
Um die Auflage der UEFA zu erfüllen, bräuchte es wohl eine Sonderreglung vonseiten der Politik. Ob eine solche „Extrawurst“ Akzeptanz in der Bevölkerung finden würde, darf angesichts stetig steigender Fallzahlen und weitaus drängenderer Probleme bezweifelt werden. Was Dagmar Freitag von den UEFA-Bedingungen hält, machte die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages mit ihrem Kommentar bei Twitter deutlich: „Ohne Worte. Parallelwelt des Profifußballs.“
Angesichts des Zeitdrucks müsste das Thema wohl schon bei den Bund-Länder-Beratungen am Montag erörtert werden - der Punkt „Veranstaltungen“ steht immerhin auf der Agenda. Dennoch erscheint eine Endrunde auf dem gesamten Kontinent mit Zuschauern derzeit undenkbar, da das Reisen von allen Experten als Treiber der Pandemie angesehen wird. Die derzeit geltenden Restriktionen in vielen Ländern würden Grenzüberschreitungen von Fans sowieso weitestgehend unmöglich machen.
Der DFB* sagte dem SID, dass er weiter an alle Szenarien arbeite. „Wir möchten gerne im Sinne der Fans die Vision erfüllen, dass auch Zuschauer - unter den dann geltenden Bestimmungen - die Spiele der EURO 2020 in München besuchen können“, hieß es in einer Stellungnahme. Ob dies machbar ist, ließ der Verband offen: „In den weiterführenden Gesprächen mit der UEFA und unseren Partnern in München werden wir bis in den April hinein fortlaufend erörtern, ob und wie die Umsetzung dieser Ziele gelingen kann.“ (akl/sid) *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA