Das neue Leben des Oliver Bierhoff

Oliver Bierhoff hat im vergangenen Jahr die FINVIA Sports GmbH gegründet.
 ©Federico Gambarini/dpa

Nach der Weltmeisterschaft 2022 ist Oliver Bierhoff als DFB-Geschäftsführer zurückgetreten. Inzwischen hat er die FINVIA Sports GmbH gegründet. Im Merkur/tz-Interview spricht Bierhoff über sein neues Leben.

München - Nach seinem Aus beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sprüht Oliver Bierhoff (55) wieder vor Tatendrang. Im großen Merkur/tz-Interview verrät er, was er aktuell macht.

Nach der WM 2022 sind Sie als DFB-Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie zurückgetreten. Haben Sie an Lebensqualität dazugewonnen?

Die Arbeit beim DFB hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber wenn Lebensqualität weniger Stress bedeutet, dann auf jeden Fall. Beim DFB war ich 150 Tage im Jahr unterwegs, dazu ständigem medialen Druck ausgesetzt. In einem politischen Verband zu agieren, bedeutet auch viel aktives Management. Aber es war eine tolle Aufgabe, die mich erfüllt hat. Als ich 2003 meine Spielerkarriere beendet habe, habe ich mit dem Weltklasse-Sprinter Michael Johnson gesprochen. Er sagte: Jeder der aufhört, merkt schnell, wie viel Druck man während seiner aktiven Zeit hatte. Als Sportler horcht man ständig in seinen Körper rein. Wenn ich das mit meiner Managerzeit vergleiche: Oft bin ich abends mit dem Druck ins Bett gegangen am nächsten Tag in zehn bis 15 Meetings zu sein und wichtige Mails zu beantworten, um Projekte voranzuschieben. 

Wie haben Sie Ihre freie Zeit genutzt?

Ich habe das gemacht, was in den letzten Jahrzehnten zu kurz kam: Zeit mit der Familie und Freunden verbracht, sowie die ein oder andere Reise gemacht. Zudem habe ich sehr viele Gespräche geführt, mir viele Angebote angehört. Während meiner zwei Amerika-Aufenthalte habe ich den Football-Club New England Patriots, den ich berate, besucht. Ich war auch bei der Reise der Bundesliga-Sportdirektoren in Boston, die ich beim DFB selbst initiiert habe, im Oktober dabei. Ein schöner Mix aus Weiterbildung, Kontaktpflege in den USA und freundschaftlichem Wiedersehen.

Medial ist es aber ruhig um Sie geworden.

Ich habe mich bewusst sehr zurückgezogen, weil ich nicht die Gefahr eingehen wollte, dass man den Eindruck haben könnte, da versuche hinterher noch jemand, die Schuld abzuladen. Ich bin überzeugt: In solchen Momenten muss man konsequent den Schritt gehen und die Klappe halten. Es tat mir gut, medialen Abstand zu haben und mir Gedanken darüber machen zu können, was ich in Zukunft machen will. Diesen Prozess kann man aktives Warten nennen.

Welche Chancen haben sich für Sie ergeben?

Schon zwei Tage nach meinem Rücktritt beim DFB war ich am Telefon. Es ging um eine Möglichkeit im Bereich Private Equity, um Investorenprozesse. Ich habe viele Gespräche geführt – in alle Richtungen – im Hinblick darauf, wie meine dritte Karriere aussehen soll.

Kam ein Job bei einem Topclub im Fußball infrage?

Es gab die ein oder andere Anfrage. Aber ich hatte den Eindruck, dass vielen Clubs schon bewusst war, dass gewisse Optionen für mich nicht infrage kommen. Wenn man die deutsche Nationalmannschaft betreut hat, gibt es nicht viele Aufgaben, die vergleichbar sind. Grundsätzlich mache ich jedoch die Attraktivität einer Aufgabe nicht nur an Renommee, Namen oder Größe aus. Viel wichtiger ist mir das Projekt an sich, die Menschen, die dahinter stehen. Ich habe relativ schnell für mich beschlossen, ein Vereinsengagement auszuschließen. Ich wollte bewusst einen neuen Schritt gehen. Nach meiner Karriere als Spieler und anschließend als Verbands- und Nationalmannschaftsmanager hat sich die Kombination von Sport und Business richtig angefühlt. 

Klingt nach einer intensiven Phase. War eine große Auszeit kein Thema?

Ich bin kein Typ fürs Nichtstun, habe schon seit meiner Kindheit immer wieder neue Aufgaben gesucht. Ich würde mir manchmal wünschen, mehr Ruhe und Gelassenheit dabei zu haben. Allerdings ist mir auch wichtig, immer mal wieder zurückzutreten, mir Freiraum und Abstand zu schaffen, um das große Bild zu sehen. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich noch Tatendrang habe.

Im vergangenen November gaben Sie bekannt, die FINVIA Sports GmbH gegründet zu haben. Es geht um Vermögensanlage für Spitzensportler. Was kann man sich konkret darunter vorstellen?

Wir kümmern uns um das Vermögen von Menschen, insbesondere von Sportlern, die sich häufig in jungen Jahren voll auf den Job konzentrieren, gleichzeitig ein gutes Einkommen haben und für die Zeit nach der Karriere vorsorgen müssen. Wir stehen an der Seite der Sportler, besprechen mit ihnen, wohin die Reise gehen soll, welche Ziele und Wünsche sie haben. Und anschließend beraten wir sie nach einer exakten Strategie, wo sie ihr Vermögen bestmöglich investieren sollen. Der Steuerberater macht deine Steuer. Der Anwalt vertritt dich vor Gericht - und wir kümmern uns um dein Vermögen. Als neutrale Instanz.

Wie viel Geld müssen Sportler für eine Betreuung mitbringen?

Das Interessante ist, dass viele Menschen ein Family Office immer noch mit superreich und Riesen-Vermögen verbinden. Der Superreiche hat sein eigenes Family Office. Der sehr Vermögende nimmt sich ein Multi-Family-Office. Wir schaffen es mit unserem Angebot und durch unsere digitale Plattform, uns auch um Menschen mit kleineren Vermögen zu kümmern. Die Leistungen sind unterschiedlich. Zu uns können Sportler auch bereits mit einem Vermögen von 500 000 Euro kommen und damit etwas aufbauen. Interessant wird es aber bei einem Vermögen von zwei bis drei Millionen Euro. Ein Bundesligaspieler mit gut dotierten Verträgen kann eine solche Summe im Laufe seiner Karriere schon anhäufen. 

Welche Investitionsmöglichkeiten bietet Ihr Unternehmen?

Grundsätzlich versuchen wir, alles anzubieten, was der Kunde sich wünscht. Bei den klassischen Anlageklassen haben wir Topexperten im Haus. Für besondere Wünsche wie Kunst und Antiquitäten besorgen wir die richtigen Experten und begleiten den Kunden. FINVIA hat mittlerweile ein verwaltetes Vermögen von knapp sechs Milliarden Euro. Dadurch haben wir bei den Banken andere Konditionen, wenn unser Kunde Gold kaufen oder ein Wertpapier-Depot eröffnen wollen oder ins Private Equity einsteigen will. Wir wollen unseren Kunden auch ermöglichen, Investments im Sport zu tätigen. Wir demokratisieren eigentlich das elitäre Family Office. Unser Family Office kümmert sich um alles, was wir gemeinsam mit dem Kunden in seiner Strategie festgelegt haben.

Oliver Kahn glaubt zum Beispiel an Bitcoin. Sie auch?

Bei Kryptowährungen tue ich mich schwer. Ich würde keinem dazu raten. Aber wenn der Kunde doch investieren möchte, muss er wissen, dass diese Form der Anlage hochspekulativ ist. Meine Information ist, dass der Markt für Kryptowährungen noch sehr klein ist und dadurch schnell reagiert. Das kann gut, aber auch schlecht laufen.

Viele Fußballer investieren in Luxus-Uhren oder teure limitierte Autos. Wie clever ist das?

Solche Vermögenswerte würden wir auch ins Reporting aufnehmen. Aber es sind Assetklassen oder Bereiche, denen wir aktiv nicht besonders große Aufmerksamkeit widmen. Wenn der Kunde sagt, er hat Lust auf eine Autosammlung, dann unterstützen wir ihn. Bei uns geht es aber eher um liquide Anlagen, alternative Investments und Immobilien. Weniger um Liebhabereien. Uhrenpreise gehen hoch und runter. Ähnlich wie bei Kunst oder Oldtimern. Ich habe einen Freund, der mehrere Porsche hatte. Am Ende war er froh, dass er plus minus null rausgegangen ist.

Viele Profifußballer sind nach der Karriere pleite. Warum?

Vereinfacht gesagt: Es kommt zu wenig rein und es geht zu viel raus. Zudem unterschätzen die meisten die Inflation. Wenn ich das Gleiche wie vor ein paar Jahren ausgebe, wird der Wert meines Geldes mit der Zeit immer weniger. Viele Menschen haben keinen Überblick über das, was sie haben und wie sie damit leben können. Ich habe meinen Nationalspielern immer gesagt - und so bin ich es auch selbst angegangen: Mach am Ende der Karriere eine Abrechnung, überlege dir, was du ausgeben möchtest und lass dir dann sagen, wie du es investieren musst, um deinen Lebensstandard halten zu können. Das passiert aber nicht. Der Profi hat meist in seiner aktiven Karriere auf sehr hohem Niveau gelebt. Viel Geld ist reingekommen. Wenn man den Lebensstandard halten will und nach der Karriere nicht mehr arbeitet, halte ich eine ordentliche Finanzplanung für absolut notwendig und entscheidend. Ein durchschnittlicher Fußballprofi hat sich zwar ein gutes Vermögen aufgebaut. Aber wenn er ohne Strategie vorgeht, wird es kaum bis zu seinem Lebensende ausreichen. 

Während Ihrer Zeit als DFB-Manager haben Sie regelmäßig erfolgreiche Menschen aus der Wirtschaft zu Vorträgen vor der Nationalmannschaft eingeladen. Wie wichtig ist es für junge Sportler, sich mit dem Thema Geld auseinanderzusetzen? Sollten das Vereine und Verbände in der Entwicklung und Ausbildung von Fußballern thematisch mitbespielen?

Das kommt in der gesamten Gesellschaft zu kurz. Man spricht an sich ungern über Geld. Ich würde mir in Schulen und Akademien mehr Offenheit und spielerischen Umgang mit dem Thema Geld wünschen. Darauf basiert unser Marktsystem. Jedem Menschen hilft das. Ich mache mir Gedanken, was man Spielern noch als Hilfsmittel mitgeben kann.

Seit wann fasziniert Sie die Finanzwelt?

Mit 16 Jahren habe ich mit Freunden bei einem Börsenwettbewerb der Sparkasse den dritten Preis gemacht. Ich habe mich also recht früh für Finanzen interessiert. Mit 18 Jahren bin ich Profi geworden, das war glückliche Fügung. Damals war die Ausgangsposition eine ganz andere als heute. Bis ich Nationalspieler wurde und zu Inter Mailand gewechselt bin, hatte ich keinen Gedanken, dass ich von meinem Verdienst für immer leben kann. Früher war es so, dass man sich als Fußballprofi eine tolle Basis für die Zeit nach der Karriere schaffen kann. Wenn man aufhört, hat man vielleicht ein oder zwei Eigentumswohnungen, eventuell noch eine Doppelhaushälfte. Also habe ich mich zeitig damit befasst, wie ich meine Finanzen gestalten möchte.

Sie haben Wirtschaft studiert. Ein Vorteil?

Es hilft, ein Verständnis für die Finanzprodukte zu haben. Mein wichtigster Rat, nicht nur für Finanzen, ist aber: Hol dir gute Experten an deine Seite. Nutze dein Netzwerk und geh nicht blauäugig in jedes Investment, nur weil die Person, die dir dazu rät, sympathisch ist. Eine Regel habe ich mitgenommen: Man kann Glück und Geld haben, aber die Gier darf nicht dazukommen. Gier ist immer gefährlich: im Beruf, im Privatleben und beim Thema Finanzen. Wenn man gierig ist, fällt man auf die Schnauze. 

Was war Ihr bestes und was Ihr schlechtestes Investment?

Menschen erzählen immer gerne von ihren guten Investitionen. Aber es gehören auch immer schlechte dazu. Bei mir ebenfalls. Ich habe aber nie etwas aus Fahrlässigkeit falsch gemacht oder entschieden. Für mich war immer wichtig: Mach nur das, was du verstehst. Wenn nicht, lass die Finger davon – egal, wie attraktiv die Chance wirkt. Bei einer meiner Immobilien gab es mal eine Totalabschreibung. Bei meinen unternehmerischen Investments habe ich ein gutes Händchen bewiesen. Mit meinem damaligen Berater Peter Olsson hatte ich eine kleine Agentur, diese wurde schlussendlich sehr erfolgreich verkauft. Auch das von mit mir mitgegründete Unternehmen Projekt b – dabei ging es um Vermarktung von Sportlern – war erfolgreich. Ich hoffe, dass auch FINVIA Sports Erfolg haben wird. Noch will ich das, was ich ausgebe, erarbeiten und nicht von meinem Ersparten leben. Das ist mein Anspruch. Interview: Philipp Kessler

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