Gonçalo Paciência ist derzeit in Japan auf der Suche nach Toren. Auch in seinem neuen Zuhause erinnert er sich häufig an seine Tage bei Eintracht Frankfurt.
Frankfurt - Es gab in der jüngeren Vergangenheit nur wenige Profis, die sich so mit Eintracht Frankfurt identifiziert haben, wie es Gonçalo Paciência tat. Der Portugiese kam für drei Millionen Euro vom FC Porto und schnürte zunächst von 2018 bis 2020 die Fußballschuhe für die Hessen. Nach einem Leihjahr bei Schalke 04 kehrte er 2021 zurück - und trug seinen Teil dazu bei, dass der Traditionsklub am 18. Mai 2022 nach 42 Jahren wieder die Europa League gewinnen konnte.
Inzwischen hat es Paciencia nach Japan zu Sanfrecce Hiroshima verschlagen. Unter dem in Frankfurt ebenfalls bestens bekannten Trainer Michael Skibbe steuerte er schon zwei Tore zum Erfolg bei. Möglicherweise darf er schon bald die Meisterschaft mit seinem neuen Klub feiern. Trotz der aktuell guten Zeit denkt der Angreifer, der seit vier Monaten stolzer Papa eines Mädchens ist, bei fussball.news an seine Jahre bei der Eintracht zurück.
fussball.news: Gonçalo Paciência, was war der Reiz für Sie, nach Japan zu gehen?
Gonçalo Paciência: Ich habe schon länger den Traum gehegt, einmal in Japan zu spielen. Ich war 2018 hier und habe den Aufenthalt sehr genossen. Deshalb habe ich meinem Berater gesagt, dass ich gerne einmal in Japan spielen möchte. In Europa gab es zuletzt nicht das Angebot, dass mich überzeugt hat. Als sich dann die Chance in Hiroshima ergeben hat, habe ich mit meiner Familie gesprochen. Meine Frau war sofort offen. Auch der finanzielle Aspekt hat gepasst. Deshalb haben wir uns auf dieses Abenteuer eingelassen.
fussball.news: Und jetzt können Sie Meister mit Hiroshima werden…
Paciência: Wir haben noch fünf Spiele und führen die Tabelle an. Hiroshima ist zwar kein großer Klub, aber sie haben in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet. Das fußballerische Niveau in Japan ist zwar nicht vergleichbar mit dem in Europa. Trotzdem ist es nicht einfach, in dieser Liga ganz oben zu stehen. Jetzt haben wir die große Chance, den Titel zu holen. Wir setzen alles daran, das zu packen.
fussball.news: Wo sehen Sie die größten Unterschiede im Vergleich zum europäischen Fußball?
Paciência: Der Fußball in Europa ist intensiver. Es herrscht größere Ordnung und taktische Disziplin auf dem Platz. Die Partien in Japan sind immer etwas wilder. Für uns Stürmer gibt es deshalb viele Chancen und Momente, ein Tor zu erzielen. Als Angreifer hast du etwas mehr Zeit und Platz bei deinen Aktionen. Ein Vergleich ist deshalb unfair. Europa ist im Fußball weltweit die Nummer 1! Dort gibt es die Topligen Deutschland, Spanien, England und Italien. In Japan gefällt es mir trotzdem sehr gut. Ich genieße die Mischung aus Fußball und dem guten Leben. Die Menschen hier sind zwar nicht so offen wie die Menschen in Europa. Aber sie sind sehr respektvoll und höflich. Die Japaner lassen dich am Leben teilhaben und meine Familie fühlt sich sehr sicher. Und das Essen schmeckt auch sehr gut (lacht).
fussball.news: Hatten Sie vor Ihrem Wechsel nach Japan Kontakt mit Eintracht-Legende Makoto?
Paciência: Ich habe vor meinem Wechsel nach Japan tatsächlich mit Makoto Hasebe gesprochen. Er hat mir da schon gesagt, dass die Mannschaft von Hiroshima Meister werden kann. Es war wichtig für mich, dass ich die Chance habe, noch einen Titel zu gewinnen. Das wäre etwas ganz Besonderes für mich.
fussball.news: Sie haben schon einen großen Titel in Ihrer Karriere gewonnen. Denken Sie manchmal noch an den Europa League-Triumph mit Eintracht Frankfurt zurück?
Paciência: Der Sieg in der Europa League war das Highlight meiner Karriere. Ich habe in Frankfurt mit die beste Zeit meines Lebens gehabt. Natürlich habe ich nicht mehr ganz so oft gespielt. Dennoch vermisse ich diese Momente, an die ich häufig zurückdenke. Dass ich die Eintracht damals verlassen musste, war sehr schwer für mich. Aber so ist das Leben. Es war eine großartige Zeit, die immer in meinem Kopf bleibt.
fussball.news: Ohne Ihre beiden Tore gegen Antwerpen wäre vieles für die Eintracht gar nicht möglich gewesen. Sie ebneten mit einem Elfmetertor außerdem den Weg zum ersten Sieg von Oliver Glasner. Denken Sie oft daran zurück?
Paciência: Nach dem Gewinn der Europa League haben auch Axel Hellmann (Vorstandssprecher, Anm. d. Red.) und Philip Holzer (Ex-Aufsichtsratschef) zu uns gesprochen und gesagt, dass meine Tore wichtig für die Mannschaft waren. Diese Worte waren für mich mehr wert als ein Treffer. Es ist großartig, wenn die Entscheidungsträger zu dir sagen, dass du wichtig für die Mannschaft und den Verein bist. Das ist wie eine Trophäe. Diese Europa League-Saison hat viele Emotionen bei uns geweckt. Ich war glücklich, dass ich auch meinen Teil zum Erfolg beitragen konnte. Deshalb habe ich auch 50 Prozent Porto und 50 Prozent Eintracht in meinem Herzen – oder vielleicht auch noch ein paar Prozentpunkte mehr Eintracht Frankfurt (lacht).
fussball.news: Die Eintracht hat ein sehr euphorisches Umfeld, die Fans singen nach dem guten Saisonstart schon „Deutscher Meister wird nur die SGE“. Glauben Sie, dass dieser Erfolg möglich ist?
Paciência: Ich habe über dieses Thema mit Freunden aus Frankfurt gesprochen. Als ich 2018 zur Eintracht angekommen bin, waren die Gegebenheiten noch ganz andere. Wir hatten nur die kleine Umkleidekabine am Stadion. Als ich Frankfurt verlassen habe, hatten wir den neuen und eindrucksvollen Profi-Campus. Bei der Eintracht gibt es den Traum, die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Ich denke, dass der Klub sehr gut gearbeitet und deshalb auch nachhaltig Erfolg hat. Wie schnell es mit einem Titelgewinn funktionieren kann? Das weiß ich nicht. Aber der Verein befindet sich auf einem sehr guten Weg. Natürlich ist die Konkurrenz mit den Topmannschaften FC Bayern München, Bayer Leverkusen, RB Leipzig und Borussia Dortmund groß. Trotzdem glaube ich daran, dass die Eintracht eines Tages den Titel holen kann. Bei Bayer hat vor einem Jahr immerhin auch niemand daran gedacht, dass sie Deutscher Meister werden könnten…
fussball.news: Alle Spieler, die zur Eintracht kommen, schwärmen von Timothy Chandler. Auch ihr hattet ein enges Verhältnis. Halten Sie weiterhin Kontakt zu ihm?
Paciência: Natürlich. Timmy und ich telefonieren so häufig wie möglich. Wenn ich nächstes Jahr in Brasilien heirate, dann sind Timmy und Sebastian Rode eingeladen. Sie müssen zu meiner Hochzeit kommen (lacht). Timmy ist ein echter Freund geworden und wir werden auch in Zukunft Freunde bleiben. Für den Klub wird es schwer, wenn er die Karriere beendet. Timmy muss für immer bei der Eintracht bleiben.
fussball.news: Was zeichnet Chandler denn aus?
Paciência: Timmy ist ein lustiger Mensch. Und er ist eine Legende von Eintracht Frankfurt. Timmy ist ein Sohn der Stadt, der ausländischen Spielern hilft und alle miteinander verbindet. Er hat aber auch viel Erfahrung auf dem Platz gesammelt und wichtige Tore in schwierigen Phasen erzielt. Timmy hatte mit Verletzungen zu kämpfen in seiner Karriere. Er hat aber immer den Weg zurückgefunden und diese Erfahrung gibt er weiter. Du kommst als Neuzugang in eine fremde Stadt und Timmy ist immer da. Frankfurt ist eine große Stadt und die Eintracht ein großer Klub. Es ist daher wichtig, dass Leute wie Timmy da sind. Er ist wie ein Papa für das Team (lacht)