„Flasche leer“: Vor genau 20 Jahren hielt Kult-Trainer Trapattoni seine Wutrede

Giovanni Trapattoni trainierte den FC Bayern von 1994 bis 1995 und von 1996 bis 1998.
 ©dpa / Peter Kneffel

Auf den Tag genau vor 20 Jahren explodierte Bayern-Trainer Trapattoni wie ein sizilianischer Vulkan. Die deutsche Fußballsprache profitiert bis heute vom Sprachgefühl des Italieners.

München - Giovanni Trapattoni hat sich auf den Tag der Abrechnung akribisch vorbereitet. Sieben, acht Zettel, so erinnert sich der damalige Pressesprecher des FC Bayern, Markus Hörwick, bringt der italienische Coach am 10. März 1998 mit ins überfüllte Pressestüberl an der Säbener Straße. „Sind Sie bereit?“, raunt Trapattoni den Journalisten zu, dann nimmt die legendäre Wutrede ihren Lauf.

„Flasche leer“, „Was erlauben Strunz?“ - im Stile eines brodelnden Vulkans zündet Trap ein dreieinhalbminütiges Sprüchefeuerwerk, das er mit den inzwischen geflügelten Worten „Ich habe fertig“ beendet. Der Kern seiner Anklage: „Ein Trainer ist nicht ein Idiot!“ Also: Nicht er sei schuld am 0:1 des Meisters auf Schalke zwei Tage zuvor und den acht Punkten Rückstand des Tabellen-Zweiten auf Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern. Sondern: Die Spieler!

Strunz kriegt von Trapattoni sein Fett weg

Namentlich: Thomas Strunz, „is immer verletzt!“ Außerdem: Mehmet Scholl und Mario Basler, die Trapattoni nach der Pleite in Gelsenkirchen in Interviews attackiert hatten. Der Italiener war so sauer auf das Trio, dass er bereits am Abend der Niederlage im Hotel beim Gespräch mit den Bossen auf sie schimpfte. Dabei gestikulierte er so wild, dass eine geöffnete Flasche Rotwein über die Hose von Manager Uli Hoeneß kippte.

Im Kurzurlaub in Italien am trainingsfreien Montag reift in ihm die Idee zur Abrechnung. Was er dann in ein Dutzend Mikrofone brüllt, ist „keine spontane Sache“, wie Trapattoni in seiner 2016 erschienen Biographie („Ich habe noch nicht fertig“) schreibt. Er hatte sogar einen befreundeten italienischen Journalisten angerufen, „weil ich wahrlich ein Riesentohuwabohu veranstalten wollte“.

Die Spieler waren „alle geschockt über das Ausmaß seines Zorns“, sagte Strunz der SZ. Er habe danach eine harte Zeit durchlebt, „ich war auf einmal das Synonym des verwöhnten Fußballers“. Über Leistung schaffte er später wieder den „Turnaround vom Clown der Nation zum Nationalspieler“.

Trapattoni bereicherte auch andere Sprachen

Der Name Strunz, sagt Trapattoni, habe auch zur Verbreitung der Tirade in Italien beigetragen. Im neapolitanischen Dialekt steht er für eine unflätige Beschimpfung, das „machte das Ganze umso einprägsamer“. Wie ein Kind habe sich der Mittelfeldspieler damals benommen, inzwischen haben sich beide längst ausgesprochen.

Dass der Trainer Trapattoni zu Wutausbrüchen neigte, mussten die Bayern schon in dessen erster Amtszeit 1994/95 erleben. Nach der Niederlage im Supercup gegen Bremen gleich im ersten Pflichtspiel hätten die Wände gezittert, „so sehr brüllte ich herum“. Und auch später in Irland („The cat is in the sack“) oder Salzburg („Wer kann nicht sprechen, der schreiben“) kam es zu slapstikartiger Sprachakrobatik.

Im März 1998 wollte er sogar noch einmal zurück in den Presseraum, nachlegen. Hörwick schloss ihn in der Trainerkabine ein und flunkerte, die Pressemeute sei schon weg.

„Trap“ in einem Buch mit Martin Luther King

Inzwischen, sagt Trapattoni (78), der nach fast 40 Trainerjahren mit über 20 Titeln seinen Ruhestand genießt, amüsiere er sich über den Ausbruch, der „eine Legende wurde“, wie er schreibt. Mit dem Satz von der leeren Flasche warb er für ein Sprudler-System, verdiente gut.

Und „ich habe fertig“? Wurde in einen Band mit historischen Zitaten aufgenommen, schreibt er stolz. „Dort steht es nun neben Zitaten wie 'I have a dream' von Martin Luther King, um nur eines zu nennen. Nicht schlecht.“

Giovanni Trapattonis Wutausbruch im Wortlaut

„Sind Sie bereit? (sortiert die Kabel eines Mikrofons vor ihm auf dem Podium)

Stellen mir die Frage, wenn hören oder verstehen schlecht meine Wörter, bitte. (legt die Zettel vor sich zurecht, stützt sich mit beiden Armen auf dem Podium auf)

Es gibt im Moment in diese Mannschaft, oh, einige Spieler, vergessen ihnen Profi, was sie sind. (hebt den linken Zeigefinger und fasst sich ans rechte Ohr) Ich lese nicht sehr viele Zeitungen, aber ich habe gehört viele Situationen.

Erstens: Wir haben nicht offensiv gespielt. (wird lauter) Es gibt keine deutsche Mannschaft spielt offensiv (fuchtelt mit der linken Hand) o dynam-offensiv wie Bayer. Letzte Spiel hatten wir in Platz drei Spitzen (zeigt Daumen, Zeige- und Mittelfinger der linken Hand): Elber, Jancker und dann Zickler. Wir mussen nicht vergessen Zickler. Zickler ist eine Spitzen - mehr Mehmet, eh mehr eh Basler.

Ist klar diese Wörter, ist möglich verstehen, was ich euch gesagt? Dann. Offensiv, offensiv ist wie maken wir in Platz.

Zweite: Ich habe erklär mit diese zwei Spieler, nach Dortmund brauchen vielleicht Halbzeitpause. (gestikuliert) Ich habe auch andere Mannschaft gesehen in Europa nach diese Mittwoch. Ich habe geseh auch zwei Tage de Training. Ein Trainer ist nicht ein Idiot! (zeigt mit dem rechten Zeigefinger nach vorne) Ein Trainer sehen was passieren in Platz. (gestikuliert mit der linken Hand, ruft) In diese Spiel, wie zwei oder drei oder vier Spieler waren schwach wie eine Flasche leer!

Haben Sie gesehen Mittwoch? Welche Mannschaft hat gespielt Mittwoch? Hat gespielt Mehmet (haut mit der rechten Hand aufs Podium), or gespielt eh Basler, (gestikuliert) or hat gespielt Trapattoni? (lauter, gestikulierend) Diese Spieler beklagen mehr als spiel! Wissen Sie, warum die Italia-Mannschaft kaufen nicht diese Spieler? Weil wir haben gesehen viele Male dumme Spiel. Haben gesagt, sind nicht Spieler für die italienische, eh, Meisters.

(ruft) Strunz! Strunz ist zwei Jahre hier (gestikuliert), hat gespielt zehn Spiel, ist immer verletzt. (haut mit der linken Hand aufs Podium, gestikuliert) Was erlauben Strunz? Letzte Jahre Meister geworden mit Hamann (haut zwei Mal mit der linken Hand aufs Podium), eh, Nerlinger. (gestikuliert) Diese Spieler waren Spieler, eh, waren Meister geworden. (schreit) Ist immer verletzt! Hat gespiele 25 Spiele in diese Mannschaft, diese Verein! (gestikuliert) Musse respektiere die andere Kollega! Haben viel nette Kollegan (zeigt mit der rechten Hand in den Kabinentrakt hinter ihm). Stellen Sie die Kollega die Frage! Haben keinen Mut antworten, (haut mit rechts auf das Podium) weil ich weiß, was denken über diese Spieler!

(haut zwei Mal mit der rechten Hand aufs Podium) Mussen zeigen jetzt, (gestikuliert) ich will, Samstag, diese Spieler mussen zeigen mich (zeigt mit der rechten Hand auf sich). eh, zeigen de Fans (zeigt, gestikuliert, schreit), mussen alleine die Spiel gewinnen. Mussen alleine die Spiel gewinnen. Ich bin müde jetzt Vater diese Spieler, eh, verteidige diese Spieler! Ich habe immer die Schulde über diese Spieler. Einer ist Mario (haut mit der rechten Hand aufs Podium), einer ist, andere ist Mehmet! (wischt mit der rechten Hand durch die Luft) Strunz ich sage nicht, hat nur gespielt 25 Prozent des Spiel.

(faltet seine Zettel zusammen, ruhiger) Ich habe fertig! (geht ab; dreht sich noch einmal um, gestikuliert)

Wenn ist nachfragen, eh, ich kann Worte wiederholen, eh.“ (geht ab)

Am Tag des 20-jährigen Jubiläums von Giovanni Trapattonis Wutrede wird übrigens auch Fußball gespielt. Der FC Bayern München empfängt den abstiegsbedrohten Hamburger SV. Im Ticker von tz.de* können Sie live dabei sein.

*tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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